Ein kleiner Ort in Nordschleswig gilt europaweit als Hochzeitsparadies
Die Region Nordschleswig
Politisch, sprachlich und kulturell spielt der Süden Dänemarks eine Sonderrolle. Das wird schon anhand der geografischen Bezeichnung deutlich: Im Deutschen heißt die Region Nordschleswig – in Erinnerung daran, dass sie 1920 vom bis dahin deutschen Schleswig-Holstein abgetrennt und Dänemark angegliedert wurde. Im Dänischen wird der Landstrich dagegen als Sønderjylland (Südjütland) bezeichnet – um gar nicht erst eine namentliche Nähe zu Schleswig-Holstein aufkommen zu lassen.
Deutsche und Dänen haben über Jahrhunderte um die Region gerungen, die heutige Grenze wurde erst 1920 gezogen, als nach dem Ersten Weltkrieg eine Volksabstimmung stattgefunden hat. Im Ergebnis entspricht die jetzige Staatsgrenze weitgehend der Sprachgrenze, allerdings gibt es auf beiden Seiten Minderheiten: Auf dänischem Gebiet leben rund 20.000 deutschsprachige Nordschleswiger, während auf deutscher Seite (im Norden Schleswig-Holsteins) etwa 50.000 dänischsprachige Südschleswiger gezählt werden.
Erfreulicherweise werden die Minderheitenrechte staatlich geschützt und garantiert – so gibt es in Nordschleswig beispielsweise eine deutsche Partei, die zweisprachige Tageszeitung „Der Nordschleswiger“, deutsche Kindergärten, Schulen, Bibliotheken sowie in Sonderburg (Sønderborg) auf der Insel Alsen das sehenswerte Deutsche Museum Nordschleswig, das die schwierige Geschichte, vor allem aber das Thema Identität im Grenzraum, in den Mittelpunkt stellt.
Tourismus spielt inzwischen eine Hauptrolle: Nordschleswig beherbergt Zehntausende Ferienhäuser, die bei Deutschen sehr beliebt sind. Aktivurlaubern stehen mehr als 150 Wanderwege mit gut 1000 markierten Routenkilometern sowie rund 3000 Kilometer Radwege zur Auswahl – wegen des häufigen Gegenwinds empfehlen sich wahlweise durchtrainierte Schenkel oder ein E-Bike.
An der Nordseeküste lockt nicht nur der Nationalpark Wattenmeer, sondern auch die Insel Röm (Rømø). Sie bietet einige der breitesten Sandstrände Nordeuropas, auf denen man sein Auto parken, strandsegeln und reiten kann.
Wer bei Ebbe durch das Watt spaziert, findet ein Freiluft-Austernbuffet vor, an dem man sich bedienen und die Spezialität gleich wegschlürfen kann – sofern man die widerspenstigen Schalentiere denn aufbekommt.
Tondern – eine Hafenstadt ohne Hafen
Tondern (Dänisch: Tønder) ist aus drei Gründen ein besonderer Ort: Erstens hat das schmucke mittelalterliche Städtchen nahe der deutschen Grenze zwar ein großes Dreimast-Segelschiff im Wappen, doch es gibt hier gar keinen Hafen – der versandete seit großen Eindeichungen im 16. Jahrhundert und ist inzwischen komplett verschwunden.
Zweitens kommt man hier bis heute gut mit Deutsch durch – nach der Volksabstimmung 1920 hatten über Dreiviertel der Bürger für Deutschland gestimmt, wurden aber trotzdem Dänemark zugeschlagen.
Drittens ist Tondern seit den 1960er-Jahren ein europaweit populäres Heiratsparadies: Ausländer können sich hier kostenlos und ohne großartigen bürokratischen Aufwand trauen lassen. Die in Tondern geschlossenen Ehen, auch gleichgeschlechtliche, werden EU-weit anerkannt.
Ringreiten ist eine Art Nationalsport
Fest im Sattel, ruhige Hand: Beim Ringreiten gilt es für den Reiter, seine Lanze im Galopp durch einen Ring zu stechen – der im Laufe des Wettstreits immer kleiner wird. Was im Mittelalter Rittertraining für echte Kämpfe war, ist heute eine Art Nationalsport der Region.
Und Anlass für ausgelassene Stadtfeste: Von Mai bis September können Besucher in verschiedenen Orten Nordschleswigs zahlreiche Ringreiterfeste erleben. Nachdem die Ringkönige oder -königinnen feststehen, wird getanzt und gefeiert, und es duftet nach speziellen Ringreiterwürsten: Die lokalen Metzger messen sich alljährlich darin, wer die besten Grillwürste liefert.
Das größte Fest mit über 500 Pferden, Reiter-Umzug, Kinder-Spielland und Live-Musik bis tief in die Nacht findet jeweils im Juli in Sonderburg (Sønderborg) statt. Dort gibt es außerdem jeden Dienstag im Sommer Vorführungen der Tradition, ein Ringreitermuseum und in der Innenstadt ein großes Ringreiter-Denkmal.
