Es ist rappelvoll im „Café Hattesgaard“ auf der Nordseeinsel Rømø. In dem weiß gekalkten ehemaligen Kuhstall mit Reetdach duftet es nach frisch gemahlenem Kaffee. Draußen herrscht Schneegestöber, drinnen ist es hyggelig warm. Jede Nische ist besetzt – mit Tischen und Stühlen, aber auch mit Regalen und Kommoden, Glasvasen, Keramik, alten Kaffeedosen. Das Inventar können Gäste kaufen, denn das Café ist zugleich ein Antikladen. Einen freien Tisch findet man nur mit Geduld. Blickfang ist die Verkaufsvitrine: Mit Blüten dekorierte Torten und Kuchen mit fruchtiger Glasur.

Inselweit bekannt wie diese Köstlichkeiten ist auch der Betreiber des Cafés: Jens Möller Jensen. Er ist in Personalunion der einzige ständige Polizist auf Rømø. Dass er im Winter Zeit hat, nebenher als Kellner zu arbeiten, zeigt, wie friedlich es hier ist.

In der kalten Jahreszeit liegt Sylts dänische Nachbarin besonders ruhig da. Genau deshalb lohnt sich ein Besuch. Der Sandstrand, einer der breitesten Europas, ist nun fast menschenleer. Die Insel atmet auf und gehört vorwiegend den rund 500 Einwohnern. Vor allem für sie bleiben die Supermärkte geöffnet, einige Restaurants, der Fischimbiss am Hafen in Havneby, wo das ganze Jahr über die Fähren zwischen Rømø und dem nahen Sylt pendeln.

Ferienhäuser, von denen es Hunderte auf der sechs mal 17 Kilometer großen Insel gibt, sind momentan weitaus günstiger zu mieten. Erst in der siebten Kalenderwoche, wenn in Dänemark Winterferien sind, kommen wieder mehr Touristen. Dann füllen sich Cafés und Restaurants, die Seehundsafaris starten, das Inselmuseum öffnet wieder. Doch auch außerhalb dieser Woche im Februar finden Urlauber Angebote, die reizvoll sind – gerade in der stillen Zeit.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ Spuren auf Rømø

Bei winterlich-steifer Brise erscheint der Strand bei Lakolk wie mit einer zitternden Plastikplane überspannt. Ein Wasserfilm, den der Wind über die Weite peitscht. Die Brandung in der Ferne – sie wirkt unwirklich, bedrohlich, aber auch anziehend. Langsam wagt sich eine Gruppe Unerschrockener heran an das tosende Geschehen. Bis zu den Wellen sind es rund eine halbe Stunde Fußweg von Lakolk aus, wo einst der Rømø-Tourismus begann. In der stürmischen Jahreszeit bewegen sich die Strandwanderer in einer Welt aus Sand, säbelscharfen Windböen und Salz in der Luft, die Demut lehrt. Wobei: Manche kommen mit dem Auto hierher, an Dänemarks Stränden ist das oft erlaubt.

Doch auch sie müssen in das Winterwetter hinaus, wenn sie die Spuren entdecken wollen, die der Zweite Weltkrieg auf Rømø hinterlassen hat. Sie lassen sich nur zu Fuß erkunden. Über 50 Bunker ließen die Nazis als Teil des Antlantikwalls zur Abwehr der Alliierten ab 1942 errichten. „Robbe Nord“ hieß die streng geheime Radarstellung im Norden der strategisch wichtigen Insel. Einige der Bunker sind heute unter den Dünen verschwunden. Andere können Besucher in der Waldplantage Tvismark noch sehen.

Und sogar betreten, erkunden, Details zu ihrem Bau erfahren – im Rahmen von geführten Bunkertouren, die das Naturcenter Tønnisgård auch außerhalb der Hauptsaison anbietet. Bente Bjerrum, Leiterin des Zentrums, begleitet die Teilnehmer ins Innere der mit Graffiti besprühten Betonklötze.

Im Schein ihrer Taschenlampe erzählt sie von einer Zeit, in der etwa 1400 Wehrmachtsoldaten auf Rømø stationiert waren. Als die Nordsee häufig Wrackteile und manchmal Leichen auf die Insel spülte. Sie sagt auch, dass Rømø als Teil Nordschleswigs bis zum Volksentscheid von 1920 deutsch war und Röm hieß. Und dass es angesichts der gewählten Willkürlichkeit von Nationalitäten eigentlich um Völkerverständigung gehen sollte: „Wir sind doch alle Nachbarn und füreinander da.“

Im Winter ist Bernstein leichter zu finden

Gemütlich im Warmen beieinander sitzen und zusammen lernen, Schönes zu gestalten – bei einem Workshop des Naturcenters Tønnisgård scheinen alle Bunker fern. In dem alten Kommandeurshof aus der Walfangära haben die Teilnehmer das Schleifpapier angesetzt. Jetzt verströmen die würfelgroßen Bernsteine einen Duft, der über 50 Millionen Jahre in dem versteinerten Baumharz gefangen war. Denn so alt ist Bernstein mindestens, sagt Workshopleiter Per Holt.

