In Peru zeigen Indigene Besuchern ihren Alltag
Auf 4000 Metern ist die Luft dünn, die Landschaft karg. Magdalena Cruz Churata sitzt vor der Eingangstür ihrer kleinen Lehmhütte und verspinnt mit konzentriertem Blick Rohwolle zu groben Wollfäden. Wenige Meter hinter ihr grasen Alpakas vor einer imposanten Bergkulisse. „Schon meine Urgroßmutter hat aus solcher Wolle unsere traditionellen Muster gewebt“, sagt Churata und dreht mit geübten Bewegungen die Handspindel.
Die 41-Jährige lebt mit ihrer Familie abgeschieden in den Anden im Süden Perus. Sie gehört zu einer der ältesten indigenen Gemeinschaften des Landes, den Patacancha. Die Gruppe besteht aus 120 Familien, die gemeinschaftlich zusammenleben, ihre Kommune heißt wie ihr Stamm. Bislang besuchen nur wenige Touristen die indigenen Dörfer wie Patacancha. Schade eigentlich, denn nirgendwo in Peru lässt sich authentischer in das ländliche, ursprüngliche Leben eintauchen.
Die meisten, die das südamerikanische Land bereisen, besichtigen vor allem die bekannten Massenattraktionen, also die überlaufene Inka-Ruinenstadt Machu Picchu oder den Titicacasee an der Grenze zu Bolivien. Diese Ziele sind sehenswert, klar, doch wer das Land hinter den Kulissen kennenlernen möchte, sollte sich unbedingt auch abseits der typischen Touristenpfade umsehen.
Um die Patacancha oder das etwas leichter erreichbare Dorf Huilloc zu besuchen, kann eine Tagestour bei einem Veranstalter gebucht werden, am besten von der Stadt Cusco aus. Nach ungefähr zwei Stunden Fahrt werden die Besucher vor Ort überschwänglich begrüßt. Die einheimischen Frauen präsentieren die verschiedenen Schritte ihrer Webkunst, darunter das Färben der Stoffe mit natürlichen Mineralien. Wer mag, kann sich unter Anleitung selbst am Webstuhl versuchen. Anschließend wird ein Mittagessen mit lokalen Produkten serviert.
Englisch sprechen die Frauen nicht, aber mithilfe eines übersetzenden Guides beantworten sie ausgiebig Fragen zu ihrem Alltag. Die 41-jährige Churata erzählt, dass sie erst seit wenigen Jahren von ihrer Webkunst leben kann. Insgesamt 135 Frauen aus der Region werden von der TUI Care Foundation unterstützt, einer Stiftung, die vom größten deutschen Tourismuskonzern finanziert wird, aber unabhängig arbeitet.
Den Frauen wird vor allem dabei geholfen, Abnehmer für ihre Produkte zu finden, zum Beispiel durch den Verkauf in der Hauptstadt Lima oder auf Messen. Sie freuen sich, dass Touristen bereit sind, viel Geld für hochwertige Handarbeit auszugeben – ein Kissenbezug kostet umgerechnet etwa 150 Euro. Für Churata, die am Ende etwa die Hälfte des Verkaufspreises erhält, ist das viel Geld. „Jetzt bin ich auch finanziell unabhängig von meinem Mann“, sagt sie lächelnd.
Auf dem Weg zu den indigenen Dörfern lohnt sich ein Zwischenstopp in der hübschen Stadt Ollantaytambo, gegründet in der Inka-Zeit. Über dem Ort thront eine alte Festung, Besucher können hier durch enge, kopfsteingepflasterte Gassen schlendern, steinerne Inka-Gebäude und plätschernde Bewässerungskanäle besichtigen. Man sollte hier auf jeden Fall eine Chichería besuchen, das ist eine typische, karg eingerichtete Bar, in der die Einheimischen Maisbier aus großen Krügen trinken. Mais galt im Inka-Reich als heilige Pflanze und wird seit Jahrtausenden in den Anden hergestellt.
