Hier bestimmt das Wetter die Kreuzfahrt-Route
Wer den Begriff Azorenhoch erfunden hat, muss unverschämtes Wetterglück gehabt haben. Uns ist das nicht beschieden. Kein Wunder, diese neun Inseln mitten im Atlantischen Ozean, geformt von den Launen der Natur, liegen in einer brodelnden Wetterküche mit ziemlich launischen Köchen. Und so erleben wir alle Arten von Wetter: Regen, Nebel, Sturm, Sonnenschein und ein wild bewegtes Meer. Das heißt, dass unser kleines Kreuzfahrtschiff, die „MS Hamburg“, wegen Sturmwarnungen öfter mal eine andere Route fährt als geplant.
Gleich zu Beginn fällt der Stopp auf der Insel São Jorge den über vier Meter hohen Wellen zum Opfer. Dafür haben wir mehr Zeit für die Hauptinsel São Miguel und ihre Hauptstadt Ponta Delgada. Guide Frederic Horman macht uns wenig Hoffnung auf Wetterbesserung. Gerade mal zwölf komplett wolkenlose Tage gäbe es pro Jahr auf São Miguel, sagt der 29-Jährige. Kein Wunder bei 88 Prozent Luftfeuchtigkeit.
Aber was ist mit dem Azorenhoch? Frederic lacht. Das legendäre Hoch sei verantwortlich fürs schöne Wetter im gut 1000 Kilometer entfernten Europa, erklärt er. „Aber nicht für schönes Wetter bei uns!“
Auch wegen des feuchtwarmen Klimas waren die Azoren früher die Kornkammer Portugals, heute ist der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig für die rund 250.000 – zumeist katholischen – Einwohner. 2023 wurden die Inseln bei den World Travel Awards zum besten Abenteuerziel der Welt gekürt. Im selben Jahr kamen 1,2 Millionen Touristen, und es werden immer mehr – auch dank der Kreuzfahrtschiffe, die öfter Ponta Delgada anlaufen.
São Miguel: Exotische Pflanzen und Thermalseen
Die unglaubliche Vielfalt der Pflanzen auf São Miguel lässt sich am besten im 200 Jahre alten Garten Terra Nostra in Furnas mit seinen Baumfarnen und Kamelienbäumen, den Ananasgewächsen und Tulpenbäumen bewundern. Unter dem Herrenhaus kann man im eisenhaltigen, golden schimmernden Thermalsee baden gehen.
Überhaupt blubbert es in Furnas an einigen Stellen wie in einer Hexenküche, und zwischendurch stinkt es höllisch nach Schwefel. Hier befinden wir uns mitten in einem Krater mit einem eigenen Mikroklima und heißen Mineralquellen.
Auf dem Schiff kommen die Gäste ins Gespräch. Viele sind Stammgäste oder waren schon auf anderen Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Warum die „MS Hamburg“, die gerade mal Platz für 400 Gäste bietet? Weil ein kleineres Schiff viel überschaubarer ist, sagt ein älterer Mann aus Norddeutschland. Und seine Frau lobt die familiäre Atmosphäre an Bord. „Hier sind wir keine Nummern!“
Die Nacht wird ruckelig, keine guten Aussichten für die Walbeobachtung am nächsten Vormittag in Horta auf der Insel Faial. Gisela Dionisio, Tiago Lima und José Nun Pereira von der Atlantic Naturalist Association wollen trotz der hohen Wellen mit dem Zodiac herausfahren. Die drei sind Meeresbiologen und engagierte Klimaschützer. Ihre Forschungsarbeiten werden von den Geldern der Touristen, die auf eine Walbeobachtungstour gehen, unterstützt.
Heute ist außer einem grauen Walrücken und spielenden Delfinen wenig zu sehen. Zu grau ist das Meer, zu hoch schlagen die Wellen. Immer wenn wir eine Fontäne sehen, die ein Wal ausbläst, ist das Tier hinter der Welle. Und wenn wir den Wellenberg überwunden haben, versteckt sich der Wal schon wieder hinter dem nächsten. „Dies hier ist Natur“, sagt José.
