Optimistisch in eine ungewisse Zukunft
Frank Baumann ist durchaus zur Selbstironie fähig. Vor Jahren, als der frühere Geschäftsführer des SV Werder Bremen selbst noch gespielt hatte, war er gefragt worden, für welches Produkt er glaube, als Werbe-Testimonial zu passen. Seine Antwort war bezeichnend: „Stilles Wasser.“ Baumann, mittlerweile 49, war sich schon immer bewusst, wie er in dem öffentlichkeitswirksamen Bundesliga-Geschäft wahrgenommen wird: als jemand, der unaufgeregt im Hintergrund wirkt, aber verlässlich seinen Job erledigt.
Wäre Baumann, der bestimmt nicht zu schillerndsten Figuren im deutschen Fußball zählt, damals gefragt worden, zu welchem Verein er mit seiner ruhigen – und dadurch nicht unsympathischen – Art so gar nicht passen würde, er hätte gut antworten können: Schalke 04. Stand der Traditionsverein doch vor allem für Emotionen und Unruhe – und für Funktionäre wie Rudi Assauer oder Clemens Tönnies, die sich nicht gerade dadurch durch Zurückhaltung der Öffentlichkeit auszeichneten.
Doch manchmal scheinen sich Gegensätze tatsächlich anzuziehen. Baumann wird ab dem 1. Juli in Gelsenkirchen Sportvorstand werden und somit eine Aufgabe übernehmen, die anspruchsvoller kaum sein könnte. Der 49-Jährige soll dafür sorgen, dass Schalke endlich wieder das wird, was es in der Wahrnehmung der Fans immer war: ein fester Bestandteil der Bundesliga – der Ersten, versteht sich. „Ich sehe auf allen Ebenen einen großen Willen, Schalke strukturell, strategisch und natürlich auch sportlich weiterentwickeln zu wollen. Ich freue mich, diese Themen anzupacken. Unsere Ambition ist klar: Wir wollen Schalke dauerhaft zurück in die Bundesliga führen“, erklärte er.
Dies zu erreichen, ist jedoch im Vergleich zu den Herausforderungen, die Baumann in Bremen zu bewältigen hatte, eine Herkulesaufgabe. Bei Werder, wo er zehn Jahre als defensiver Mittelfeldspieler quasi zum Inventar gehört hatte, war er nur ein halbes Jahr nach der Beendigung seiner aktiven Laufbahn, 2010 Assistent des damaligen Geschäftsführers Klaus Allofs geworden. Ein Jahr später übernahm er zusätzlich die Leitung der Scouting-Abteilung.
Wiederum zwölf Monate darauf wurde er Direktor Profifußball. Nach einem vorübergehenden Rückzug, da mit Thomas Eichin, dem Nachfolger von Allofs, wurde er 2016 selbst zum Geschäftsführer Sport berufen. Sieben Jahre füllte er diese Funktion aus. In diese Zeit fiel auch eine schwere Krise. 2021 musste Werder aus der ersten Liga absteigen – genauso wie Schalke. In der darauffolgenden Saison stiegen beide Vereine wieder auf. Doch während Schalke nur eine Saison später erneut in die zweite Liga musste, etablierten sich die Bremer wieder im Oberhaus.
Schalke von Baumann überzeugt
Dies dürfte für Axel Hefer, den Aufsichtsratschef der Schalker, der entscheidende Grund gewesen sein, Baumann zu holen. „Frank Baumann bringt genau das mit, was Schalke 04 braucht, um seine sportlichen Ziele in Zukunft zu erreichen“, sagte Hefer. Denn der wisse „ganz genau“, wie „man eine Erfolg versprechende Struktur aufbaut.“
Was Hefer unerwähnt ließ: Die Schalker und vor allem er selbst schienen das bislang offenbar nicht zu wissen. Allein die Tatsache, dass nun wieder ein Sportchef auf Vorstandebene kommen wird, ist die Quintessenz aus seiner Fehleinschätzung. Denn der Posten war verwaist, seit Peter Knäbel zum Jahresende 2023 zurückgetreten war. Knäbel, der den Neuaufbau vor dem Wiederaufstieg 2022 gestaltet hatte, spürte, dass ihm Hefer nicht mehr vertraute. Und der hatte geglaubt, überhaupt keinen Sportvorstand mehr zu brauchen. Die Position wurde nicht nachbesetzt.