Königliche Kunst mit pikanten Details
Ähnlichkeiten mit lebenden Vorbildern liegen, gerade bei Kunstwerken, im Auge des Betrachters. Das gilt besonders für die Statue, die wir hier im Bild links sehen: Sie heißt „Dronningen“ („Königin“) und wurde 2014 angefertigt im Auftrag von Prinz Henrik, dem 2018 verstorbenen Gatten von Margrethe II., die 2024 als dänische Königin abgedankt hat.
Auf dem Bild steht sie in einem roten Ballkleid rechts neben der Königinnen-Statue. Die ist in natura zwei Meter hoch, sie wurde vor elf Jahren in Gravenstein (Gråsten) in Nordschleswig aufgestellt.
Ob der Prinz sich für sein ungewöhnliches Werk von modernen Künstlern oder von der groben Volkskunst ferner Südseeinsulaner hat inspirieren lassen, ist ebenso wenig überliefert wie die Antwort auf die Frage, inwieweit die pikanten Details der Bronzestatue, die für jeden sichtbar auch intime Körperteile zeigt, dem realen Original entsprechen.
Bekannt ist leider auch nicht, wie dem realen Original, also Monarchin Margrethe, das abstrakte Kunstwerk gefällt. Die Tatsache, dass die Statue nicht in der Hauptstadt Kopenhagen, sondern im hintersten Winkel Dänemarks unweit der deutschen Grenze aufgestellt wurde, lässt allerdings gewisse Schlüsse zu.
Wie Steve Jobs auf Apple kam
Der Gravensteiner ist eine vor allem in Deutschland und Skandinavien bekannte Apfelsorte, die sich bis 1669 zurückverfolgen lässt. Der Name bezieht sich auf Gravenstein, einen 4000-Seelen-Ort nahe der Flensburger Förde (Dänisch: Gråsten). Die genaue Herkunft ist unbekannt, wahrscheinlich stammt die Sorte aus dem Garten der königlichen Residenz in Gravenstein, möglich ist aber auch, dass sie auf Schloss Augustenburg in Nordschleswig gezüchtet wurde.
Der Gravensteiner ist vergleichsweise groß, überwiegend wachsgelb, stellenweise rot marmoriert. Seine Popularität verdankt der Sommerapfel seiner frühen Erntezeit und seiner kräftig-würzigen Süße. 2005 avancierte der Gravensteiner zum Nationalapfel Dänemarks.
In den USA ist die Sorte ebenfalls verbreitet, vor allem an der Westküste. Laut Biografie von Apple-Mitgründer Steve Jobs hat dieser eine Zeit lang auf Apfelplantagen in Oregon gearbeitet und dort Gravensteiner-Bäume beschnitten. Diese Tätigkeit soll ihn zum Apple-Markennamen inspiriert haben.
Wandern am Nordufer der Flensburger Förde
84 Kilometer lang ist der Gendarmenpfad, ein Küstenwanderweg am Nordufer der Flensburger Förde. Wo früher bewaffnete dänische Grenzgendarmen nach Schmugglern Ausschau hielten, genießen heute Urlauber Highlights der Region.
In fünf Tagesetappen führt Dänemarks erster Europäischer Qualitätswanderweg von Pattburg (Padborg), das nördlich von Flensburg direkt an der Grenze liegt, bis nach Skovby auf der Insel Alsen. Wälder, Felder, Moore, sogar Hügel prägen die Landschaft – und natürlich schöne Strände. Unterwegs warten historische Denkmäler, Aussichtspunkte, hübsche Ortschaften, Sagen und Geschichten auf Entdeckung.
Das Zitat
„Es ist ganz eigentümlich und nicht immer schön, in einem Grenzland geboren zu sein“
Das sagte der Maler Emil Nolde (1867–1956). Er ist der wohl berühmteste Nordschleswiger – und sicher der widersprüchlichste. Emil Nolde war einer der wichtigsten Maler des Expressionismus, wurde aber von Hitler abgelehnt, seine Werke wurden als „entartete Kunst“ diffamiert, 1941 belegte man ihn mit einem Berufsverbot. Trotzdem hielt der Künstler, der ein frühes NSDAP-Mitglied und glühender Antisemit war, den Nazis die Treue. Nach 1945 versuchte er, seine NS-Verstrickung kleinzureden.
Geboren wurde er als Emil Hansen in dem Nordschleswigschen Dorf Nolde, das bis zur Volksabstimmung 1920 deutsch war, dann dänisch – den Allerweltsnamen Hansen legte er bereits 1902 ab und benannte sich nach seinem Geburtsort. Nach der Rückkehr Nordschleswigs zu Dänemark nahm Nolde die dänische Staatsangehörigkeit an und behielt sie, obwohl er sich als Deutscher fühlte.
Im Ort Seebüll im Norden Schleswig-Holsteins (einen Kilometer südlich der dänischen Grenze) errichtete er 1930 ein modernistisches Wohnhaus, das 1957, kurz nach seinem Tod, als Museum eröffnete. Es setzt nicht nur seine Werke opulent in Szene, sondern thematisiert auch seine problematische NS-Vergangenheit.
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