Die Weltumsegler, die sich seit mehr als 100 Jahren im legendären „Peter Café Sport“ zu einem Gin Tonic treffen, lassen sich von Sturmwarnungen die gute Laune nicht verderben. Auch auf dem Schiff verdunkeln die grauen Wolken nicht die Stimmung. Dafür sorgt schon die Kochbrigade. Beim Galadinner zeigen Köche und Kellner, was sie drauf haben. Selbst ein bayerisches Büfett mit Bier, Spanferkel und Weißwürsten meistern sie locker.
Pico: Eine Insel mit zwei Gesichtern
Pico, die graue Insel, steht nicht auf unserem Programm. Aber das stürmische Wetter zwingt wieder einmal zu einer Umroutung. Also Pico statt Graciosa. Weil wir mit der Fähre auf die Insel fahren, müssen wir früh aufstehen. Es lohnt sich: Die karge Insel, auf der bis 1984 Walfang betrieben wurde, zeigt, wie es Menschen auch bei widrigen Umständen geschafft haben zu überleben. Zwischen Mauern aus Vulkangestein wächst Wein – am Boden entlang.
Es regnet, Nebelfetzen hängen am mit 2350 Metern höchsten Berg der Azoren, dem Pico. Von ihm hat die Insel ihren Namen. Wir fahren durch eine Urlandschaft mit Lorbeer, Baumheide, Wacholder. So hat es hier wahrscheinlich schon vor Tausenden von Jahren ausgesehen.
Am Strand, wo die „Sommerhäuser“ der Portugiesen in einer spektakulären Vulkanlandschaft stehen, brechen sich die Wellen im Felslabyrinth. Und ausgerechnet auf dieser teilweise so unwirtlichen Insel steht der zweitälteste Drachenbaum der Welt – den ältesten reklamiert die Kanareninsel Teneriffa für sich. Gleich daneben bilden viele Drachenbäume einen natürlichen Irrgarten. Sie stehlen dem Weinmuseum im Kloster fast die Schau.
Pico mit seinen zwei Gesichtern, dem sattgrünen und dem grauen, könnte sinnbildlich für die Azoren mit ihren Sonnen- und Schattenseiten stehen. Vor mehr als 700 Jahren wurde der Archipel von Portugiesen besiedelt und die Inseln bekamen den portugiesischen Namen „Ilhas dos Acores“, Habicht-Inseln. Dass es Mäusebussarde waren und keine Habichte, die damals die Entdecker über den Inseln kreisen sahen, änderte nichts mehr am Namen dieses „paradiesischen Außenpostens Europas“, als den die Azoren sich heute sehen.
Terceira: Welterbe-Städtchen und mystische Seen
400 Jahre lang lag die Hauptstadt auf Terceira. 55.000 Einwohner leben heute auf der nach São Miguel und Pico drittgrößten Azoren-Insel, die als dritte (terceira) Insel entdeckt wurde und ursprünglich Ilha de Jesus Cristo hieß. Die Hauptstadt Angra do Heroísmo mit ihrer Renaissance-Architektur ist Unesco-Welterbe.
Doch auch die Natur hat sich auf der Insel ausgetobt. Wo sonst kann man in den Schlund eines Vulkans hinabsteigen? Ohne Fahrstuhl in die Tiefe geht es im Algar do Carvão. 200 Stufen führen hinunter zu einem kleinen Vulkansee, vorbei an von Moos und Farnen überwucherten Basaltwänden, bläulich schimmernden Felsen, an tropfenden Stalaktiten. Eine Wunderwelt, auf die durch den offenen Vulkanschlot fast mystisches Licht fällt.
Und dann sind da noch die Biscoitos, vom Meerwasser und den Vulkanen geformte Naturbecken, in denen das Wasser aufschäumt – wie in einer Badewanne. Terceira ist unsere letzte Azoren-Insel. Auch für die nächste Station musste umgeplant werden. Santa Maria entfällt. Die „MS Hamburg“ nimmt Kurs auf Porto Santo, Madeiras kleine Schwester und eine Welt für sich, ganz anders als die Azoren.
Weitere Informationen: Tourismusverband der Azoren, visitazores.com/de
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Plantours Kreuzfahrten (plantours-kreuzfahrten.de). Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.
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