Fünf Gründe, warum sich Hanoi lohnt
Heroisches Hanoi
Eine kommunistische Akropolis. So zumindest wirkt von Weitem der strenge Säulenbau von 1975, der sich über wuchtigen Steinquadern erhebt. Das Ho-Chi-Minh-Mausoleum in der Acht-Millionen-Metropole Hanoi, wo der Leichnam des kommunistischen Volkshelden und Präsidenten Nordvietnams einbalsamiert in einem Glassarg ruht, ist Pflichtprogramm für Vietnamesen, und auch westliche Touristen sollten sich diesen Ort nicht entgehen lassen, eben weil er so merk- wie denkwürdig ist.
Ein Besuch ist eine Art Zeitreise in die revolutionäre Ära, in die Zeit der Teilung des Landes, die im heutigen Vietnam mit seinen kapitalistischen Glitzerfassaden und der blühenden Privatwirtschaft geradezu anachronistisch wirkt.
Fotografieren ist hier streng verboten. Uniformierte in weißen Paradeuniformen achten strikt darauf, dass Besucher alle Regeln einhalten und den Sarkophag ebenso respektvoll wie zügig umrunden. Dennoch wirkt das Publikum nicht eingeschüchtert, eher neugierig-gelassen.
Anschließend lohnt sich ein Spaziergang durch den nahegelegenen Park des Präsidentenpalastes. Das honiggelb gestrichene Kolonialgebäude mit den azurblauen Rundbogenfenstern ist das Werk eines deutschen Architekten, diente bis 1954 als Residenz des kolonialen französischen Gouverneurs und danach als Präsidenten-Amtssitz. Da „Onkel Ho“, wie Ho Chi Minh bis heute genannt wird, jedoch jeglichen Pomp ablehnte (die Aufbahrung im Mausoleum geschah gegen seinen Willen), lebte er lieber in einem einstöckigen Holzbungalow mitten im Park. Das Haus kann von außen besichtigt werden.
„Frühmorgens ging Onkel Ho immer hinüber zu dem kleinen See, wo die Fische schon auf ihn warteten und sich an der Oberfläche des Wassers tummelten.“ Was die Guides in allen Weltsprachen erzählen, mag eine parteifromme Legende sein, ist aber zumindest nicht martialisch wie die Architektur des Mausoleums.
Auch werden in den Shops, die den Weg zum Parkausgang flankieren, nicht etwa Miniaturpanzer zum Vietnamkrieg feilgeboten. Stattdessen gibt es Büsten von Onkel Ho, Porzellanvasen und T-Shirts, auf denen sein Konterfei ebenso aufgedruckt ist wie das von Konfuzius – oder Blumen und Bären.
Sogar im ehemaligen Hoa-Lo-Gefängnis, wo der Widerstandskampf gegen die Franzosen und dann gegen die Amerikaner pathetisch gefeiert wird, gibt es Friedliches zu sehen: John McCain, 1967 als junger Kampfpilot bei Hanoi abgeschossen und an diesem Ort für Jahre inhaftiert, kehrte später als US-Senator just hierher zurück, zu einem Treffen der Versöhnung. Ein großformatiges Schwarz-Weiß-Bild zeigt diesen Moment.
Entspannt und gänzlich ohne Pflicht-Guides lässt sich auch die eindrucksvolle Zitadelle Thang Long besuchen, einst als „Verbotene Stadt“ Sitz des vietnamesischen Kaiserhofs. Danach kamen die Franzosen und bauten ihre Gebäude, von denen zwei bis 1975 den Generalstab der nordvietnamesischen Armee und das Politbüro der Staatspartei beherbergten.
Doch auch hier: Flanieren statt paradieren, ein gelassenes Hinein und Hinaus beim Besichtigen der beeindruckenden Palastanlagen und des einstigen Armeebunkers. Dort steht in einer Vitrine übrigens ein Exponat aus der DDR, ein Telefon aus hellgrauer Hartplaste, auf dessen Wählscheibe zu lesen ist: Deutsche Volkspolizei – 110.
Hedonistisches Hanoi
Mag die Staatspartei auch weiterhin politisch die Zügel straff in der Hand halten – wirtschaftlich gibt sie lange Leine. Und tatsächlich: Die Vietnamesen shoppen noch und nöcher, kaum zu glauben, dass Hanoi die Hauptstadt eines offiziell kommunistischen Landes ist! In der Innenstadt scheint jede Trennung zwischen Ost und West aufgehoben. Reisende aus aller Welt und einheimische Hipster begutachten modischen Fummel, feinste Seidenmode und die Keramik, für die Hanoi berühmt ist: modernstes Essgeschirr in allen Größen und Farbnuancen.