Die Stadt Cusco bietet viele Höhepunkte
Dreh- und Angelpunkt der Region ist die Stadt Cusco. Obwohl die ehemalige Inka-Hauptstadt kein Geheimtipp ist, ist sie nicht überlaufen und ein absolutes Muss. Die meisten Besucher kommen per Flugzeug aus Lima und müssen sich erst einmal akklimatisieren. Denn während Lima nur 160 Meter über dem Meeresspiegel liegt, befindet sich Cusco auf 3400 Metern – das kann zur Höhenkrankheit mit Schwindel, Kopfschmerzen, Atemnot führen. Das Gleiche gilt beim Besuch der indigenen Dörfer, die noch deutlich höher in den Bergen liegen.
Hört man auf die Einheimischen, gibt es ein hilfreiches Gegenmittel: Tee aus getrockneten Blättern der in Südamerika beheimateten Cocapflanze. Diese ist zwar auch Grundlage für die Produktion von Kokain, der Tee daraus gleicht von seiner Wirkung her aber Kaffee oder Schwarztee. Ist die Höhenumstellung in Cusco gut überstanden, bietet die Stadt eine Menge Highlights.
Direkt neben den Fundamenten der Inka-Mauern stehen prachtvolle Kirchen und Arkaden, die von den Spaniern vom 16. Jahrhundert an erbaut wurden. Im Zentrum, auf der Plaza de Armas, wehen meist zwei Fahnen: die rot-weiße Flagge Perus und eine Regenbogenflagge, die die vier Länder des Inka-Reiches symbolisiert (nicht zu verwechseln mit der ähnlich aussehenden Flagge der queeren Bewegung).
Großartig sind die bunten Märkte der Stadt, das Inka-Museum mit seiner Sammlung präkolumbischer Artefakte und die vielen Geschäfte, in denen hochwertige Kleidung aus Alpakawolle gekauft werden kann. Auch kulinarisch gibt es in Cusco – wie generell in Peru – einiges zu entdecken: etwa Bio-Meerschweinchen vom Grill, zartes Alpakafleisch und die mehr als 3000 Kartoffelsorten, die schon zu Inka-Zeiten angebaut wurden. Unbedingt probieren: den Cocktail Pisco Sour aus Traubenschnaps.
Wandern im Naturschutzgebiet auf 4500 Metern Höhe
Nördlich von Cusco lohnt sich das Valle Sagrado, auch das Heilige Tal der Inka genannt, zum Wandern. Die meisten Touristen wählen den berühmten Inka-Trail nach Machu Picchu, doch es gibt auch andere Routen, die weniger überlaufen und genauso beeindruckend sind. Dazu gehört etwa der Abra-Málaga-Wanderweg, der 40 Kilometer nördlich von Ollantaytambo in einem Naturschutzgebiet auf 4500 Metern Höhe liegt. Ideal ist der Besuch in den frühen Morgenstunden – dann ist die Luft zwar kalt, der Ausblick aber spektakulär. Mit etwas Glück ist auch der Gletscher des fast 5900 Meter hohen Bergs Veronica sichtbar.
Die Wanderungen sollten mit Guides gebucht werden, die unterwegs Einblicke geben in das Ökosystem des Andenwaldes. Das ist bedroht: Jedes Jahr gehen in Peru riesige Waldflächen verloren, durch illegale Abholzung und Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen. Gleichzeitig schrumpfen die Gletscher, die Wasserbestände nehmen ab.
„Wir müssen jeden Tag um unsere Lebensgrundlage kämpfen“, sagt Constantino Aucca Chutas, Biologe und Präsident der Bewegung Acción Andina. Seit vielen Jahren engagiert er sich für eine massive Wiederaufforstung und bindet dafür die lokale, indigene Bevölkerung ein. 2023 erhielt seine Organisation den „Earthshot“-Preis, mit dem der britische Prinz William Umweltprojekte prämiert.
