Nicht selten in Deutschland sind Lebensläufe stringent und führen von der Lehre über den erlernten Beruf bis zur Rente. So auch bei Daniel Jochheim: Der 38-Jährige ist gelernter Industriemechaniker, arbeitet als Leuchtturmwärter auf Wangerooge und organisiert dort neuerdings Hochzeiten. Wir sprachen mit ihm über die Reize seines Berufs und die der Nordseeinsel.

WELT: Sind Sie ein Romantiker?

Daniel Jochheim: Das muss ich wohl sein, immerhin arbeite ich seit einem Jahr auf einem über hundert Jahre alten Leuchtturm. Und dort richte ich ab diesem Frühjahr auch Hochzeiten aus, die hoffentlich für alle Beteiligten sehr romantisch sein werden.

WELT: Sie sind jetzt also auch noch Standesbeamter Wangerooge?

Jochheim: Nein, dazu müsste ich eine Ausbildung als Verwaltungsangestellter haben. Ich komme aus der Industrie, was mir bei der Wartung und Instandhaltung unseres historischen Leuchtturms zupasskommt, mir aber nicht erlaubt, standesamtliche Trauungen vorzunehmen. Doch kürzlich habe ich eine Ausbildung für freie Hochzeiten erfolgreich absolviert und werde noch im April die erste Zeremonie im Leuchtturm leiten. Hoffentlich haben wir eitel Sonnenschein.

WELT: Das ist dem Paar zu wünschen. Aber selbst bei Regen ist die Aussicht aus dem Trauzimmer in 34 Metern Höhe sicherlich spektakulär.

Jochheim: Meine Hochzeitsgesellschaft wird sogar noch etwas höher im Turm sein – auf der Aussichtsplattform. Das darunter liegende Trauzimmer ist allein standesamtlichen Trauungen vorbehalten. Freie Hochzeiten, wie ich sie ausrichte, sind Zeremonien, bei denen sich Paare ihre Liebe versprechen oder sie nochmals bekräftigen, und das oft im Kreis der liebsten Verwandten und engsten Freunde. Dafür ist die offene Aussichtsplattform, wo bis zu 30 Gäste miteinander anstoßen können, perfekt.

WELT: Wie sind sie auf die Hochzeitsidee gekommen?

Jochheim: Meine Frau brachte mich darauf. Sie ist Hochzeitsfotografin und hat einen Blick für romantische Locations wie eben die Aussichtsplattform des Leuchtturms. Solch ein Bauwerk gibt es nicht in unserer alten Heimat Sauerland.

WELT: Alte Heimat? Das klingt, als richteten Sie sich auf Wangerooge für die Ewigkeit ein.

Jochheim: Ich bin jetzt 38 und will bis zur Rente Leuchtturmwärter bleiben.

WELT: Ein sportliches Ziel. Ich las, dass der Leuchtturm 163 Stufen hat, und Sie müssen bestimmt ein-, zweimal am Tag bis nach oben steigen.

Jochheim: An manchen Tag steige ich sogar sechs-, siebenmal hinauf, etwa, wenn es etwas zu reparieren gibt. Dann schaue ich noch ein paar Minuten aufs Meer und bin glücklich, hier zu sein.

WELT: Dass der Ausblick aus 39 Metern Höhe viele Touristen zu Ihnen auf den Leuchtturm lockt, ist verständlich. Aber Sie werden bis zur Rente in 30 Jahren nichts anderes sehen als immer nur Nordsee, Häuser, Strand. Könnte auf Dauer doch etwas langweilig werden.

Jochheim: Niemals. Schon, weil der Blick von oben immer ein anderer ist – allein das Farbenspiel des Meeres, der Trubel am Strand, der Schiffsverkehr. Auf Wangerooge zu leben, ist wie ein Sechser im Lotto.

WELT: Also doch ein Traumjob, so wie es damals in der Anzeige der Gemeinde Wangerooge stand. Wie haben Sie sich im April 2024 eigentlich gegen die anderen 1100 Bewerber aus dem In- und Ausland durchsetzen können?

Jochheim: Es gab mehrere Bewerbungsrunden, online und vor Ort. Ich konnte meine Ausbildung als Industriemechaniker in die Waagschale werfen. Denn handwerkliches Können ist hier gefragt, ich muss ja den Turm und den Außenbereich in Schuss halten.

Auch an der Kasse sitzen, Tickets verkaufen und durch die Ausstellung führen gehört zu meinen Aufgaben. Zu 90 Prozent ist der Job als Leuchtturmwärter so, wie ich ihn mir vorgestellt habe, und zu zehn Prozent noch viel besser.

WELT: Wohnen Sie eigentlich direkt im Turm?

Jochheim: Nein, dafür fehlt der Platz. Über die Gemeinde haben wir eine Wohnung auf der Insel gefunden. Der Leuchtturm ist seit 1969 nicht mehr in Betrieb und seit 1980 ein Museum.

WELT: Dürfen Sie sich trotzdem Leuchtturmwärter nennen?

Jochheim: Keine Ahnung. Aber da ich den Leuchtturm innen und außen tatsächlich warte, ist der Begriff Leuchtturmwärter sicher nicht anmaßend. Soviel ich weiß, gibt es in ganz Deutschland keine „echten“ Leuchtturmwärter mehr. Der Letzte, auf dem Leuchtturm Dornbusch auf der Ostseeinsel Hiddensee, hat 1998 seinen Dienst quittiert. Der hat 37 Jahre durchgehalten und den Stürmen getrotzt.

WELT: Wie viele Stürme haben Sie schon auf Wangerooge erlebt?

Jochheim: Ach, Wangerooger zählen die Stürme nicht. Solange die Fähre noch ablegen kann, ist alles nur Wetter. Bleiben die Boote im Hafen, haben wir Orkan – und trinken Friesentee.

WELT: Klingt gemütlich. Sie haben jetzt schon alle vier Jahreszeiten auf der Insel erlebt, welche ist ihnen die liebste?

Jochheim: Der Frühsommer. Im Mai, Juni herrschen auf der Insel schon sehr milde Temperaturen um die 15 Grad, die Sonne scheint durchschnittlich sieben Stunden täglich. Die Insel ist aber noch nicht voll – ein toller Reisemonat!

WELT: Auch zum Baden?

Jochheim: Ansichtssache. 16, 17 Grad hat die Nordsee im Frühsommer. Ich habe jahrelang als Rettungsschwimmer gearbeitet, mir macht das nichts aus.

WELT: Wie würden Sie Wangerooge, was Strände und touristische Infrastruktur angeht, im Vergleich zu den anderen ostfriesischen Inseln bewerten?

Jochheim: Gar nicht. Wangerooge als östlichste der sieben bewohnten Ostfriesischen Inseln gehört als einziges Eiland der Inselkette nicht zum historischen Territorium Ostfriesland, sondern ist historisch Teil des friesischen Jeverlandes und des Landes Oldenburg. Deshalb flattert hier auch die blaue Fahne mit dem roten Kreuz am Leuchtturm.

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