Macau ist Hongkongs schrille Schwester
Leise plätschert das Wasser, nahezu lautlos gleitet die Gondel durch die Fluten, während der Gondoliere im Strohhut „O sole mio“ schmettert. Begeistert knipsen die Passagiere ein Selfie nach dem anderen, im Hintergrund ein Kanal mit venezianischen Palazzi. Man muss schon etwas genauer hinschauen, um zu sehen: Venedig ist das nicht. Sondern Macau.
Der Casino- und Hotel-Komplex „The Venetian Macao“ macht seinem Namen alle Ehre. Wer hier shoppt oder um Geld spielt, kann das in vermeintlich europäischem Ambiente tun – man flaniert durch ein Fake-Venedig unter aufgemaltem blauem Himmel, die von Geschäften gesäumten Gassen ziehen sich an mit blauem Chlorwasser gefüllten Kanälen entlang. Die Gäste, überwiegend Chinesen aus der Volksrepublik, lieben es.
Einen kurzen Spaziergang und ein Casino-Resort weiter, in „The Parisian Macao“, können Besucher den bunt erleuchteten Nachbau des Eiffelturms bewundern. Echte europäische Relikte hat die Stadt mit ihren 680.000 Bewohnern allerdings auch zu bieten, immerhin siedelten hier ab Anfang des 16. Jahrhunderts die Portugiesen, ab 1557 war Macau sogar die erste westliche Kolonie in Asien – und wurde 442 Jahre später, zwei Jahre nach Hongkong, als letzte an China zurückgegeben.
Bis 2049 genießt Macau als Sonderregion innerhalb Chinas noch Selbstverwaltungsrechte, hat eine eigene Währung, die Pataca, und ein eigenes Parlament; eine unabhängige Demokratie gibt es allerdings nicht, die Lage ist ähnlich wie in Hongkong.
Portugiesisches Erbe in der Altstadt
Richtig spürbar ist das europäische Erbe in der Altstadt am Senatsplatz (Largo de Senado) mit seinem psychedelisch wirkenden Muster aus schwarz-weißen Wellen, das überall über den Boden wabert. Auch die benachbarte Barockkirche Igreja de São Domingos verrät kein bisschen, dass sie in Asien steht.
Vom Largo de Senado aus ist es nicht weit bis zum historischen Wahrzeichen Macaus, den Ruinen der Basílica de São Paulo. Schon zur Bauzeit 1602 galt das Gebäude als die Krönung sakraler, westlicher Architektur in Asien.
Dummerweise war nur die Fassade aus Granit gemauert, während die Jesuiten den Rest des Gebäudes in schlichtem – und günstigerem – Holz errichten. Als in dem Gebäude 1835 ein Feuer ausbrach, blieb daher nur die steinerne Front stehen. Immerhin hat es das Ensemble 2005 zum Unesco-Weltkulturerbe geschafft.
In den Seitengassen der Altstadt dagegen ist China ganz nah. Kleine Läden locken mit getrocknetem Fisch und lackierten Enten, im Schaufenster des Juweliers zeigt sich Macau genauso multikulti wie im echten Leben: glänzende Buddha-Statuen neben vergoldeten katholischen Devotionalien und einer bemalten Mao-Zedong-Büste, dazu ein aus Jade geschnitztes Triumvirat chinesischer Götter.
Man ahnt es schon: Mehr als 95 Prozent der Einwohner Macaus sind chinesischen Ursprungs. Portugiesisch ist trotzdem noch immer Staatssprache in der Stadt, neben dem Chinesischen. Sogar im Bus werden die Haltestellen noch immer auch auf Portugiesisch angesagt – freilich hört kaum einer mehr hin, denn die Einheimischen reden kantonesisches Chinesisch.
Las Vegas ist beim Glücksspiel abgehängt
Als eigenständiges Reiseziel für westliche Besucher hat sich Macau bisher kaum etablieren können – die meisten sprinten per Schnellfähre für einen Tag aus Hongkong herüber und stehen abends wieder am Schiffsanleger. Zumindest die westlichen Besucher.
Chinesen aus der Volksrepublik dagegen kommen vor allem am Abend, dann aber in Scharen – und nicht nur, um Gondel zu fahren. Auf gerade einmal 33 Quadratkilometer Fläche hat die Stadt mehr als 40 Casinos, die die innenstädtischen Straßen abends in eine flackernde Lichterorgie verwandeln und Slogans wie „Komm und werde reich“ in die Nacht hinausplärren.
