Mit dem E-Bike durch Wüsten und Wadis
Bei 35 Grad im Schatten wirbelt der feine Sand unter den Füßen mit jedem Schritt kleine Wolken auf. Eine Gruppe Radfahrer steht in Sportkleidung beisammen, ihre E-Bikes glänzen in der Nachmittagssonne. Sie sind so etwas wie Pioniere: Sie machen die allererste geführte E-Bike-Reise durch den Oman.
Mohammed, der drahtige Rad-Guide, steht im Fahrradtrikot bereit. Er checkt die Räder und gibt letzte Anweisungen. „Habt ihr alle Wasser dabei?“, fragt er und sieht die Radler an, prüfend, fürsorglich, freundlich. Er holt seinen Helm aus der Tasche und klopft mit der Hand auf den Fahrradlenker, als würde er einem alten Freund „Salam Aleikum“ sagen.
Nach einem Tag in der quirligen Hauptstadt Maskat – noch ohne Rad – geht es jetzt auf einer steinigen Straße dicht am Meer entlang über Yiti Richtung Quriyat. Die Gruppe tritt in die Pedale und rollt hinter Mohammed her. „Kein Stress“, ruft er über die Schulter und beschleunigt. Die Straße, die entlang eines ausgetrockneten Flussbettes verläuft, schwingt sich vor allem bergauf.
Bereits nach ein paar Hundert Metern wird klar, dass sich das Vorhaben schwieriger gestaltet als gedacht. Schweißperlen kommen unter den Helmen hervor, so manches Gesicht schaltet von Gelassenheit um in eine Mischung aus Anstrengung und Verzweiflung. Die E-Bikes surren und knurren wie störrische Kamele, die sich nicht so leicht zähmen lassen.
Mohammed ist stets ein paar Meter voraus, mit lockerem Tritt, während hinter ihm ein kleines Chaos aus schiebenden, strampelnden und ruckartig abbremsenden Radfahrern zurückbleibt. Einer aus der Gruppe ruft etwas von „Turbo-Modus“ und drückt panisch auf den Knopf am Lenker, bis das Bike wie ein Rennpferd nach vorn schnellt – leider ohne ihn, weil er im letzten Moment abspringt, um einen Abflug ins Geröll zu verhindern.
Bei dem einen oder anderen scheint der Motor entweder ein sanftes Flüstern oder ein wütendes Brüllen zu bieten, aber nichts dazwischen. Und so fährt mancher schließlich im Stehen den Hügel hoch, die Pedale wie Feinde unter den Füßen, während vorn wie hinten ein kollektives Stöhnen und Seufzen der Radler zu hören ist. Doch irgendwann haben sich alle mehr oder weniger an die Räder gewöhnt, der erste Schrecken ist verflogen. Und zum Glück geht es bald überwiegend bergab.
Oman ist Neuland für Radfahrer
Die Sonne beginnt sich zu neigen. Während der letzten Etappe kann man das Bike locker rollen lassen. Praktischerweise liegt eine kleine Badestelle neben der Unterkunft, in die die meisten vor dem Abendessen kurz eintauchen. Danach sitzt die Gruppe bei Lammfleisch, Reis und Karawanenmusik beisammen. Die Teilnehmer sind sich schnell einig: Für schweres und steiles Gelände sind diese Räder nicht gut geeignet. Mohammed beruhigt: Die Route für die kommenden Tage soll flacher sein und überwiegend asphaltiert.
Allen am Tisch ist klar: Oman ist Neuland für Radfahrer – es gehören Abenteuerlust und Mut dazu, hier mit dem Rad unterwegs zu sein. Genauso mutig ist es von dem Berliner Reiseveranstalter Belvelo, als Erster E-Bike-Tourismus in ein Land zu bringen, das nur wenige Straßen und vor allem Offroad-Pisten für Autos bietet.
Jedes Jahr besuchen mehr als 200.000 Deutsche den Oman. Zwei Drittel steigen jedoch nur für einen Landausflug vom Kreuzfahrtschiff ab. Der Rest bucht eine geführte Gruppenreise oder mietet sich einen Geländewagen und erkundet auf eigene Faust die Wüsten, Küsten und Oasen des Sultanats. Radtouristen sind im Oman bisher so gut wie gar nicht zu finden. Und so wirkt die kleine Biker-Truppe zwischen den allgegenwärtigen Pick-ups wie eine kleine Sensation – die von den Vorbeifahrenden mit Hupen und lauten Rufen gefeiert wird.
Für die Radfahrer sind wiederum die Kamele, die sich immer wieder stolz und stoisch am Wegesrand tummeln, eine Sensation. Die Tiere werden vor allem für Rennen gezüchtet oder glänzen bei lokalen Schönheitswettbewerben, bei denen es eigene Beauty-Kategorien für Augen, Zähne oder Lippen gibt.
Pick-ups sorgen für gelegentliche Pausen
Für eine Rast auf der Strecke Richtung Küstenort Sur steuert Mohammed das Bimmah Sinkhole an, ein Loch im Boden, das wirkt, als habe es ein Riese mit dem Finger in die Erde gestochen und mit Wasser gefüllt. Wer will, und das sind fast alle, klettert hinunter, um zu baden. Schnell löst sich der Staub an den Waden in dem Salzwasser auf.
Ab und an – auch das gehört zum Konzept der Rad-Reise – kommen die Bikes auf die Ladefläche von Pick-ups, mit denen einzelne Etappen überbrückt werden, denn nicht nur die E-Motoren sind immer mal am Limit, sondern auch die Beinmuskeln. Die Räder werden festgezurrt, die Gäste in Geländewagen über steile Pässe oder verkehrsreiche Straßen gekarrt. Das verschafft allen eine Verschnaufpause. Und eine willkommene Abkühlung, denn die Kabinen sind natürlich klimatisiert.
Auf dem Weg in die Wüste hält der Pick-up-Konvoi an der Dhow-Werft in Sur. Hier, an der Küste des Indischen Ozeans, wird eine jahrhundertealte Tradition lebendig gehalten. Die Dhows – elegante Segelboote – entstehen bis heute in Handarbeit. Es riecht nach Holz und Lack. Ein halb fertiges Boot thront wie ein schlafender Gigant auf seinem Gerüst. Ein Werftarbeiter hebt den Kopf, nickt kurz, bevor er sich wieder seinem Werk zuwendet. Einst Herzstück des omanischen Handels und Fischfangs, werden die Dhows heute für Regatten und als Ausflugsboote genutzt.
Bei der Ankunft in der Wüste Wahiba Sands wirft die Nachmittagssonne lange Schatten über die Dünen. Der Pick-up kämpft sich über weichen Sand, der unter den Reifen nachgibt. Am Rand der Dünen stehen gemauerte Hütten, ein Feuerplatz ist schon vorbereitet. Die Räder bleiben auf der Ladefläche, der Sand ist zu weich zum Fahren. Einheimische begrüßen die Ankommenden mit Datteln und Kardamom-Kaffee. Die Hitze weicht einer sanften Wärme, und die Dünen scheinen im Lichtspiel der sinkenden Sonne immer neue Formen anzunehmen.
Mit dem E-Bike geht es weiter nach Nizwa
Am nächsten Vormittag geht es wieder auf die Sattel. Voraus liegen ein paar Asphaltbänder, die sich zwischen Felswänden entlangschlängeln. Die Steigung ist moderat – das E-Bike nimmt die paar Höhenmeter fast spielerisch. Doch die Mittagshitze drückt, vielleicht bringt ein Stopp am Wadi Bani Khalid eine Erfrischung. Ein Wadi – das ist ein ausgetrocknetes Flussbett, das nach Regenfällen Wasser führt und oft tiefe natürliche Pools hinterlässt, die zu Oasen inmitten der kargen Landschaft werden.
Es finden sich tatsächlich Wasserbecken. Einige aus der Gruppe sitzen auf Steinen und lassen die Füße ins kühle Nass baumeln, andere erkunden versteckte Winkel, wo kleine Wasserfälle von Becken zu Becken plätschern. Im Wasser eines der Becken tummeln sich Fische, die neugierig werden, wenn jemand seine Füße eintaucht. Sie knabbern an der Haut, eine Art Spa-Behandlung mit Kitzeleffekt.
Am Nachmittag bringt die Töpferei Aladawi in der Oasenstadt Bahla eine weitere Facette des Omans zum Vorschein. Hier dreht sich alles um Ton und Feuer. Saeed Aladawi, der Meistertöpfer, ein älterer Mann mit Bart, sitzt vor seiner Töpferscheibe. Mit den Händen formt er ein Gefäß, das unter seinen Fingern in weniger als einer Minute scheinbar mühelos entsteht. Die Werkstatt ist gefüllt mit Schalen und Krügen, die in allen Stadien der Fertigung zu sehen sind – von frischem Ton bis zu glasierten Stücken, die im Licht glänzen.
Die Gruppe erreicht Nizwa. Die frühere Hauptstadt des Omans liegt in einem Tal zwischen den Gipfeln des Hadschar-Gebirges. Das Herz von Nizwa ist der Souk, ein Labyrinth aus Ständen, die alles anbieten, was das omanische Leben ausmacht: Datteln, die süßer sind als Zucker; Weihrauch, dessen Duft sich tief in die Erinnerung gräbt; Gewürze und Kräuter in allen Farben. Händler rufen ihre Preise, es wird gefeilscht, an jeder Ecke werden Kaffee und Tee angeboten.