Dies sollte sich als Fehler herausstellen. Der Versuch, den Verein mit dem Ex-Profi Marc Wilmots als Sportdirektor auf Kurs zu bringen, scheiterte grandios: Wilmots, der im Januar 2024 kam, musste nach nur acht Monaten wieder gehen. Zuvor hatte es „unterschiedliche Auffassungen“ gegeben - sowohl mit dem Aufsichtsrat als vor allem auch mit Kaderplaner Ben Manga, der im vergangenen Mai dazu gekommen war. Manga leistete sich zudem öffentliche Auseinandersetzungen mit dem damaligen Trainer Karel Geraerts, den Knäbel noch verpflichtet hatte. Schalke drohte erneut im Chaos zu versinken. Auch um diesem Eindruck entgegenzuwirken, wurde mit Youri Mulder ein „Interimssportdirektor“ installiert, der vornehmlich die Öffentlichkeit beruhigen sollte.
Schalke braucht klare Ausrichtung
Baumann wird also einiges zu tun bekommen, um Schalke eine klare Ausrichtung zu geben. Immerhin hat er Planungssicherheit. Denn im Gegensatz zu vergangenen Saison, als die Königsblauen erst am drittletzten Spieltag den Klassenverbleib sicherstellen konnten, dürfte bei aktuell nichts mehr anbrennen. Vor dem Spiel beim Tabellenschlusslicht Jahn Regensburg am Sonntag (13.30 Uhr/live Sky) hat zehn Punkte auf den Relegationsplatz. Der große personelle Umbruch, der sowohl aus sportlichen wie aus wirtschaftlichen Gründen nötig ist, kann beginnen.
Eingeleitet wurde er bereits. Verteidiger Timo Becker kehrte im Hinblick auf die kommende Saison von Holstein Kiel zurück. Allerdings wurde mit Mehmet Aydin, Marcin Kaminski und Tobias Mohr auch die drei Stammkräften mitgeteilt, dass ihre auslaufenden Verträge nicht verlängert werden. Offen ist, ob Trainer Kees van Wonderen, der erst im Oktober die Nachfolge von Geraerts angetreten war, bleiben wird. Möglich ist auch, dass es im Sommer zu weiteren Spieler-Abgängen kommen wird – wie beispielsweise der von Torjäger Moussa Sylla. Der Franzose war erst im vergangenen Sommer verpflichtet worden war und hat in der laufenden Spielzeit neun Treffer erzielt hat.
Schalke steht unter einem erheblichen Sparzwang. Es gibt ein Einnahmeproblem, das sich in der kommenden Saison noch verschärfen dürfte, wenn die TV-Einnahmen gegenüber der aktuellen Spielzeit noch einmal erheblich sinken dürften.
Der Versuch, mittels einer Fördergenossenschaft, an der die Fans Anteile erwerben können, an frisches Geld zu kommen, um die immer noch hohen Verbindlichkeiten zu reduzieren, läuft eher schleppend an. Seit dem Beginn der Aktion am 22. Januar sollen etwa 7.500 Mitglieder und Förderer davon Gebrauch gemacht haben – was einem Zeichnungswert von über sieben Millionen Euro entspricht. Der FC St. Pauli hatte mit einem vergleichbaren Genossenschaftsprojekt innerhalb von viereinhalb Monaten über 27 Millionen Euro eingenommen. Diese Marge zu erreichen, erscheint für die Schalker eher unwahrscheinlich.
Baumann weiß, dass seine Aufgabe nicht leicht sein wird. „Wir haben viel zu tun, da müssen wir nicht herumreden“, sagte er. Er freue sich aber auf die Herausforderung. „Ich bin überzeugt: Mit unseren Fans, den Mitarbeitenden und der Energie des Vereins können wir gemeinsam etwas bewegen“, äußerte er sich optimistisch im Hinblick auf die Zukunft – die derzeit allerdings noch sehr ungewiss erscheint.
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