Im Jahr 1987 veröffentlichte Donald Trump ein Buch, in dem vermeintlich schon alles steht, was er heute umsetzt. Es zahle sich aus, „ein wenig wild zu sein“, schrieb er in „The Art of the Deal“ (Deutsch: Die Kunst des Erfolgs) mit Hilfe eines Ghostwriters. Als „zweitbestes Buch nach der Bibel“ pries Trump das Werk einmal, denn es zeichne nach, wie aus ihm ein genialer Unternehmer wurde.

Wild war das, was in den vergangenen Tagen passierte, auf jeden Fall. Erst kündigte der US-Präsident beispiellose Zollerhöhungen für praktisch die ganze Welt an, trieb die Zölle für China zuletzt sogar auf irrwitzige 125 Prozent – und am Mittwoch folgte dann die völlig überraschende Kehrtwende. Nun soll 90 Tage lang verhandelt werden, während für die meisten Länder, außer für China, Zölle von „nur“ zehn Prozent gelten.

Sein Umfeld jubelt, Trump habe der Welt damit eine meisterliche Lektion über die „Kunst des Deals“ erteilt. Doch stimmt das? Folgte das alles wirklich einem genialen Plan? Oder hat sich Trump diesmal einfach verrannt und musste am Ende einknicken?

Auf den ersten Blick wirkt alles tatsächlich wie ein meisterlicher Plan. Nach der Ankündigung der Zölle reagierte die ganze Welt erschrocken. Verbündete wie Gegner flehten Trump um Milde an. Aus aller Welt kamen Angebote für Deals, die EU schlug beispielsweise die beidseitige Absenkung der Zölle auf Null Prozent vor. „Das Telefon klingelt ohne Unterlass“, jubelte das Weiße Haus am Dienstag. 70 Länder hätten Gesprächsbereitschaft angekündigt. Und genau das sei es ja gewesen, was Trump erreichen wollte, heißt es nun aus dessen Umfeld.

Trumps „War Room“-Kanal, also sein virtuelles Kriegskabinett, zitierte auf X einen gut zehn Jahre alten Tweet von ihm: Andere Menschen könnten wunderschön malen oder Lyrik verfassen, er erlebe Glücksgefühle angesichts von „Deals, vorzugsweise großen Deals“, wird Trump dort zitiert.

Das ist die offizielle Erzählung. Aber es gibt auch viele Anhaltspunkte, dass alles ganz anders gelaufen sein könnte. Und dafür liefert Trump selbst etliche Hinweise. So sagte er bei einer Veranstaltung vor dem Weißen Haus auf die Frage nach seinen Beweggründen für den Kurswechsel, die „Leute“ seien etwas unruhig und „ein bisschen ängstlich“ geworden.

Während er sonst oft zu Übertreibungen neigt, ist dies grandios untertrieben. Die Börsen befanden sich in einem dramatischen Abwärtsstrudel, fast täglich ging es in großen Schritten abwärts, nur von kleinen Erholungsphasen unterbrochen. Und auch die Renditen für US-Staatsanleihen stiegen kräftig – entweder, weil Anleger das Vertrauen verloren, oder weil China die Anleihen massiv verkaufte, oder weil beides gleichzeitig geschah. In jedem Fall führte diese Entwicklung dazu, dass die Zinslast der USA innerhalb kurzer Zeit drastisch stieg und bereits die erhofften Einnahmen aus den Zöllen übertraf.

Ökonomen schüttelten den Kopf über Trumps Politik und Investoren fürchteten den Ruin – dazu gehören in den USA auch die zig Millionen von Arbeitnehmern und Rentnern, die ihr Geld in Pensionsfonds gesteckt haben. Besonders laut wurden aber Trumps Milliardärsfreunde. Elon Musk teilte am Montag auf X ein Video des Ökonomen Milton Friedman, worin dieser den Freihandel und die Vorteile von Warenimporten anpreist. Trumps Handelsberater Peter Navarro, der die Zölle lobte, beschimpfte er zudem als „Idioten“ und „dümmer als ein Sack Ziegelsteine“.

Ken Griffin, Gründer des Hedgefonds Citadel und Großspender der Republikaner bezeichnete Trumps Zölle am Montag bei einer Veranstaltung als „großen politischen Fehler“. Er habe „große Angst davor, dass die USA ihre Führungsrolle in der freien Welt aufgeben“. Sein Hedgefonds-Kollege Bill Ackman, ein langjähriger Trump-Unterstützer, erklärte am Mittwochmorgen, das durch Trumps Zölle ausgelöste Finanzchaos sei „kein Zeichen einer erfolgreichen Politik“ und „viele kleine Unternehmen würden Pleite gehen“, wenn sie nicht bald ausgesetzt würden.

Ihnen schlossen sich viele weitere führende Vertreter der Investmentbranche an – und die Entwicklung der Börsen gab ihnen recht. Viele befürchteten eine regelrechte Kernschmelze, ähnlich wie in der Finanzkrise von 2008. Wäre das geschehen, wäre Trump jedoch nicht als der große Deal-Maker in die Geschichte eingegangen, sondern als ein Wahnsinniger, der die Weltwirtschaft an die Wand fuhr.

Ackman rief Trump daher am Mittwochnmorgen mit eindringlichen Worten dazu auf, die Zollpläne für 30, 60 oder 90 Tage auszusetzen, „um einen Abschluss der Verhandlungen ohne größere globale Wirtschaftsstörungen zu ermöglichen“. Und genau das tat Trump dann wenige Stunden später.

Die Frage ist natürlich, ob das Trumps Reaktion auf die Aufforderungen war, oder ob er, als der vermeintlich geniale Stratege, alles von Anfang an so geplant hatte. Sein Finanzminister Scott Bessent sagte, Trump habe „von Anfang an“ so handeln wollen. Doch das steht im Widerspruch zu dem, was Trump selbst äußerte. Auf die Frage, wann er zu seiner Entscheidung gekommen sei, sagte Trump am Mittwoch: „Ich würde sagen, heute Morgen.“ In den letzten Tagen habe er allerdings schon darüber nachgedacht. Dann fügte er hinzu: „Ziemlich früh heute Morgen.“

Trump hat die Börse stets im Blick

Dadurch scheint es sehr wahrscheinlich, dass es vor allem der Druck der Börsenentwicklung war, der bei Trump zum Kurswechsel führte. Und dies passt auch dazu, dass, nach allem, was man weiß, die Börsenindizes für ihn ein wesentlicher Gradmesser für den Erfolg seiner Politik sind und dies letztlich die einzige Instanz ist, auf die er hört. Diese Indizes sind jedoch bereits seit seinem Amtsantritt unter Druck, und in den vergangenen Tagen drohte sich die Bilanz zu einem Debakel auszuweiten.

Seine Kehrtwende dagegen ließ die Börsen nun jubilieren. Der Dow Jones Index machte die Kursverluste der vorangegangenen drei Handelstage innerhalb von Minuten wett und schloss mit einem Gewinn von 7,9 Prozent. Der marktbreite S&P 500 legte um 9,5 Prozent, der von den großen Technologieaktien dominierte Nasdaq 100 sogar um zwölf Prozent zu.

Dass ihm das wichtig ist, zeigt auch eine andere Äußerung Trumps. Denn kurz bevor er seinen Rückzieher im Handelskonflikt bekannt gab, hatte er in den sozialen Medien einen Finanztipp abgegeben. „Dies ist eine großartige Zeit zum Kaufen!!! DJT“, schrieb er um 9.37 Uhr (Ortszeit) in den für ihn bekannten Versalien auf seiner Webseite Truth Social. Weniger als vier Stunden später nahm Trump einen Teil der zuvor von ihm verhängten Zölle für vorerst 90 Tage zurück.

„Die Leute, die gekauft haben, als sie diese Nachricht sahen, haben eine Menge Geld verdient“, sagt der Trump-Kritiker und ehemalige Ethik-Anwalt des Weißen Hauses, Richard Painter, und weist darauf hin, dass das Wertpapierrecht den Handel mit Insiderinformationen verbietet. „Er liebt das, diese Kontrolle über die Märkte, aber er sollte besser vorsichtig sein“, sagte er weiter.

Zumal Trump auch noch das Kürzel DJT in seine Nachricht einfügte – das sind nicht nur seine Initialen, das ist auch das Aktiensymbol der Trump Media and Technology Group, der Muttergesellschaft der Social-Media-Plattform Truth Social des Präsidenten. Das Unternehmen schloss den Börsenhandelstag mit einem Plus von 22,67 Prozent ab. Trumps 53-prozentige Beteiligung an der Firma, die jetzt von einem Trust unter der Kontrolle seines ältesten Sohnes Donald Trump Jr. gehalten wird, legte an diesem Tag um 415 Millionen US-Dollar an Wert zu. Jedenfalls für Trump selbst hat sich der ganze Wahnsinn der vergangenen Tage offenbar gelohnt.

Derweil gibt es keine Hinweise, dass der 78-jährige das Tempo drosselt, das er in den ersten zehn Amtswochen an den Tag gelegt hat. Kurz nach seinem Tritt auf die Zollbremse trat der Präsident vor dem Weißen Haus mit Rennfahrern auf, die dort ihre rasanten Autos präsentierten. Höchstgeschwindigkeiten aushalten zu können, sei eben „genetisch bedingt“, scherzte Trump.

Frank Stocker ist Wirtschafts- und Finanzkorrespondent in Frankfurt. Er berichtet über Geldanlage, Finanzmärkte, Konjunktur und Zinspolitik. Zudem hat er mehrere Bücher veröffentlicht. Derzeit arbeitet er für einige Monate in Los Angeles.

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