Das Ding ist irgendwie verrutscht. Schräg hängt es an einem Baumstamm herunter. Michael Lemmert zerrt an ihm herum, bis es wieder straff sitzt: Ein Wegweiser – drei Streifen: Blau (steht fürs Wasser), Gelb (für die Sonne) und dazwischen ein Band Silber. Das reflektiert das Licht am Abend und in der dunkleren Jahreszeit. Die Wegweiser, es gibt ganz viele davon, sind aus Stoff, und Lemmert sorgt dafür, dass sie auf Sandhamn, Utö, Åtö und den anderen Schäreninseln straff und soweit möglich in Augenhöhe an Bäumen, Zweigen, Zäunen hängen.

Sie weisen den Weg ins Paradies. Zumindest, wenn die Sonne scheint und der neue Trail Wanderer in die verwunschene Welt des Stockholmer Schärengartens eintauchen lässt. Er zieht sich über 21 von mehr als 30.000 Mini-Inseln in der Ostsee vor Stockholm: insgesamt 270 Kilometer durch Wald und Sand, am Meer entlang, über Felsen, durchs Moos und Moor, 20 Etappen, unterwegs übernachtet man in Gasthöfen oder im Zelt (oder fährt nach der Wanderung zurück nach Stockholm).

Vorbei geht es an Kiefern und Birken, durch Teppiche aus Blaubeer- und Preiselbeerbüschen, hinein in kleine Buchten und hinauf auf Hügel, die die Eiszeit in die Höhe geschoben hat. Anfang November wird der Trail eröffnet. Bis dahin müssen alle wegweisenden Bänder sitzen. Durch Brücken sind die Schäreninseln nicht miteinander verbunden, aber mit Fähren oder einem vor Ort gemieteten Boot erreichbar.

„Der Herbst ist eine magische Zeit, weil alles ruhig und das Licht so klar ist“, sagt Marie Östblom, Managerin vom Stockholm Archipelago Trail, die mit Michael Lemmert, Thomas Hjelm und Carl-Johan Olavsson die Inseln zu einem Wanderweg zusammengebracht hat. Eine Herausforderung, weil viele Fähren in Nord-Süd-Richtung schon Mitte August ihren Betrieb einstellen. „Dann sind in Schweden die Sommerferien zu Ende“, sagt Marie Östblom. Nicht alle Inseln sind das ganze Jahr über bewohnt. Dann wird es ganz leise im Schärengarten.

Das ist mit ein Grund, warum dieser neue Wanderweg entsteht. Er soll diese wundersame Welt zwischen Wasser, Luft und Land gerade in der Nachsaison beleben. Während andere Gegenden rund um den Globus über Overtourism stöhnen, wandert man hier den ganzen Tag oft allein, mit dem Partner, Freund oder der Familie – ohne auch nur eine weitere Menschenseele anzutreffen. Gespräche fallen hier leicht, aber auch das Schweigen in der Stille, während man dem Knacken von Zweigen unter den Schuhsohlen lauscht, die Blätter in den sich lichtenden Baumkronen im Wind rascheln hört und fast erschrickt, wenn ein aufgescheuchter Vogel schimpfend davonfliegt.

Kulinarische Belohnungen nach dem Wandern

Im Sommer ist es hier anders. Lauter und trubeliger. Zum Beispiel in Sandhamn. Dann kommen die Stockholmer mit ihren Segelbooten in den Hafen der Insel Sandön im östlichen Teil des Schärengartens, ziemlich weit draußen im offenen Meer.

„Da ist richtig Leben in der Bude“, erzählt Marcus Wallen, der mit seiner Frau Johanna den alten Gasthof am Wasser in das schicke „Sandhamn Seglarhotell“ verwandelt hat. Im Hafen vor der großen Holzterrasse schaukeln dann die Schiffe in den Wellen, Segler laufen die Stege auf und ab. Und aus den Boxen im bis auf den letzten Platz besetzen Restaurant wummert Musik.

Am Ende der Sommerferien legt sich auf Sandön von heute auf morgen ein Schalter um. Die Hafenanlage ist plötzlich leer, die letzten Feriengäste aus den Sommerhäusern reisen ab; Wanderer haben die Insel ganz für sich allein. Wer will, beugt sich jetzt über die Kartoffel-Rosen-Hecken, die die Holzhäuser umgeben, folgt den gelb-blau-silbernen Wegweisern in die dichten Kieferwälder und stürzt sich in das frische Ostseewasser in den Buchten. Am nächsten Tag wird die kleine Fähre sie nach Utö, ein gutes Stück weiter südlich, bringen.

Stefan Guldstrand lehnt lässig an der Bar vom „Utö Värdshus“ und begrüßt die Gäste per Handschlag. Es ist sein Gasthof und er weiß: Die Leute haben gerade eine Tageswanderung von 16 Kilometern hinter sich. Und sind entsprechend hungrig und durstig. Die ersten frisch gezapften Biere werden gleich an der Bar in hastigen Zügen geleert. Danach zaubert der Küchenchef eine feine, mit Safran abgeschmeckte Fischsuppe auf den Tisch, ein perfekt gegartes Steak mit buttriger Sauce béarnaise oder Röstkartöffelchen mit Kaviar.

Schweden hat seinen kulinarischen Horizont erfreulicherweise erweitert – es gibt längst mehr als Köttbullar, die allgegenwärtigen traditionellen Fleischbällchen. Und auch auf den abgelegenen Inseln im Schärengarten weiß man, wie sich Wanderer heutzutage nach einem Marsch belohnen wollen.

Die haben heute auf der langgestreckten Insel Utö eine über 200 Meter tiefe, wassergeflutete Eisenerzmine entdeckt. Sind an Feldern und einer Windmühle vorbeigezogen, bis ein gelbes Holzhaus wie aus einem Bilderbuch von Astrid Lindgren im Blickfeld auftauchte. Dort wurde tatsächlich die Geschichte von Pippi Langstrumpf neu verfilmt.

Auf Utö warten natürliche Wellnessliegen auf die Wanderer, von Wind und Wasser in den Stein hineingeschliffen. Die Sonne hat sie aufgewärmt – perfekt zum Entspannen.

Stefan Guldstrand vom „Utö Värdshus“ bringt seine Gäste am nächsten Morgen mit seinem kleinen Motorboot hinüber zum nächsten Eiland. Und von Åtö geht es weiter mit der Fähre zum Festland. Dort wartet kein gelb-blau-silberner Wegweiser mehr auf die Wanderer, sondern ein Schild zum Regionalzug. In kaum einer Stunde wird er sie zurück nach Stockholm bringen.

Auskunft: Weitere Informationen zum Stockholm Archipelago Trail: stockholmarchipelagotrail.com, visitstockholm.com/see-do/excursions/discover-stockholm-archipelago/; allgemeine Informationen über Schweden: visitsweden.de

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Visit Sweden. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

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