Helsinki liegt weit im Norden Europas. So weit, dass sich schon im November an den Stadtufern Eis bildet und oft bis Anfang April nicht verschwindet. Eisbrecher sorgen dafür, dass die Ostsee rund um die finnische Hauptstadt schiffbar bleibt. Für die Fähren nach Tallinn und Stockholm zum Beispiel und für die zahlreichen Schiffe, die zum öffentlichen Nahverkehr der Stadt gehören. Denn auch im Winter ist Finnlands Hauptstadt, trotz knackiger Minusgrade, quicklebendig – und ein lohnendes Ziel, eben weil die Stadt sich vor allem in Wassernähe von ihrer ungewöhnlichen Seite zeigt.

Leif Rosas ist einer, bei dem man ungewöhnliche Reiseerlebnisse buchen kann. Er steht an der Bootsrampe am „Café Carousel“ im Süden der Stadt. Direkt am Wasser. Die Luft ist eisig, Leif trägt dicke Gummistiefel und einen knallroten, wasserdichten Anzug. Er beobachtet die vier Figuren unter sich, die in der kalten Ostsee treiben, gewandet wie Teletubbies, ohne Antenne auf dem Kopf allerdings.

„Floating“ heißt das, was die zwei Amerikanerinnen und zwei Deutschen da machen. Sie treiben auf dem Salzwasser, getragen von einem Überlebensanzug, wie er auf Containerschiffen zur Ausrüstung eines jeden Besatzungsmitglieds gehört. „Wer so einen Anzug trägt und ruhig bleibt, kann auf hoher See bei einem Unglück mindestens sechs Stunden überleben“, sagt Leif.

Floating auf dem eiskalten Wasser

In Helsinki wird Floating zum Vergnügen angeboten, Leifs Kunden sind freiwillig in das kalte Wasser gewatschelt. Und das war der schwierigste Teil des Erlebnisses. Der Anzug nämlich wiegt ein paar Kilo und ist eine Art Erwachsenen-Strampler, in dem die Füße stecken und die Hände, Haare und Mütze verschwinden unter einer Gummikapuze.

Der Reißverschluss am Hals muss mit viel Kraft verschlossen werden. Von jemand anderem, denn die Finger sind ja verpackt und zu nichts Feinmotorigem mehr zu gebrauchen. Unter dem Gewand trägt man Alltagskleidung, am besten warme Leggings oder eine Jogginghose für maximale Bewegungsfreiheit.

Wer einmal drinnen ist in dem Überlebensanzug, kann nur noch zur Rampe wanken und sich dort ins Wasser gleiten lassen. Das Gewand gibt Auftrieb, wer sich auf den Rücken legt, treibt gemütlich auf der Oberfläche des Meeres. Bis zum Eisrand, wo das Experimentieren losgeht, um auf die Scholle zu kommen: Herumdrehen auf den Bauch. Funktioniert.

Der Anzug treibt einen etwa bis auf Bauchnabelhöhe aus dem Wasser. Dann versucht man, durch leichtes Hüpfen im Wasser mehr Auftrieb zu bekommen. Mit ein bisschen Ausdauer gelingt es schließlich, auf der Scholle zu landen, etwa mit der Eleganz eines gestrandeten Wals. Aber immerhin.

Nun geht der Spaß erst richtig los. Gehen und rutschen auf dem Eis, zurückgleiten ins Wasser. Wer an die Kante des Eises geht, hat eine Art Aufzug in die Tiefe gefunden. Denn immer wieder bricht ein Stückchen ab und man plumpst aufrecht ins salzige Wasser. Trotzdem geht niemand unter und niemand wird richtig nass – denn der Anzug hält alle über Wasser, senkrecht und waagerecht. Leif hat vom Ufer aus ununterbrochen ein Auge auf seine Schützlinge.

Von der Sauna geht es in die Ostsee

Floating ist nur eines der vielen Winterhighlights, die Helsinki bietet. Ein anderes ist Eisbaden. Das ist zum Beispiel auf der anderen Seite der Bucht möglich, in der gefloatet wird. Dort steht eine der beliebtesten Saunen Helsinkis, Löyly. Modern und so gestaltet, dass der Holzbau mit seinen unregelmäßigen Formen ein bisschen aussieht wie einer der Felsen, die überall am Ufer zu finden sind. Drinnen gibt es eine klassische, mit Holz beheizte sowie eine Rauchsauna, zudem ein Restaurant, das allabendlich brechend voll ist.

Besonders ist der direkte Zugang zur Ostsee. Wenn die zugefroren ist, wird ein Eisloch geschlagen, in das die Saunierenden zur Abkühlung abtauchen können. Ist das Meer frei, ist der Andrang deutlich größer. Das bedeutet aber nicht, dass das Wasser warm ist. Mancher schafft es nur bis zu den Knien ins Meer, andere schwören darauf, auch mit dem Kopf unterzutauchen. Die meisten tunken den Körper nur kurz ein und suchen dann wieder einen wärmeren Platz auf.

Die Rauchsauna ist eine Besonderheit in der Stadt. Sogar auf dem Land wird sie immer mehr zum Relikt. Dabei ist dies die traditionellste aller finnischen Saunen. Über viele Stunden wird der Schwitzkasten mit Holz geheizt, auf die richtige Dosierung und Wärme kommt es dabei an. Statt eines Ofens gibt es Steine in der Sauna, die sich über die Zeit erhitzen, ebenso wie die Wände und die Bänke. Im Raum breitet sich nicht nur Rauch, sondern auch Ruß aus und erst, wenn die richtige Temperatur erreicht ist, werden kleine Klappen zur Ventilation geöffnet. Ansonsten ist es recht duster – und sehr heiß.

Jeder bleibt, so lange er oder sie sich wohlfühlt. Lang oder kurz, nur einen Gang lang oder einen ganzen Nachmittag. Und jeder behält die Badeklamotten an.

Die Insel Suomenlinna ist Unesco-Welterbe

Eine weitere beliebte Sauna ist Allas Sea Pool im Herzen Helsinkis. Hier gibt es nicht nur Saunen im hölzernen Haupthaus, sondern auch Saunahäuschen an der Bucht. Ins Meer geht es nicht direkt, aber Besucher können in einen Pool mit eisigem Meerwasser hüpfen. In dem geheizten 25-Meter-Becken nebenan muss man sich zügig bewegen, 27 Grad Wassertemperatur sind im Winter nicht besonders warm.

„Viele Finnen kommen hier morgens schon vor der Arbeit her und schwimmen ihre Bahnen“, erzählt die Deutsch-Finnin Jaana Woll, die seit rund 20 Jahren in Helsinki lebt. In die Sauna gehen sie danach nur kurz, um sich aufzuwärmen. Und dann geht es ab ins Büro.

Vom Sea Pool kann man dem regen Treiben der Schiffe im Hafenbecken zusehen, in regelmäßigem Abstand knattert die Fähre nach Suomenlinna vorbei: ein Unesco-Welterbe und eine der rund 300 Inseln, die zu Helsinki gehören. Auf dieser Festungsinsel sieht man bis heute, wie die verschiedenen Herrscher die Stadt beeinflusst haben.

Die Schweden waren da, König Gustav Wasa gründete die Stadt 1550 an der Mündung des Flusses Vantaanjoki. Später kamen die Russen, schlossen ganz Finnland ihrem Reich an; erst seit der Unabhängigkeit 1917 gehört Finnland den Finnen. Schwedisch ist noch heute zweite Amtssprache, Straßennamen und Plätze in Helsinki (das auf Schwedisch Helsingfors heißt) haben Namen in beiden Sprachen.

Der eine oder andere Zwiebelturm aus der russischen Ära aber ist oder war zu sehen, auch auf Suomenlinna. Die orthodoxe Kirche dort hat nach der Unabhängigkeit eine zweite Hülle aufgesetzt bekommen. Heute ist die Kirche evangelisch und eine der wenigen, die im Turm gleichzeitig ein Licht integriert haben für die Schiffe draußen auf der Ostsee, erzählt Maarit Nieminen bei einer Führung über die Insel.

Die dicken Mauern der Festung sind eines der meistbesuchten Ziele in Helsinki. Dunkle Gänge und tiefe Keller kann man bei einer Führung besichtigen, sommers wie winters. Allerdings ist es gar nicht so einfach, in einige der unterirdischen Anlagen auch nur zu schauen. Denn Schnee und Eis sorgen an schattigen Stellen für spiegelglatte Böden. Wer keine Spikes unter den Sohlen hat, hat schlechte Karten.

Sechs Museen gibt es auf der Festungsinsel sowie elf Cafés und Restaurants, die teils auch im Winter geöffnet bleiben. Hier kann man die durchgefrorenen Glieder wieder auftauen, sei es bei einem Kakao oder Kaffee – oder bei einem Essen im Restaurant „Adlerfelt“, das in den 250 Jahre alten Mauern untergebracht ist. Das Menü wechselt mehrmals im Jahr und nimmt Anleihen aus der Geschichte und den traditionellen Zubereitungsmethoden der Region. In diesem Winter stehen Tatar vom Ostseehering mit gerösteten Rüben und Saibling mit Miesmuschelsoße auf der Karte.

Sehenswertes im Zentrum von Helsinki

Zurück im Zentrum lohnt sich ein Spaziergang vom Fähranleger in Richtung des imposanten Hauptbahnhofs, eine wahre Kathedrale des Jugendstils. An dessen Westseite steht eines der markantesten Bauwerke der Stadt: Oodi, die Zentralbibliothek Helsinkis. Ein riesiges Gebilde, das an eine Welle erinnert, die Fassade aus Fichte, Stahl und Glas. In direkter Nachbarschaft: das finnische Parlament und die Finlandia-Halle von Baumeister Alvar Aalto.

Eine Institution in Helsinki sind die Markthallen – gerade im Winter lohnen sie sich. Besonders schön ist die in Hakaniemi, einem Stadtviertel direkt am Wasser. 1914 wurde die historische Halle eröffnet, von 2018 bis 2023 wurde das Jugendstilgebäude aufwendig saniert. Die Stände bieten vor allem an, was Finnlands reiche Natur hergibt: aus den Wäldern, von den Feldern, aus dem Wasser.

Es gibt arktische Brombeeren und Bärenwurst, Schinken von Elch und Rentier, Fisch in allen Variationen. Verschiedene Stände und Cafés servieren ofenwarme Zimtschnecken und Karelische Piroggen mit Milchreisfüllung, außerdem Kaffee, Tee und heiße Schokolade – was man bei tiefen Temperaturen eben so braucht.

An knackig kalten Tagen empfiehlt sich ein Glögi. Das ist die finnische Variante des skandinavischen Glühweins. Weiß oder Rot wird das traditionelle Wintergetränk serviert, aber statt mit Wein mit Beerensäften zubereitet, mit Nelken, Zimt, Ingwer gewürzt, mit Rosinen und Mandelstücken verfeinert und mit Schnaps aufgepeppt. In Finnland gilt Glögi als Krafttrunk, weshalb er schon mal 22 Prozent Alkohol enthält. Das klingt viel, aber angesichts der knackigen Winter – in Helsinki fällt das Thermometer gern mal unter die Marke von minus 20 Grad – hilft ein Glas Glögi wunderbar gegen kalte Füße.

Tipps und Informationen:

Anreise: Nonstopflüge von verschiedenen deutschen Flughäfen bieten zum Beispiel Finnair und Lufthansa. Wer lieber mit dem Schiff anreist: Finnlines bietet eine tägliche direkte Fährverbindung von Travemünde nach Helsinki, die Überfahrt dauert rund 30 Stunden (finnlines.com).

Unterkunft: „Solo Sokos Hotel Torni“, nordisch-modernes Hotel in einem renovierten Haus von 1931 im Zentrum, DZ ab 170 Euro, sokoshotels.fi/en/helsinki/sokos-hotel-torni. Am alten Kirchenpark im Zentrum liegt das geschmackvoll eingerichtete Fünf-Sterne-Designhotel „St. George“, DZ ab 240 Euro, stgeorgehelsinki.com.

Essen und Trinken: „Adlerfelt“, gehobenes Restaurant auf der Festungsinsel Suomenlinna (adlerfelt.fi). „Yes Yes Yes“, rein vegetarisch-veganes Restaurant mit Anleihen aus vielen Weltküchen (yesyesyes.fi). „Kirsikka“, nordisch inspiriertes Restaurant in der Markthalle in Hakaniemi, (kirsikka.fi). „Löyly“, Restaurant in der Sauna Löyly direkt an der Ostsee, Spezialität: Rentier-Tartar (loylyhelsinki.fi/en).

Aktivitäten: Floating Experience im Survival-Schwimmanzug, ab 135 Euro pro Person, redrib.fi/de/experience-de-survival-suit.html. Saunen: allasseapool.fi, loylyhelsinki.fi/en.

Auskunft: myhelsinki.fi, visitfinland.com

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von helsinkipartners.com. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

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