Auch Cristobal Quispe Laucata ist Teil des Projekts. Der 39-Jährige, der der indigenen Gemeinschaft Patacancha angehört, arbeitet in einer Baumschule. Dort werden stets zu Jahresbeginn Baumsamen gesät, zehn Monate später werden die Setzlinge im Andengebirge gepflanzt. Pro Exemplar bekommt Laucata einen Sol, umgerechnet 25 Cent.
„Am Anfang habe ich mich gewundert: Wozu brauchen wir so viele Bäume?“, erzählt er. Später habe er verstanden, dass diese der Region vor allem eines liefern: Wasser. Denn die kleinen Bäume – der Gattung Polylepis – speichern Feuchtigkeit aus dem aufsteigenden Nebel. So tragen sie zur Bildung von Bächen, Feuchtgebieten und nährstoffreichen Böden bei.
Winzige Bäume speichern mehrere Hundert Liter Wasser
Während der Wanderung auf dem Abra-Málaga-Weg können die gepflanzten Setzlinge am Wegesrand aus der Nähe betrachtet werden. Behutsam zeigt Biologe Chutas mit dem Finger auf Tautropfen an schwarzen Flechten und Moospolstern. „Selbst winzige Bäume, die nicht höher als einen Meter werden, können mehrere Hundert Liter Wasser speichern“, sagt er und klingt dabei ein bisschen stolz. Die rund 20 Baumschulen in der Region werden auch von der TUI Care Foundation unterstützt, bisher wurden mehr als 600.000 Bäume gepflanzt.
Dass ausgerechnet die gut geeigneten Polylepis-Bäume ausgewählt wurden, ist nicht selbstverständlich. Biologe Chutas beschwert sich über frühere Fehlentscheidungen der Behörden. „Sie haben Eukalyptusbäume gepflanzt, die zwar schnell und schön in die Höhe wachsen, aber statt Wasser zu speichern, verbrauchen sie 30 Liter pro Tag – eine Katastrophe!“ Die Bäume stammten auch gar nicht aus Peru, sondern aus Indonesien und Australien.
Chutas zufolge sind die Entscheidungen darauf zurückzuführen, dass Politik und Großspender schnelle Erfolge sehen wollten – den Polylepis hätten sie nichts abgewinnen können, weil die im Schnitt nur einen Zentimeter pro Jahr wachsen. Auch habe man die lokale Bevölkerung nicht eingebunden. „Ein Fehler. Die Einheimischen wissen am besten, was sinnvoll ist“, sagt Chutas. „Man muss sie nur fragen.“
Der Biologe freut sich, dass immer mehr Touristen das ursprüngliche Peru schätzen und sich für den Alltag der Ureinwohner interessieren. Noch immer lebten viele in Armut – und sie profitierten besonders davon, dass auswärtige Gäste ihre Dörfer besuchten. „Die Ahnen der Indigenen“, sagt Laucata und schaut gen Himmel, „werden es ihnen danken.“
Tipps und Informationen:
Anreise: Nach Peru gibt es von Deutschland aus keine Nonstop-Flüge. Umsteigeverbindungen zum Beispiel mit Iberia oder Latam via Madrid oder mit KLM via Amsterdam nach Lima.
Unterkunft: „Aranwa Sacred Valley Hotel“ in einem Haus aus dem 17. Jahrhundert im Valle Sagrado, Doppelzimmer ab umgerechnet 155 Euro, aranwahotels.com; „Belmond Monasterio“, stilvolles Hotel in einem alten Kloster in Cusco, Doppelzimmer ab 424 Euro, belmond.com; „Las Qolcas Eco Resort“ bei Ollantaytambo, mit Verkaufsausstellung indigener Produkte der Patacancha, Doppelzelt ab 216 Euro, lasqolqas.com.
Touren zu Indigenen: Tagestouren buchbar bei Impactful Travel (zu den Patacancha-Weberinnen, ab 170 Euro, impactful.travel/peru), Limatours hat auch mehrtägige Reisen im Angebot (limatours.com.pe).
Weitere Auskünfte: peru.travel
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von der TUI Care Foundation. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.
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