Erdbeben vor Santorini – worauf Urlauber jetzt achten sollten
Seit Ende Januar bebte – und bebt – die Erde auf Santorin. Teilweise so stark, dass die meisten Bewohner und Urlauber die populäre Ferieninsel verlassen haben. Inzwischen hat die Intensität nachgelassen, aber es gibt keine Entwarnung – auch nicht für Touristen, die zum Beispiel im Sommer eine Reise nach Santorini planen.
Ich bin Reisebuchautor für den Michael Müller Verlag und lebe seit einigen Jahren zeitweise auf der Kykladeninsel Naxos, nur rund 50 Kilometer Luftlinie entfernt vom Zentrum des Erdbebenschwarms. Zum Zeitpunkt der stärksten Erdbeben in der ersten Februarhälfte hielt ich mich auf Naxos auf, seither stehe ich ständig in Kontakt mit Freunden auf Santorini.
Laut den griechischen Behörden liegt Naxos zwar außerhalb der unmittelbaren Gefahrenzone, aber dennoch nah genug, um die stärkeren Erdstöße deutlich zu spüren. Rund zehn Tage habe ich das tiefe unterirdische Grollen und die Vibrationen der Erdstöße miterlebt, Tag und Nacht. Bis heute ist der Erdbebenschwarm noch im Gange, aber die Häufigkeit der Beben ist geringer geworden. Eine endgültige Entwarnung ist das jedoch nicht.
Mittlerweile ist bekannt, dass der Erdbebenschwarm schon Anfang Dezember 2024 einsetzte, mit vielen Hundert Beben pro Tag. Ihre Magnituden, also Ausschläge auf der Richterskala waren jedoch zunächst gering, im Dezember und Januar schien der Schwarm mit untermeerischen Epizentren zwischen den Inseln Santorini und Amorgos kaum bedrohlich.
Das änderte sich Ende Januar, Anfang Februar 2025, als die Magnituden der Erdbeben die Stärke 4 auf der Richterskala überschritten, wo bereits geringe Schäden möglich sind. Der aktuelle Erdbebenschwarm bei Santorini macht sich in der gesamten südlichen Ägäis immer deutlicher bemerkbar.
Die Erdbeben waren auch auf Naxos zu spüren
Am Samstag, 1. Februar 2025, erreichten die Erdbeben erstmals Stärken, die auch in meinem Haus auf Naxos zu spüren waren. Gegen 15.30 Uhr vibrierten plötzlich Gläser im Regal, Spiegel und Bilder an der Wand, rund 20 Sekunden lang. Zunächst kein Grund zur Panik: Zwei- bis dreimal pro Jahr sind Erdbeben, die in den gefährdeten Regionen Griechenlands stattfinden, keine Seltenheit.
Die erste Reaktion: ein Blick auf die Website der Erdbeben-Statistik der Universität Athen. Dort werden stets nach ein paar Minuten das Epizentrum, die Magnitude und die Tiefe eines Erdbebens für ganz Griechenland in einer Tabelle und einer Karte angegeben.
Die Überraschung: Der Blick auf die Karte zeigte zahllose Erdbeben in den letzten Tagen, die aber nicht spürbar gewesen waren. Eine solche Häufigkeit von Erdbeben um Santorini hatte ich noch nie auf dieser Karte gesehen. Und das Beben von 15.30 Uhr erreichte 4,3 auf der Richterskala.
Der ganze Samstag blieb unruhig, alle paar Stunden wackelte der Boden. Die Beben setzten sich fort, die griechischen Medien berichteten erstmals von einem Erdbebenschwarm bei Santorini.
Am Sonntag erreichten fast ein halbes Dutzend Beben die Stärke von 4,5. Am Montag kam es gegen 14.15 Uhr zum ersten Beben der Serie, das die Stärke von 5 erreichte. Ab Stärke 5 wird es gefährlich, lernen in Griechenland die Kinder in der Schule. Und es folgten noch weitere Beben der Stärke 5 am selben Tag und in den folgenden Tagen.