„Las Vegas des Ostens“ nennt man Macau hin und wieder, doch eigentlich müsste Las Vegas „Macau des Westens“ heißen, denn wenn es um Spieleinnahmen geht, hat Macau die US-Glücksspielmetropole komplett abgehängt. Insgesamt 183.701.000.000 Patacas nahmen Macaus Casinos 2023 ein (also rund 21,3 Milliarden Euro, in Las Vegas waren es nur 14,5 Milliarden Euro), davon flossen rund 7,5 Milliarden Euro als Steuern an die Stadt.
So viel Geld lassen die Spieler jedes Jahr da, dass Macau seit 2008 einmal im Jahr seinen Bürgern im Rahmen eines „Reichtumsbeteiligungsprogramms“ sogar eine Prämie auszahlt, die pro Person auch mal mehr als tausend Euro betragen kann.
Die Kassen von Macau sind prall gefüllt
All dies klingt nach Luxus und Glamour. Im Inneren der Casinos freilich zeigt sich ein anderes Bild. Im „Lisboa“, einem der ältesten Casinos aus den 1960er-Jahren, beobachten fünf Chinesen vermeintlich gelangweilt, wie der Croupier Karten auf den Tisch legt. Elegante Atmosphäre? Pustekuchen: Viele hier tragen Sporthosen mit Gummizug, andere fast echte Adidas-Shirts mit zwei Streifen.
Nur die Körperspannung verrät: Die Coolness ist aufgesetzt. Logisch, denn der Einsatz ist nicht zu verachten: Mindesten 1000 Patacas (115 Euro) sind es an den günstigsten Tischen, wo das Spiel keine Minute dauert. An anderen Tischen liegt der Mindesteinsatz bei 3000 oder 5000 Patacas. Auch für wohlhabende Chinesen (in deren Heimat Glücksspiel verboten ist) ist das keine Kleinigkeit.
Man muss dazusagen: Am öffentlichen Spieltisch sitzen die Normalos. Der ganz große Umsatz wird in den Separees gemacht, wo wenige VIPs um enorme Summen spielen – und natürlich diskret an- und abreisen.
All dies führt zu einem prallen Stadtsäckel: Im Jahr 2023 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Macau rund 64.000 Euro (zum Vergleich: In Deutschland waren es 53.500 Euro), die Prognosen für die nächsten Jahre sind exzellent. Und Schulden hat Macau auch keine.
Multikulti in den Restaurants
So üppig wie auf den Konten geht es in Macau auf den Tellern zu. Dank mehr als 400 Jahren portugiesischen Einflusses – und damit auch frühem Kontakt mit Gewürzen und Zutaten aus Europa, Afrika, Südamerika und Indien – kochten Macaus Köche schon „Fusion“, als es den Ausdruck andernorts noch gar nicht gab.
Die Ergebnisse wie African Chicken, Puddingtörtchen oder Erdnuss-Spießchen und jede Menge Seafood sind schon für sich eine Reise wert, mitunter aber geradezu schrill: Getrockneter Bacalhau – eingeweichter Kabeljau nach chinesischem Rezept – ist definitiv eine Erfahrung. Das Macau-Fazit ist klar: Eine schrägere Reise-Kombination hat ganz China nicht zu bieten.
Tipps und Informationen:
Anreise: Es gibt keine Nonstop-Flüge von Deutschland nach Macau, möglich sind Umsteigeverbindungen etwa mit Air China via Peking oder mit Eva Air via Taipeh. Von Hongkong (Sheung Wan) kommt man bequem per Fähre nach Macau, die Überfahrt dauert 60 Minuten und kostet ab 21 Euro (175 Hongkong-Dollar), www.turbojet.com.hk/en/. Bundesbürger erhalten bei Ankunft ein Visum für 90 Tage.
Unterkunft: „Greenery Inn“, kleines, modernes Hotel, viele Zimmer mit Aussicht, Doppelzimmer mit Frühstück ab 87 Euro, greeneryinn.com.mo/en. „The Venetian Macao“, ideal für eine Gondelfahrt, opulent ausgestattet, mit angeschlossenem Casino, Doppelzimmer mit Frühstück ab 125 Euro, venetianmacao.com/hotel.html.
Weitere Auskünfte: www.macaotourism.gov.mo/en/
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke