„Selbst die beste Stadt der Welt könnte nicht diese Vielfalt bieten“
Seit 22 Jahren sind Jamie und Chad Freidrichs ein Paar, sieben davon sind sie bereits zusammen auf Dauer-Weltreise. „Wir sind unser Zuhause“, sagen sie. Von unterwegs arbeiten sie online, mit ihren Laptops. Inzwischen haben sie mehr als 25 Länder und 70 Städte bereist. Ihr Lieblingsort ist Mexiko-Stadt. Deutschland mögen sie auch, vor allem Nürnberg mit seinen Stadtmauern und Türmen – ein „entzückendes Stück Europa“, so etwas gebe es in Amerika nicht. In den USA sind sie gerade auf Zwischenstopp, dort haben wir sie per Video-Call erreicht.
WELT AM SONNTAG: Was hat Sie auf die Idee gebracht, auf Dauer-Weltreise zu gehen?
Jamie Freidrichs: Ich habe damals von Unternehmern gelesen, die in der Welt unterwegs sind, um ihre Lebenshaltungskosten zu senken. Wir sind immer gern gereist, und da dachte ich, das sei etwas für uns.
Chad Freidrichs: Als Jamie mir davon erzählte, war mein erster Gedanke: Das ist unmöglich, wie sollen wir das bezahlen? Dann haben wir 14 Monate geplant, 2018 ging es los.
WAMS: Wie genau war denn die Finanzplanung?
Chad Freidrichs: Für unser erstes Reisejahr hatten wir 35.000 US-Dollar eingeplant, für vier Monate Europa, vier Monate Lateinamerika und drei Monate Asien. Unser Budget hat tatsächlich gereicht. Sehr viel mehr geben wir seither auch nicht aus. Es macht Spaß, so sparsam zu sein. Das Leben in den USA ist viel teurer, wir haben pro Jahr mindestens 55.000 Dollar ausgegeben.
WAMS: Was hatten Sie dabei?
Chad Freidrichs: Wir waren von Anfang an mit zwei großen Koffern unterwegs. Wir bleiben meist einen Monat am Stück in einer Airbnb-Wohnung, da haben wir viele Sachen mit, die nicht durch die Security gehen. Wir kennen aber auch Nomaden, die nur mit Handgepäck unterwegs sind. Die haben Angst, dass ihr aufgegebener Koffer verloren geht.
Jamie Freidrichs: Zurecht. Gleich auf der ersten Reise kam mir ein Gepäckstück für ein paar Tage abhanden, seither haben wir Notfallkleidung in unseren Rucksäcken. Und wir teilen alle unsere Sachen strategisch auf zwei Koffer auf, auch unsere Haushaltsgegenstände.
WAMS: Sie reisen mit Hausstand?
Chad Freidrichs: Wir haben schnell gemerkt, dass in Airbnb-Küchen oft etwas fehlt. Inzwischen haben wir immer ein Küchenmesser dabei, außerdem ein dünnes Schneidebrett aus Silikon, einen Dosenöffner, zwei Paar Besteck. Und ein Gewürzset, also ungefähr zehn Plastiktütchen mit Paprika, Kreuzkümmel, Chiliflocken, Thymian, so was.
WAMS: Irgendwelche Neuzugänge?
Chad Freidrichs: Vor einem Jahr haben wir einen zusammenklappbaren Wasserkocher gekauft – wir haben erst auf Reisen entdeckt, wie praktisch so was ist. Wir haben auch immer ein kleines Sieb dabei, weil wir viel Pasta essen. Und einen Trichter.
WAMS: Warum?
Chad Freidrichs: In vielen Teilen der Welt muss man Trinkwasser kaufen, und wir nehmen immer einen möglichst großen Kanister. Den Trichter brauchen wir, um das Wasser in eine handliche Trinkflasche umzufüllen.
Jamie Freidrichs: Ich nehme auch immer Platzdeckchen und Glasuntersetzer mit.
WAMS: Damit es heimeliger aussieht?
Chad Freidrichs: Nein, weil wir ungern Möbel beschädigen. Jamie ist da sehr gewissenhaft. Aber sie ist auch gut darin, eine Wohnung an unsere Bedürfnisse anzupassen.
Jamie Freidrichs: Ich nenne das „Einnisten“. Das ist ein Ritual. Ich schaue, ob wir die Küche umorganisieren müssen, ein paar Sachen nach oben in die Regale stellen, um mehr Platz für unsere Dinge zu haben. Und ich schaue, wo die Kleidung hinkommt.
Chad Freidrichs: Jamie ist dabei super organisiert. Sie verwendet Packwürfel, die sie wie eine Schublade nutzt.
WAMS: Packwürfel?
Jamie Freidrichs: Das sind so eine Art Taschen, in denen man die Kleider komprimiert. Die sind auch praktisch, weil ich ungern Sachen in Schubladen verstaue. Ich habe immer Angst, etwas zu vergessen. Praktisch ist, wenn es einen Schrank gibt, in den ich die Koffer stellen kann, dann lege ich die Würfel da einfach drauf.
WAMS: Und dann sind Sie gefühlt daheim?
Jamie Freidrichs: Absolut. Es ist zwar nicht dasselbe wie ein festes Zuhause, aber es ist eine Ordnung, die uns unterwegs hilft, uns wohlzufühlen.
Chad Freidrichs: Für mich ist es wichtig, einen Arbeitsplatz einzurichten, gern auch auf dem Bügelbrett. Ansonsten habe ich sehr leichte Ständer dabei, um meinen Laptop draufzustellen und einen zweiten, superflachen Monitor. Neuerdings habe ich auch einen WLAN-Extender dabei. Jamie hält ihre Meetings oft im Schlafzimmer ab, es ist wichtig, dass sie dort Internet hat.
WAMS: Klingt nach einem ganzen Technikarsenal.
Chad Freidrichs: Wir haben sogar Verlängerungskabel mit!
Jamie Freidrichs: Weil Chad Filmemacher ist, hat er auch LED-Lichter dabei, die taugen als Leselampen am Bett.
WAMS: Achten Sie beim Kleiderkauf aufs Gewicht? Es gibt ja Vielflieger, die nur Outdoorkleidung kaufen.
Chad Freidrichs: Nein, höchstens bei den Jacken. Ansonsten komme ich mit Jeans, Shorts, ein paar T-Shirts und einem Kapuzenpulli aus. Und ich habe nur ein Paar Schuhe dabei, schwarze Laufschuhe fürs Gelände, die taugen für alles.
Jamie Freidrichs: Ich habe meist zwei Paar Schuhe mit, wasserfeste schwarze Straßenschuhe und ebenfalls wasserfeste Sandalen. Ich nehme mir oft vor, mich schicker zu machen. Letztes Mal habe ich deshalb Ballerinas eingepackt, aber nie gebraucht. Wie das Schachbrett.
WAMS: Vermissen Sie manchmal ein gewohntes Umfeld, das Sie selbst gestalten?
Chad Freidrichs: Nicht wirklich, auch wenn wir uns gern schön eingerichtet haben, als wir noch ein Haus besaßen. Das haben wir aber nach drei Jahren Reisen verkauft. Ich fühle mich unterwegs mehr zu Hause als in den USA. Sobald wir an einem neuen Ort ankommen, bin ich erleichtert und entspannt.
Jamie Freidrichs: Wir gehen jeden Morgen spazieren, egal wo wir sind. Es ist großartig, jeden Tag in einer neuen, faszinierenden Umgebung zu sein. Mexiko-Stadt, Osaka, Marseille. Selbst die beste Stadt der Welt könnte uns nicht die Vielfalt bieten, die wir durch unser Reisen erleben.
WAMS: Und was ist mit der Kofferschlepperei? Steigen Sie doch noch auf Handgepäck um?
Chad Freidrichs: Also ich fände das minimalistisch konsequent, aber das ist einfach nicht praktikabel für uns.
Jamie Freidrichs: Chad ist es, der die Koffer immer Treppen hinaufschleppen oder aufs Laufband hieven muss. Und ich mag das Geräusch meines Koffers, wie er hinter mir herrollert.
WAMS: Wo sind Sie jetzt und wo geht es als Nächstes hin?
Jamie Freidrichs: Wir sind gerade noch bei meinen Eltern in Missouri und brechen demnächst nach Asien auf, erst nach Japan und dann nach Vietnam.
WAMS: Packen Sie dafür etwas Spezielles ein?
Chad Freidrichs: Wir ändern unser Gewürzset mehr Richtung asiatische Aromen und nehmen Fünf-Gewürze-Pulver und Sternanis mit. Und wir werden unsere Badmintonschläger einpacken, denn Badminton ist in Vietnam sehr beliebt. Eines unserer Weihnachtsgeschenke aneinander war der Besuch eines großen Badmintonturniers in Hanoi.
Jamie und Chad Freidrichs:
Seit 2018 sind die beiden US-Bürger auf Dauer-Weltreise. Meist reisen sie vier Monate am Stück und arbeiten von unterwegs – die 43-Jährige berät per Videokonferenz Nichtregierungsorganisationen dabei, Spenden zu sammeln. Der 47-Jährige ist Filmemacher und nutzt vor allem Archivmaterial, nur selten muss er zu Drehs. Dann fahren sie kurz zu Jamies Eltern nach Missouri, und schon geht es weiter, nach Europa, Asien, Afrika.
Airbnb-Tipp der beiden: Nur Unterkünfte mit mehr als 20 schriftlichen Bewertungen buchen und diese vorher auf Stichworte wie Wi-Fi (muss gut funktionieren) und Lärm (sollte es nicht geben) checken.
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