An die Arbeit!
Beginnen wir mit einem kurzen: Hurra! Wir sind noch nicht Österreich. Das ist Grund zur Freude. Jenseits von hohen Bergen und grünen Tälern sind unsere Nachbarn um die politische Landschaft nicht zu beneiden. Wir wissen nun, dass es in Deutschland auch nach einem harten Wahlkampf möglich ist, Gespräche zu führen, die in eine Koalition münden.
Auch wenn es keine ganz große Koalition mehr ist, die Friedrich Merz bald anführen wird, so ist es doch eine, die ohne das übliche Tamtam zueinander gefunden hat – ohne Nachtsitzungen und dramatisches Türenwerfen. Beinahe geräuschlos liefen die Verhandlungen der "19er Runde".
Die Große Koalition ist zwei Wochen schneller als die Ampel
Geht doch. Geht noch. Und wenn es sein muss, geht es sogar schnell: Gerade mal 45 Tage sind seit dem Wahlsonntag vergangen – und damit sogar exakt zwei Wochen weniger als SPD, Grüne und FDP im Herbst 2021 benötigt hatten, um die Ampel zu schmieden. Man darf und soll das vermutlich sogar als Zeichen dafür lesen, dass die Beteiligten – Merz, Klingbeil, Söder, Esken und die anderen – den Ernst der Lage nun wirklich begriffen haben.

Steuern, Migration, Bonpflicht Die 12 wichtigsten Erkenntnisse aus dem Koalitionsvertrag
Und was ist das für eine Zeit: Dieses Land befindet sich das dritte Jahr in Folge in einer Rezession. So lange, wie in der Ukraine ein neuer Landkrieg tobt. In Verteidigungsfragen können wir uns nicht nur nicht mehr auf die USA verlassen, die USA führen nun einen irrwitzigen Zollkrieg gegen uns. Einen Krieg, der das Geschäftsmodell unserer Exportnation ruinieren könnte.
Darum – Binse hin oder her – braucht es jetzt sehr schnell ein handlungsfähiges Deutschland. Mit einer Regierung an der Spitze, die hilft, Europa zu einen, vielleicht sogar anzuführen. Einer Regierung, die Unternehmen entlastet. Die mit ihren neuen Milliarden die Infrastruktur erneuert und die Bundeswehr aufrüstet, die die Bürokratie ausdünnt, die illegale Migration eindämmt und auf keinen Fall dort weitermacht, wo die alte aufgehört hat.

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Was das Land bitter nötig hätte: eine Prise Optimismus
Was dieses Land wirklich bitter nötig hätte, ist eine Regierung, die es schafft, zur Abwechslung eine ordentliche Prise Optimismus zu verbreiten. Hoffnung darauf, dass eben längst nicht alles verloren ist. Glauben daran, dass es sogar besser werden kann.
Es wäre die richtige Antwort auf das miesepetrige Rumgemoppere, das ewige "War ja klar, dass die da oben es mal wieder nicht gebacken kriegen!", eine Grundstimmung also, an der sich die AfD seit Jahren fett und fetter frisst.
Ja, vielleicht braucht es kein neues Weltraumministerium, aber das Universum wird auch das überstehen.
Nein, Heinz-Dieter, mit "dem vielen Geld" hätten wir keine neue Benzinpreisbremse finanzieren müssen.
Ja, mehr Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen wären schön gewesen.
Nein, es wird nicht ab Tag 1 an der Grenze zurückgewiesen, und die Atomkraft kehrt auch nicht zurück.
Ja, dieser Vertrag enthält weniger Reformen, als nötig wären, um die Sozialsysteme dauerhaft zu entlasten.
Ehrlichkeit erfordert nicht nur Mut, sie kostet auch Zustimmung. In unruhigen Zeiten, in denen schwindende Zustimmung beängstigend zuverlässig bei der AfD landet, überlegt man sich zweimal, wie viel Zumutung man Menschen zutraut.

Regierungsbildung Was Union und SPD sich alles vornehmen – und wofür Söder Lacher erntete
Es mag Leute geben, sagte Markus Söder, die nun kritisieren würden, "Mensch, bei Zeile 2419, da fehlt was", er würde denen antworten: "Passt scho". Und vielleicht hat Söder damit den eigentlichen Titel dieses Vertragswerks gefunden: statt "Verantwortung für Deutschland" einfach – passt scho.
Es ist Zeit für Realismus. Es geht nicht um Befindlichkeiten einzelner Parteien. Was der linke, der liberale oder der lahme Flügel zu diesem oder jenem Punkt des Koalitionsvertrages meint, ist den Bürgerinnen und Bürgern mit Recht komplett egal.
Worauf es jetzt ankommt, ist mehr Pragmatismus und ein bisschen mehr vom rheinischen "Jönnekönne". Es wird ohnehin mehr als schwer für Friedrich Merz, dem 60 Prozent der Deutschen das Amt des Kanzlers nicht zutrauen. Niemand vor ihm hat diesen Job mit einer solchen Hypothek übernommen.
Darum zum Schluss eine Bitte: Könnten wir ab jetzt aufhören, so zu tun, als wäre diese Regierung die letzte Patrone der Demokratie? Als käme nach ihr nichts als der neue Faschismus? Ende der Geschichte, Weltuntergang? Natürlich muss diese kleine große Koalition erfolgreich sein, aber man sollte nicht den Fehler machen, sie mit Amazon zu verwechseln: Sie muss gute Arbeit leisten, Ergebnisse erzielen – auf Knopfdruck liefern kann und muss sie nicht.
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