Er reicht eine Tube Zahnpasta an den Arbeitstisch. Die enthaltenen Schleifpartikel sollen den Schmuckstücken, die bald an Lederbändern Hälse zieren, den letzten Glanz verpassen. Manchmal, sagt Holt, werden durch die Politur auch Inklusionen sichtbar – Mücken oder Spinnentierchen, denen das klebrige Harz vor Urzeiten zum Verhängnis wurde.

Wer selbstgefundenen Bernstein im Workshop schleifen will, benötigt Sammlerglück. Allerdings stünden gerade im stürmischen Herbst und Winter die Chancen recht gut, im Seetang am Strand fündig zu werden, sagt Bente Bjerrum. Für alle anderen Teilnehmer hat sie sich mit Bernstein aus dem Baltikum eingedeckt – etwas unromantisch zwar, aber so kann der Workshop jederzeit angeboten werden.

Eine perfekte Schlechtwetteraktion, falls draußen Sturm und Regen zu heftig toben. Eventuelle Unwetter haben aber auch ihre gute Seite: Dann stehen die Chancen besser, am Strand von Rømø frisch angespülten Bernstein zu finden.

In Dänemark darf man Austern sammeln

Leicht in großer Zahl zu finden sind hingegen die kulinarischen Juwelen der See – frische Austern. Zumindest, wenn man eine Tour mit einem Experten bucht. An diesem Tag startet die Muschelsafari früh – sobald die aufgehende Sonne am Horizont ihre Strahlen ausschickt. Jetzt sei die beste Zeit, um im Watt bei Havneby einen Schatz zu heben, der auf der Nachbarinsel Sylt in Restaurants teuer serviert wird, sagt Jesper Voss, selbst ernannter Austernkönig und Tourguide im Dienste der Edelmuschel.

Hat die Ebbe die Muschelbänke freilegt, brauchen die Tourgäste die Austern nur noch einzusammeln. Sie müssen dabei aber höllisch aufpassen, denn ihre Kanten sind messerscharf. Bald sind zwei Eimer voll. Voss wäscht die Ausbeute im wieder ansteigenden Meerwasser. Im Winter, vollgefressen vom Sommer, hätten die Weichtiere den besten Biss, sagt er. Touren bietet Voss an, wenn das Meerwasser unter zwölf Grad hat und der Gezeitenkalender es zulässt.

Dass Besucher die Delikatesse, es handelt sich um die invasive Pazifische Auster, rund um Rømø im länderübergreifenden Nationalpark Wattenmeer ernten können, liegt an den Regeln, so Voss: „Dem Nationalpark auf deutscher Seite darfst du nichts entnehmen, auf dänischer Seite schon.“ Im Anschluss an seine Touren bittet er zum Grill. Dann serviert er Austern-Eigenkreationen – wahlweise mit Blauschimmelkäse, Honig und Sanddorn, in Wodka eingelegt, oder mit Tomatenpesto, Schafskäse und Chili-Flocken.

Der Strand ist ideal für einen Segeltörn

Fehlt nur noch ein Segeltörn für den perfekten Urlaub am Meer. Auf Rømø muss sich dafür niemand auf die winterliche Nordsee wagen, auch ein Segelschein ist nicht nötig. Strandsegeln heißt das Vergnügen, bei dem man mit Windkraft an Land umhersaust. Der Sønderstrand im Südwesten Rømøs ist das perfekte Terrain dafür: rund acht Quadratkilometer platte Fläche. Harter Sand, so weit das Auge reicht. Freie Bahn, vor allem außerhalb der Hauptsaison. Spielt das Wetter mit, ist alles angerichtet.

Die Strandyachten für jedermann auf Rømø sind Schalensitze auf drei Rädern mit Mast und Surfsegel. Nach viertelstündiger Einweisung geht die Post ab. Mit einer Leine ändert man den Anstellwinkel des Segels. So greift der Wind mal weniger, mal mehr hinein, ergo: Man bremst oder gibt Gas. Und das ordentlich, denn bis zu 50 Stundenkilometer sind spielend erreicht. Der schwere Sand spritzt bröckchenweise hoch, mit jeder Wende wird der Fahrer sicherer.