Eine Nacht auf dem höchsten Berg des Landes
Am nächsten Tag steht Al Misfah auf dem Programm, ein Bergdorf mit engen Gassen und alten Lehmhäusern. Die Straße wird steiler, der Asphalt löchrig, selbst der stärkste E-Bike-Motor hat hier nichts mehr zu lachen. Die Fahrräder landen auf der Ladefläche der Pick-ups, die den Rest der Strecke übernehmen. Während die Wagen sich über die Serpentinen quälen, bietet sich ein atemberaubender Blick auf die Schluchten der Berge, die im Nachmittagslicht ihre Schatten werfen.
In der Dunkelheit erreicht der Konvoi schließlich die Unterkunft am Jebel Shams, dem höchsten Berg des Landes, der übersetzt so viel wie Sonnenberg heißt, weil das erste und das letzte Sonnenlicht des Tages stets die Spitze des Massivs trifft. Im Scheinwerferlicht der Pick-ups tauchen die Umrisse der Steinhütten auf, die sich gut 2000 Meter über dem Meer in die Landschaft schmiegen. Es bleibt noch etwas Zeit für einen schnellen Blick in die Sterne, die hier klarer und näher scheinen als sonst irgendwo, dann geht es ins Bett, denn die Nacht wird kurz.
Noch vor 5.30 Uhr reißt der Wecker die Gruppe aus dem Schlaf. Die Luft ist kühl, Dunkelheit liegt über dem Jebel Shams. Gleich geht es auf einen Wanderweg, der an steilen Felswänden entlangführt. Der Balcony Trail zieht sich ohne Geländer entlang Respekt einflößender Abgründe – tief unten liegt am frühen Morgen ein Meer aus Schatten.
Die ersten Schritte sind schwerfällig, aber der Gedanke an den Sonnenaufgang treibt voran. Langsam hellt sich der Horizont auf, ein Hauch von Orange und Rosa mischt sich ins Dunkelblau. Plötzlich bricht die Sonne über die Bergspitzen. Die Hitze des Tages liegt zum Glück noch in weiter Ferne – eine Belohnung nach Tagen im Staub und auf den Rädern.
Nach dem Frühstück geht es zurück nach Maskat. Die E-Bikes haben die Reise überstanden, die Fahrer auch – nicht zuletzt dank der Pick-ups, die immer da waren, wenn die Beine versagten. Der Veranstalter verspricht, für die nächsten Touren bessere Räder zu besorgen und die etwas anstrengende Mischung aus Rad- und Pick-up-Fahrten zu optimieren. Am Ende sind sich alle einig: So eine Tour verschafft ein Glücksgefühl aus wohliger Erschöpfung und Euphorie, die kein noch so raffiniert angelegter Radwanderweg in Deutschland bieten könnte.
Tipps und Informationen:
Anreise: Die nationale Fluglinie Oman Air fliegt von Frankfurt/Main und München direkt in die Hauptstadt Maskat. Andere Airlines fliegen mit einem Zwischenstopp, etwa Emirates via Dubai oder Turkish Airlines via Istanbul.
Unterkunft: In Maskat gibt es eine Reihe luxuriöser Hotels, zum Beispiel das „Kempinski Mascat“ direkt am Strand, Doppelzimmer mit Frühstück ab umgerechnet 288 Euro (kempinski.com). Als Mittelklasse-Unterkunft ist in Maskat das „Ramee Guestline Hotel“ zu empfehlen, Doppelzimmer mit Frühstück ab 62 Euro (rameehotels.com). In der Wüste Wahiba Sands empfiehlt sich das „Sama Al Areesh Camp“, wo man in Bungalows wohnt, ideal für Wüstenausflüge, Bungalow für zwei Gäste ab 176 Euro/Nacht mit Halbpension (samaresorts.com). In der Region um den Jebel Shams bietet das „Jebel Shams Resort“ guten Komfort, idealer Startpunkt zum Wandern auf dem Balcony Trail, Chalet für zwei Personen ab 120 Euro/Nacht mit Halbpension (jebelshamsresort.com).
Rundreisen: Belvelo ist Anbieter von geführten E-Bike-Reisen durch den Oman, eine zwölftägige Tour mit Fahrrad-Guide, Begleitfahrzeug und Fahrradmechaniker kostet ab 5880 Euro inklusive Unterkunft, Verpflegung und Flug, angeboten werden die Reisen von November bis März, belvelo.de/reiseziele/oman/. Wer Oman lieber auf klassischem Weg erkundet, bucht zum Beispiel bei Geoplan eine 15-tägige Privatrundreise mit Fahrer von Maskat (mit Badeaufenthalt am Ende der Reise) über die Wahibi Sands nach Nizwa, ab 5290 Euro pro Person im Doppelzimmer inklusive Flug, Unterkunft, Teilverpflegung, geoplan-reisen.de. Hauser Exkursionen hat eine 15-tägige Wanderreise im Programm von Maskat in die Wüste, ab 4590 Euro inklusive Flug und Vollpension, hauser-exkursionen.de.
Weitere Auskünfte: experienceoman.om
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Belvelo. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke