Keine Abschiebung – „Held von Aschaffenburg“ darf in Deutschland bleiben
Zehntausende Menschen haben die Online-Petition „Verhindern Sie die Abschiebung von Ahmed Mohamed O.“ bereits unterschrieben. Als vor zweieinhalb Monaten in Aschaffenburg ein Afghane mit einem Messer auf eine Kita-Gruppe einstach, war es der 30-jährige Somalier O., der gemeinsam mit einem anderen Mann die Verfolgung des Tatverdächtigen aufnahm, bis die Polizei ihn festnehmen konnte. Als „Held von Aschaffenburg“ wird er nun in den sozialen Medien gefeiert.
Wie die Lokalzeitung „Main-Echo“ berichtete, bekam er für seinen mutigen Einsatz sogar ein persönliches Dankesschreiben vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Umso größer war die Empörung, als vor einigen Tagen bekannt wurde, die Behörden hätten O. aufgefordert, bis Juli Deutschland zu verlassen. Viele fragten sich: Wie kann das sein? Der Fall – exemplarisch für ein gescheitertes Asylsystem, das die Falschen abschiebt und die Schlechten im Land lässt? Ganz so simpel ist es nicht.
Aus Behördenkreisen erfuhr WELT, dass O. im Januar vergangenen Jahres nach Deutschland eingereist war. Am 5. Februar 2024 stellte er einen förmlichen Asylantrag. Mit Bescheid vom 31. Mai 2024 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seinen Antrag allerdings als unzulässig ab. Der Grund: Er hatte bereits in Italien ein Asylverfahren erfolgreich durchlaufen und dort subsidiären Schutz und einen entsprechenden Aufenthaltstitel – gültig bis Juli 2026 – erhalten. Dementsprechend sollte er in das Nachbarland zurückkehren.
Gegen die Ablehnung wehrte sich O. juristisch, aber seine Klage gegen den BAMF-Bescheid wies das Verwaltungsgericht Würzburg im Oktober 2024 ab.
Nach Informationen von WELT hatte O. dem BAMF erzählt, dass er in Italien nicht hätte arbeiten dürfen und die ihm zustehenden Sozialleistungen von korrupten Behördenmitarbeitern abgezweigt worden seien. Zuletzt sei er in Italien obdachlos gewesen. Sein eigentliches Ziel sei von Beginn an Deutschland gewesen.
Das Gericht hielt die Ablehnung seines Asylantrags aber für rechtmäßig. Nach Überzeugung des Richters drohte O. als jungem, ledigen und arbeitsfähigen Mann in Italien keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, die einer Rücküberstellung entgegenstehen würde. Seit November wurde O. in Deutschland daher nur noch geduldet.
Drei Monate später, am 6. Februar 2024, war O. in der Nähe, als der abgelehnte Asylbewerber Enamullah O. in einem Aschaffenburger Park losging, auf mehrere Kinder und Betreuer mit einem Messer einstach. Der Zweijährige Yannis kam ums Leben, ein Mädchen wurde schwer verletzt. Auch ein 41-Jähriger, der zur Hilfe geeilt war, starb. O. rannte dem Messerstecher hinterher, verfolgte ihn bis zum Eintreffen der Polizei.
Zur Wahrheit gehört auch, dass O., seitdem er in Deutschland ist, zwar nicht straffällig geworden ist, sich aber auch nicht besonders integriert hat. Aus Behördenkreisen hieß es, dass in Akten weder der Besuch von Integrationskursen noch eine Arbeitsaufnahme vermerkt sei. Das würde bedeuten: O. lebt seit eineinhalb Jahren von Sozialleistungen; diese fallen in Deutschland höher als in Italien aus. Deutsch sprach er laut „Main-Echo“ nicht.
Die italienischen Behörden hätten sich mit einer Rücknahme von O. einverstanden erklärt, sagte ein Sprecher der Regierung von Unterfranken. Doch dazu wird es – zumindest vorerst – nicht kommen.
Das Bayerische Innenministerium teilte WELT am Montagnachmittag auf Anfrage mit, O. habe „bei der schrecklichen Gewalttat in Aschaffenburg in herausragender Weise Entschlossenheit und Mut bewiesen“. Er habe sich „um Aschaffenburg und Bayern verdient gemacht und ein Beispiel für Zivilcourage gegeben, das Anerkennung und höchsten Respekt verdient“.
Ein wichtiger Zeuge im Strafverfahren
In dem Strafverfahren gegen den mutmaßlichen Doppelmörder von Aschaffenburg sei er ein wichtiger Zeuge, weshalb er in Abstimmung mit der Justiz weiterhin von den Behörden geduldet werde. Berichte, wonach er bis 8. Juli ausreisen müsse, hätten auf einem „Missverständnis“ beruht: „Duldungen werden regelmäßig befristet erteilt und entsprechend verlängert, so auch hier. Fest steht deshalb: Eine Rückführung nach Italien steht bis auf Weiteres nicht im Raum.“
Anstatt ihn nach Italien abzuschieben, werde die Ausländerbehörde als nächsten Schritt den Antrag von O. auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis genehmigen, so das Innenministerium: „So kann er wunschgemäß arbeiten, seinen Lebensunterhalt möglichst bald selbst bestreiten und die Integrationsbemühungen intensivieren – und so die Voraussetzungen für eine Bleibeperspektive in Deutschland eröffnen, wenn er das möchte.“
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