Die Wurzeln des Strandsegelns reichen Jahrhunderte zurück ins Holland um das Jahr 1600. Als Freizeitsport nach Rømø kam es in den 1990er-Jahren. Das verwundert, denn die Bedingungen an einem der breitesten Strände Europas sind nahezu ideal – bis zu vier Kilometer sind es bei Ebbe von den Dünen bis zum Meer.

Eine Tour auf dem Pferd über die Insel

Wer hingegen hoch hinaus will, bucht einen Ausritt mit Erkundung der größten Erhebung der Insel – auf sagenhaften 19 Metern. Die gemächliche Tour zu Ross durch Wald und Heide ist eine schöne Ergänzung zum rasanten Segeln auf dem Strand. Und auch für dieses Erlebnis brauchen Besucher keine Vorkenntnisse. Denn bei Jette Frisch sind auch Ungeübte in besten Händen. Seit 48 Jahren reite sie, sagt die Frau mit Wollmütze, Schal und Fleecejacke, als sie zur Trockenübung in einer Blockhütte der Ranch auf Holzpferde bittet.

Zum Glück ist die Fallhöhe nicht allzu groß, mag sich so mancher Anfänger denken, als es dann in den Sattel eines echten Islandpferdes geht. Doch es läuft alles wie am Schnürchen. Jette Frisch reitet auf ihrem Ross vorweg. Die anderen Tiere folgen ihrer Linie wie ferngesteuert und ignorieren dabei typische Kommandos wie Fersenstupser und Zügellupfer weitgehend. Anders ausgedrückt: Reittechnisch ist dieser Ausritt auf Rømø mit den konditionierten und freundlichen Pferden keine Herausforderung. Dafür aber eine recht sicherere Unternehmung für die ganze Familie. „Ab etwa sechs Jahren ist das möglich“, sagt Jette Frisch.

Unterwegs richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Natur. Es geht durch einen Märchenwald mit dicken Mooskissen und Flechten unter knorrigen Kiefern. Tümpel schimmern wie schwarze Spiegel, Stämme liegen quer. Doch so verwunschen der vermeintliche Urwald wirkt, so künstlich ist er. Bis in die 1920er-Jahre war die Insel fast baumlos. Zum Schutz landwirtschaftlich genutzter Flächen begannen die Einwohner dann, Kiefern zu pflanzen. So erklärt sich, dass die Waldstücke Trismark, Kirkeby und Vrådby bis heute Plantagen genannt werden.

„Hier ist der höchste Punkt Rømøs.“ Jette Frisch deutet auf eine scheinbar beliebige Düne. Die Reiter steigen aus dem Sattel und 50 Holzstufen hinauf. Tatsächlich genügen die 19 Meter Höhe des Spidsbjergs für einen 360-Grad-Blick über Moore, Heide und Dünen bis zum Meer. Auch am Strand lassen sich Ausritte buchen. Und bei Niedrigwasser geht es sogar hinaus ins Watt – hinüber zur Gezeiteninsel Mandø.

Tipps und Informationen:

Anreise: Per Bus oder Auto über den Straßendamm von Skaerbaek (erreichbar mit der Bahn) nach Rømø. Oder per Fähre von Sylt auf die Schwesterinsel.

Unterkunft: Ferienhäuser sind im Winter günstig, ab knapp 300 Euro pro Woche, etwa über Novasol (novasol.de), Sol og Strand (sonneundstrand.de) oder Feriepartner (feriepartner.de).

Aktivitäten: Bernstein-Workshop, umgerechnet rund 17 Euro p.P.; Bunkertouren, 19,50 Euro p.P. (beide bei tonnisgaard.dk/de). Austerntour mit Jesper Voss (oysterking.dk) über Sort Safari, rund 67 Euro p.P. (de.sortsafari.de). Zum Strandsegeln sind Termine auch außerhalb der Hauptsaison buchbar, Stunde ab 50 Euro, etwa bei Kite Syd (kitesyd.dk), Danfun (danfun.dk) oder Our Stuff (ourstuff.dk). Ausritte mit Islandpferden bei Kommandørgårdens Islændercenter ab rund 46 Euro p.P. (kommandoergaarden.dk/de).

Auskunft: romo-tonder.dk/de; visitdenmark.de; visitsonderjylland.de

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Visit Denmark und Destination Sønderjylland. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

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