Die Region Hochsteiermark

Nicht nur Österreich-Reisenden ist die Hochsteiermark ein Begriff – und das will etwas heißen. Denn der Regionalname ist eigentlich ein Kunstwort: Es war Ende der 1990er-Jahre, als steirischen Tourismusämtern auffiel, dass es ausgerechnet für zwei der schönsten Ecken ihres Bundeslandes – für die Bezirke Bruck-Mürzzuschlag sowie Leoben – keinen griffigen Landschaftsnamen gab. Warum also nicht diesen besonders hoch gelegenen Teil der Steiermark Hochsteiermark nennen?

Als dann noch jemand auf die Idee kam, die waldreichen Höhenzüge und Täler zwischen dem Steirischen Semmering, dem Mariazellerland und dem Hochschwab mit ihren geschätzt 850 Millionen Bäumen als „grünes Herz Österreichs“ zu vermarkten, war das neue Image perfekt.

Und obwohl inzwischen als touristische Region erfolgreich etabliert, arbeitet die Hochsteiermark weiter intensiv an ihrem Markenauftritt: Mit einem Dutzend neu ausgebauter Radrouten und Themenwanderwege spricht sie aktuell besonders Aktivurlauber an, die vor imposanten Bergpanoramen Körper und Geist in Schwung bringen wollen. Beispielsweise im Hochschwabmassiv, das als gämsenreichstes Gebirge Europas auch viel fürs Auge bietet.

Überhaupt ist die Hochschwabgruppe, aus der Österreichs Hauptstadt Wien den Großteil ihres Trinkwassers bezieht, ein sensibler Naturraum. Was auch erklärt, warum mitten im Hochgebirge mit dem Schiestlhaus und der Voisthalerhütte gleich zwei neue Wanderhütten gebaut wurden, die als Paradebeispiele für ökologische Architektur gelten.

Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten der Alpenregion gehören die „Magna Mater Austriae“, die große Mutter Österreichs, wie Gläubige die Statue in der Basilika von Mariazell nennen, die Höhenburg Oberkapfenberg sowie die 16 Viadukte und 14 Tunnel der 1854 von Kaiser Franz Joseph eröffneten Semmeringbahn; als erste Eisenbahnstrecke weltweit steht sie seit 1998 auf der Weltkulturerbeliste der Unesco.

Barfuß wandern auf dem „Romantischen Bründlweg“

Er nimmt gleich mehrere Superlative für sich in Anspruch – der Barfuß-Parcour „Romantischer Bründlweg“ in der Hochsteiermark: Mit 11,4 Kilometer ist er der längste und – auf 1000 bis 1200 Metern verlaufend – auch der höchste Barfuß-Pfad Österreichs.

Die reine Gehzeit wird mit dreieinhalb Stunden angegeben, dürfte aber deutlich darüber liegen, denn acht Einkehren entlang des Wegs locken Wanderer; sie können zudem an 22 Brunnenanlagen pausieren und auf einer 100 Meter langen Holzbank für Selfies posieren.

Und wo bleiben derweil die Schuhe? Sie stehen im „Schuhstall“ beim Wirtshaus Steirereck am Pogusch, wo der Barfußweg beginnt. Von dort geht es durch Wiesen, Wälder – und Schlamm. Doch keine Sorge, ein 40 Meter langer Unterwassersteg wäscht die Füße wieder sauber; für Kühlung und Erfrischung sorgen zudem mehrere Barfußteiche. Der Weg ist ganzjährig begehbar, im Winter allerdings besser in Schuhen.

Ein Vorzeigeprojekt für ökologisches Bauen in den Alpen

Ein Gasthaus 2156 Meter über der Adria, ohne Anschluss an das Straßen-, Energie- und Wassernetz, erreichbar nur zu Fuß, wobei die nächstgelegene Hütte viereinhalb Stunden entfernt liegt – das Schiestlhaus am Hochschwab ist die legendäre Einkehr der Hochsteiermark.

Das gilt umso mehr seit 2005, als mit dem Neubau auf dem Plateau der Nördlichen Kalkalpen das höchstgelegene Passivhaus Europas entstand. Mit seiner autarken Energieversorgung – über 60 Prozent des Energiebedarfs wird über eine Fotovoltaikanlage abgedeckt und nur bei Bedarf ein rapsölbetriebenes Blockheizkraftwerk zugeschaltet –, ist das Schiestlhaus ein Vorzeigeprojekt für ökologisches Bauen im hochalpinen Bereich.

Für Behaglichkeit im Inneren sorgen viel Holz, warme Farben – und deftige österreichische Gerichte. Wer will, kann in der Saison von Mai bis Oktober „den ganzen Tag essen, vom Frühstück ab 7 Uhr bis zum Küchenschluss gegen 20 Uhr“, verspricht der Hüttenwirt.

Das Schüttelglas wurde ein Verkaufsschlager

Eine Minute lang wirbeln die Flocken durch die Luft, ehe sie um die Mariazeller Basilika eine Schneeschicht bilden, zu jeder Jahreszeit, selbst im Sommer – die Original Wiener Schneekugel macht’s möglich. Es war im Jahr 1900, als es Erwin Perzy gelang, ein Stück heile Welt aus der Hochsteiermark in einer Glaskugel zu konservieren.

Eigentlich hatte der Wiener Werkzeugmacher eine Lampe bauen wollen, die das Licht bei Operationen bündelt, und dafür mit reflektierendem Glasflitter in Wasserkugeln experimentiert. Das Schüttelglas, wie man es auch nennt, ist also nur ein Zufallsprodukt, und bis es zu einem Verkaufsschlager wurde, vergingen noch einige Jahre.

Denn auf die Idee, weihnachtliche Symbole mit Kunststoffschnee in Glaskugeln zu berieseln, kam erst Perzys Sohn, Erwin Perzy II. – er traf damit genau den Geschmack der Touristen. Heute sind Wiener Schneekugeln weltweit Kult. Sie schafften es in Hollywoodfilme und – als Sonderanfertigung für zwei US-Präsidenten – ins Weiße Haus. Das begehrteste Sammlermodell aber ist das Urglas von 1900 mit dem Motiv der Basilika von Mariazell.

Pilgern zur Wallfahrtsstätte Mariazell

Eine Million Menschen pilgern jährlich nach Mariazell, eine Kleinstadt in der Hochsteiermark, die 1243 als Cell erstmals urkundliche Erwähnung fand.

Schon anderthalb Jahrhunderte später war der Ort als Wallfahrtsstätte über die Grenzen der Voralpen hinaus bekannt. Denn Papst Bonifaz IX. hatte 1399 allen Besuchern der Kapelle vollkommenen Ablass gewährt. Im 17. Jahrhundert wurde der Wallfahrtsort Nationalheiligtum der Donaumonarchie – fast alle Habsburger pilgerten nach ihrer Krönung hierher.

Das Zitat

„Ich bin gar nicht begierig, eine schlechte Nr. 4 zu schreiben“

Das schrieb der deutsche Dirigent und Komponist Johannes Brahms am 29. August 1885 an Elisabeth von Herzogenberg. Brahms bat in seinem Brief an die befreundete Musikkennerin um ihre Meinung zur Sinfonie Nr. 4 in e-Moll op. 98. Dass diese Sinfonie seine letzte und zugleich seine meistgespielte werden sollte, ahnte Brahms (1833–1897) damals nicht.

Offenbar voll des Zweifels schrieb er: „Im Allgemeinen sind ja leider die Stücke von mir angenehmer als ich, und findet man weniger daran zu korrigieren?! Aber in hiesiger Gegend werden die Kirschen nicht süß und essbar – wenn Ihnen das Ding also nicht schmeckt, so genieren Sie sich nicht.“

Brahms‘ Verweis auf die „hiesige Gegend“ bezieht sich auf das österreichische Mürzzuschlag, wo der Komponist viele Sommer verbrachte. Ein Brahms-Museum im Ort erinnert an seine Aufenthalte in der Hochsteiermark und den Einfluss der Landschaft auf sein Werk.

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