Auf diesem Kreuzfahrtschiff hat eine Frau das Kommando
Grüne Socken auf einem Schiff? Das bringt Unglück, damit verärgert man Neptun, denn Grün ist seine Farbe. Ein Liedchen pfeifen? Um Gottes willen! Das bringt Sturm und Ungemach. Und Frauen an Bord? Heute natürlich kein Problem mehr, aber früher wurde tatsächlich behauptet, Frauen auf Schiffen würden Unglück bringen – bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die Schifffahrt eine Männerdomäne. Es dauerte bis in die späten 1950er-Jahre, bis vermehrt Frauen ihren Dienst als Matrosinnen oder Offizierinnen an Bord von Handels- und Marineschiffen antraten.
Gut 70 Jahre später liegt im Hafen von Barcelona die „Explora I“: ein elegantes, dunkelblaues Kreuzfahrtschiff von Explora Journeys, dem Luxusableger der italienisch-schweizerischen Reederei MSC Cruises. Nur 461 Kabinen hat das Schiff, kein Vergleich mit den Riesenpötten von US-Reedereien. Und das Kommando hat eine Frau: Kapitänin Serena Melani, 51 Jahre alt, Italienerin. Sie empfängt in Raum 10001, der Brücke.
Melani trägt eine schneeweiße Uniform. „Ich sage es gleich: Ich habe nie davon geträumt, einmal Kapitänin zu werden. Die vier Streifen auf der Schulter sind nur die Konsequenz, wenn man Karriere macht. Und letztlich spielt es keine Rolle, ob ein Mann oder eine Frau Befehle erteilt. Wichtig ist nur: Die Ansage muss richtig sein und nachvollziehbar. Ich für meinen Teil lasse mein Ego immer zurück am Pier“.
Trotzdem weiß sie natürlich um das Besondere ihrer Tätigkeit: Sie ist eine von derzeit gerade mal acht Kapitäninnen auf den weltweit knapp 350 Kreuzfahrtschiffen.
„Auf einem Öltanker ist die Seefahrt noch eine Machowelt“
Schon in jungen Jahren wollte Melani die Welt entdecken und träumte sich in ihrer Heimatstadt Livorno mit den Schiffen davon. Ein Job im Büro? Kam für sie nie infrage. Den Studienabschluss an der Nautik-Fachschule hatte sie mit 16 Jahren in der Tasche, musste aber im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen fünf Jahre nach einem Ausbildungsplatz suchen. Erst ein EU-Förderprojekt ermöglichte ihr den Start auf einem Öltanker.
„Da geht’s ziemlich rau zu, was den Ton und Anzüglichkeiten betrifft, so mit Pin-up-Girls an den Wänden und blöden Witzen. Auf so einem Tanker ist die Seefahrt noch eine Machowelt“, erinnert sich die Kapitänin. „Auf einem Schiff lebt man bis heute in einer sehr engen Gemeinschaft. Nach Feierabend kann man nicht einfach nach Hause gehen. Die Arbeit findet auf dem Schiff statt. Das Leben findet auf dem Schiff statt.“
Ton und Verhalten wie auf einem Öltanker sind an Bord der „Explora“-Schiffe natürlich verpönt: „Wir haben eine ruhige Atmosphäre, an Bord wird niemand laut, sogar die Walkie-Talkies sind auf niedrigste Lautstärke gestellt“, sagt Melani. Seit 2016 ist sie Kreuzfahrt-Kapitänin, aktuell auf den neuen Luxuslinern „Explora I“ und „II“.
Dumme Sprüche und Vorurteile gibt es aber auch hier: „Ein Gast hat mich neulich mit ‚Na, hoffentlich lenken Sie das Schiff besser als meine Frau unser Auto‘ begrüßt“, sagt die Kapitänin. Serena Melani verkniff sich eine passende Antwort. Sie habe sich ein dickes Fell zugelegt und lasse, wie gesagt, ihr Ego am Pier zurück.
Sie sieht die Sache pragmatisch: „Wenn man eine Karriere in einem Bereich anstrebt, in dem Frauen nach wie vor nicht überall gern gesehen sind, dann muss man sich noch mehr anstrengen, noch mehr Energie hineinstecken. Für Frauen gibt es in der Schifffahrt einige Hindernisse – eines der größten sind die Vorurteile.“ Nach Melanis Erfahrungen „sind Frauen in Führungspositionen weder besser noch schlechter als Männer, weil es an Bord primär um Sicherheit, Wissen und Teamfähigkeit geht“ – ohne harte Führungshierarchie, aber mit respektvollem Umgang.
Die gesamten Flitterwochen allein auf See verbracht
Teamfähigkeit braucht es aber auch in der privaten Beziehung – gerade, wenn es sich um eine Fernbeziehung handelt. „An Weihnachten oder zu Familienereignissen kann man oft nicht zu Hause sein, denn der Arbeitsrhythmus sieht drei durchgehende Monate an Bord im Wechsel mit drei freien Monaten vor. Als mein Vater starb, konnte ich nicht zu seiner Beerdigung kommen. Das war sehr hart“, sagt Melani. Für ein „modernes Nomadenleben auf den Weltmeeren“ müsse man bereit sein, Entbehrungen in Kauf zu nehmen.
Die bewusste Entscheidung gegen eigene Kinder war eine davon: „Da zahlen Frauen in Führungspositionen oft einen hohen Preis.“ In ihrem Fall passt es vielleicht, dass ihr Ehemann, mit dem sie in Kroatien lebt, ebenfalls auf hoher See arbeitet und in der Welt der noblen Privatyachten unterwegs ist. Über Video-Call bleiben sie in Kontakt. Melani ergänzt lachend: „Ich bin direkt nach meiner Hochzeit zurück aufs Schiff und habe meine gesamten Flitterwochen allein auf See verbracht.“
Inzwischen lief sie mit unterschiedlichen Schiffen mehr als 100 Länder an. „Und jetzt darf ich die Kapitänin von diesem Schiff sein, das sehr viele andere auch gern führen würden“, sagt die Italienerin. „Ich weiß, dass manche Kollegen neidisch sind, wenn ich mit der ‚Explora‘ neben ihnen im Hafen liege.“
Die Schwedin Karin Stahre-Janson war 2007 die erste Frau, die auf der „Monarch of the Seas“ das Kommando als Kapitänin über ein großes Kreuzfahrtschiff erhielt. Als erste deutsche Kapitänin ging elf Jahre später die damals 34-jährige Nicole Langosch auf die Brücke der „Aida Sol“. Weitere elf Jahre später heuerte sie bei Hurtigruten an Land als Direktorin der Hurtigruten Expedition Technical Services an.
Auf dem Meer ist Aberglaube allgegenwärtig
Melanis aktuelle Reise mit der „Explora I“ führt von Barcelona nach Athen. Fahrtechnisch nicht anspruchsvoll, aber in den Gewässern südlich von Malta und Sizilien kann es durchaus vorkommen, dass Schiffe auf Flüchtlingsboote treffen. „Die Gesetzeslage ist eindeutig“, erklärt die Kapitänin: „Flüchtlinge müssen aufgenommen und versorgt werden.“ In Notfällen wird auch mal das Routing geändert. „Ich informiere unsere Gäste auf jeden Fall darüber, denn Information ist der Schlüssel zum Verständnis.“
Melani wirkt klar, souverän, sie spricht durchdacht und nachvollziehbar. Und dann sieht man dieses Körbchen auf der Brücke auf, in dem sich Salz und Peperoni befinden. Was hat das auf der Brücke zu suchen, die eher wie ein verglaster Operationssaal wirkt mit steril anmutenden Hightech-Instrumenten, mit Bildschirmen, Radar- und Kommunikationsgeräten, mit unzähligen Knöpfen, Schaltern, Hebeln? „Ja, ich bin schon abergläubisch, aber nicht ganz so wie meine Kollegen im Maschinenraum. Dort geht ohne Knoblauch gar nichts!“ Die Chefin erklärt: „Salz streuen bringt Glück. Peperoni beschützt. Knoblauch natürlich noch viel mehr!“
Auf See ist Aberglaube allgegenwärtig, denn in den Anfängen der Seefahrt galt das Meer als äußerst gefährlich. Um die Natur zu beherrschen und um die Angst in den Griff zu bekommen, brauchte es Hilfsmittel. Diese kleinen Tricks gegen böse Geister haben sich bis heute gehalten. Viele Seefahrer glauben an ihre Wirkung, besonders die Italiener, Griechen und Filipinos.
„Die Gäste können an Bord natürlich alle Farben tragen, aber unter uns Crew-Mitgliedern gehen Grün und Violett gar nicht“, sagt Serena Melani. Und bestätigt das eingangs erwähnte Farb-Tabu: „Diese Farben bringen Unglück“ – ganz egal, ob ein Mann oder eine Frau auf der Brücke stehe.
Mit ihrem Aberglauben ist die Kapitänin übrigens in guter Gesellschaft: Die Reederfamilie Aponte ließ in ihre „Explora“-Schiffe kein Deck 13 einbauen – über Deck 12 kommt gleich Deck 14. Sicher ist sicher.
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von explorajourneys.com. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.
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