In Griechenland ist man an Erdbeben gewöhnt
Die Distanz zu Santorini und die Tatsache, dass Naxos auf einem stabilen untermeerischen Granitrücken liegt, schwächten die Erdstöße genügend ab, es gab keine Schäden auf „meiner“ Insel. Selbst das bisher stärkste Beben des Schwarms mit einer Stärke von 5,3 verursachte keine sichtbaren Schäden.
Aber: In der Phase der stärksten Aktivität gab es inklusive der Mikrobeben bis zu 1000 Erdstöße pro Tag, der ganze Monat Februar 2025 verzeichnete über 22.000 Erdbeben im Seegebiet um Santorini – ein Rekord seit Beginn der Aufzeichnungen.
Während im Fall von Santorini rund zwei Drittel der etwa 15.000 Menschen zählenden Bevölkerung die Insel in den ersten Februartagen verlassen haben, herrschte auf Naxos ziemliche Gelassenheit. Die Naxioten fühlen sich weit genug weg und fürchten allenfalls einen Tsunami, der von einem Beben ab etwa 6,5 auf der Richterskala ausgelöst werden könnte und der in weniger als zehn Minuten auf die Küsten von Naxos treffen würde.
Generell ist man an Erdbeben in Griechenland gewöhnt. Die hier lebenden Ausländer waren jedoch beunruhigter als die Insulaner. Auch ich war in den ersten Tagen nervös. Alle paar Stunden gab es ein deutlich spürbares Beben, der Schlaf in der Nacht war entsprechend schlecht. Die Müdigkeit und die Ungewissheit über den Fortgang der Beben zermürben.
Denn im Gegensatz zu Vulkanausbrüchen lassen sich Erdbeben kaum vorhersagen. Zuerst ist das tiefe unterirdische Grollen zu hören, da sich die Schallwellen schneller übertragen als die seismischen Wellen, danach zittert das Haus ein paar Sekunden. Länger als eine halbe Minute dauerte aber keines der größeren Beben.
Immerhin: Mit der Zeit stellt sich ein gewisser Gewöhnungseffekt ein. Nach ein paar Wochen mit ständigen Vibrationen des ganzen Hauses wacht dann noch nicht einmal der Kater bei einem Beben der Stärke 4,5 auf.
Ein Vulkanausbruch schuf den Archipel Santorini
Hintergrund der seismischen Aktivität rund um Santorini ist die Subduktion, also das „Abtauchen“ der afrikanischen unter die europäische Erdplatte in der Südägäis. An einer der Bruchstellen in der Erdkruste ist vor Hunderttausenden von Jahren ein Vulkan entstanden, der die ehemals fast runde Insel Santorini entstehen ließ. Bei einem der größten Vulkanausbrüche auf der bereits von Menschen besiedelten Erde entstand um 1600 v. Chr. der Archipel Santorini mit heute fünf Inseln.
Unter den Inseln im Zentrum der Caldera liegt der Schlot des Santorini-Vulkans. Es gibt aber auch noch einen Unterwasser-Nebenkrater rund acht Kilometer nordöstlich von Santorini, der sogenannte Koloumbos-Vulkan, dessen Krater rund 1,5 Kilometer Durchmesser aufweist. Im Oktober 2022 wurde eine bisher unbekannte Magmakammer im Koloumbos-Krater entdeckt, die sich langsam füllt, aber laut Wissenschaftlern in den nächsten 1000 Jahren kein Risiko darstellt, sofern sich der Magmafluss nicht verstärkt. Beruhigend.
Neben den recht gut erforschten und einigermaßen kalkulierbaren Vulkanen liegen rund um Santorini aber zahlreiche Bruchzonen in der untermeerischen Erdkruste. Dort lassen sich Erdbeben, im Gegensatz zu vulkanischer Aktivität, kaum vorhersagen. Es gab Experten, die mit einem größeren Abschlussbeben mit einer Stärke von über 6,5 auf der Richterskala rechneten. Beunruhigend.
Die Situation änderte sich abermals ab 13. Februar, als Fachleute die Beben vulkanischem Ursprung zuordneten. Das führte vorübergehend zu einer gewissen Panik, denn es wurde eine Unterwassereruption befürchtet – mit unkalkulierbaren Folgen. Dieses Hin und Her, verbunden mit der Angst vor einem „großen Knall“, war für die Einheimischen belastend.
Wissenschaftler konnten inzwischen aber nachweisen, dass am Koloumbos ein unterirdischer Lavafluss in Gang gekommen ist, doch trat bisher keine Lava an die Oberfläche. Aktuell scheint es so, als würde dieser Lavafluss unter der Erde bleiben und die tektonische Situation sogar beruhigen.
Hotels bereiten sich auf den Start der Saison vor
Das letzte stärkere Erdbeben liegt nun über drei Wochen zurück, generell sinken sowohl die Anzahl der Beben als auch ihre Magnituden. Von einem drohenden Vulkanausbruch spricht auf Santorini inzwischen niemand mehr. Das Abklingen der Aktivität ist freilich noch keine endgültige Entwarnung, doch die Wahrscheinlichkeit für ein massives Abschlussbeben wird vor Ort als gering angesehen.
Das Auswärtige Amt hat auf die Entspannung der Situation reagiert und rät nun nicht mehr von Reisen nach Santorini und auf die Nachbarinseln Amorgos, Anafi und Ios ab. Eine komplette Entwarnung gibt es allerdings nicht: „Auch wenn die seismologische Aktivität sich nur noch auf einem niedrigen Niveau bewegt, muss mit weiteren, ähnlichen Erdbeben (Seebeben) gerechnet werden. Das gilt auch für die damit einhergehende Gefahr von Erdrutschen und Steinschlägen“, meldet das Auswärtige Amt in seinem Sicherheitshinweis. Und: „Die Katastrophenschutzbehörde hat für Santorini (bis einschließlich 3. April 2025) den Notstand ausgerufen.“
Zudem wurden von verschiedenen griechischen Ministerien neue Notfallmaßnahmen zum Schutz von Inselbewohnern und Besuchern für die nächsten zwei Monate in Kraft gesetzt: vor allem Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Orten, die strikt kontrolliert werden sollen, sowie Maßnahmen zur Regelung des Verkehrsflusses, um Staus zu vermeiden. In einzelnen Orten dürfen Hotels und Lokale den Betrieb vorübergehend nicht eröffnen.
Trotzdem überwiegt vor Ort der Optimismus. Hotel-, Tavernen- und Ladenbesitzer sowie meine Freunde sind fast alle nach Santorini zurückgekehrt und bereiten sich langsam auf den Start der Saison vor.
Der Tourismus aus den europäischen Ländern beginnt meist um die Osterzeit, der erste Direktflug von Deutschland nach Santorini ist für den 5. April vorgesehen. Auch die Kreuzfahrtgesellschaften haben ihre Routen für den Sommer 2025 nicht geändert und planen Stopps auf Santorini wie in den Vorjahren.
Sollte der Erdbebenschwarm nun endgültig abebben, steht einer guten Saison für den Pauschal- und Individualtourismus auf Santorini nichts mehr im Wege. Wer skeptisch bleibt, für Frühling oder Sommer 2025 aber bereits eine Pauschalreise nach Santorini gebucht hat, kann übrigens nicht kostenlos stornieren, meldet der ADAC: „Die bloße Angst vor einer Naturkatastrophe ist dafür nicht ausreichend.“
Mitarbeit: Sönke Krüger
Dirk Schönrock ist Autor des Reiseführers „Santorini“ aus dem Michael Müller Verlag. Die neue, inzwischen neunte Auflage erscheint am 4. April 2025 (264 Seiten, 19,90 Euro, michael-mueller-verlag.de/de/reisefuehrer/griechenland/santorini-2025/).
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