Schnäppchenjäger wären hier freilich ebenso fehl am Platz wie Flatrate-Trinker: Das abendliche Treiben in den Bars und Cafés rund um den Hoan-Kiem-See bietet zwar Cocktails und unzählige Flirtmöglichkeiten, jedoch – zum Glück – keine Lokale im Ballermann-Stil. Das gilt auch für die angesagten Clubs wie „Wasabi“, „Hero“ oder „1900 Hanoi“: Dance-Floor-Sounds, keine Billigdrinks, niemand in Bermudas und Trekkingsandalen. Dafür an den langen Theken in den Bars stets ein feiner Duft von Dior.
Wie sich die einst kriegsversehrte und dazu noch planwirtschaftlich malträtierte Stadt verändert hat, zeigt auch ein Spaziergang durch das Viertel zwischen der Oper, 1901 nach Pariser Vorbild erbaut, und der neogotischen St.-Josephs-Kathedrale. Diverse Shops bieten hier alte Propagandaposter an, die in Sowjetästhetik Kampf und Aufopferung propagieren. Doch gleich nebenan, bei einer Rast auf den Balkonen der instagramtauglichen Cafés, wogt an den Tischen und unten auf der Straße ein hippes Völkchen: Gefühlt jeder hier hat ein Smartphone in der Hand und mindestens jeder Zweite posiert für Selfies.
Schöne Bilder und obendrein Nervenkitzel verspricht hingegen die berühmte Train Street, durch die der Schnellzug Hanoi–Saigon rattert – ganz nah an den Fassaden der zweistöckigen Häuser vorbei. An Cafétischen auf dem Gehweg direkt neben dem Gleis können Besucher bei einem Mai-Tai-Cocktail direkt in die Abteile hineinlinsen – allerdings mit der nötigen Vorsicht.
Seit es zu Unfällen mit Touristen kam, wird die Train Street immer wieder für Fremde gesperrt. Doch es gibt einen Trick: Man wartet als Urlauber vor einer bewachten Barriere, bis ein lokaler Cafébesitzer kommt und einen zu seinem Lokal in der Train Street geleitet. Als Dankeschön sollte der Gast mindestens ein Getränk in dem Café bestellen, anschließend kann er die Train Street weiter erkunden.
Kulinarisches Hanoi
Pho, ausgesprochen Fa, ist längst ein vietnamesischer Exportschlager, im November wurde Hanois Pho zum nationalen Kulturerbe erklärt. Am besten schmeckt die würzige, mit Chili, Sprossen, Ingwer und frischen Kräutern verfeinerte Brühe mit hausgemachten Nudeln in den überall in Hanoi präsenten Garküchen. Und in jenen Altstadtrestaurants, die mit ihren Kachelwänden, den niedrigen Tischen und Plastikhockern zwar nicht gerade edel wirken, aus denen es aber köstlich duftet.
Nicht zufällig wählten US-Präsident Barack Obama und Fernsehkoch Anthony Bourdain während ihrer Hanoi-Besuche eines dieser durchaus lauten, von zufriedenen Schmatzgeräuschen durchdrungenen Lokale, um authentische Pho zu genießen. Im „Bun Cha Huong Lien“ zeugen gerahmte Fotos von dem hochkarätigen Besuch; der Tisch und die beiden Stühle, auf denen die Prominenten damals saßen, sind in einer Vitrine ausgestellt.
Für den berühmten vietnamesischen Egg Coffee (dank Eigelb und Salz ein interessantes Geschmackserlebnis) empfiehlt sich hingegen das „Café Goethe“ neben dem Deutschen Kulturinstitut. Draußen steht ein mobiler Dönerstand, der mit Schweinefleisch und lokalem Brot die türkisch-deutsche Spezialität quasi „vietnamisiert“ hat – zum Vergnügen jener Deutsch lernenden Mittelschicht-Studenten, die ihre Döner-Selfies dann sogleich auf Instagram posten.
Historisches Hanoi
Für die Altstadt war die sozialistische Mangelwirtschaft der 50er- bis 80er-Jahre ein Segen: Es fehlte schlicht das Geld, um alte Häuser abzureißen und durch Plattenbauten zu ersetzen. Der architektonische Reiz des Quartiers ist daher gut erhalten. Den machen vor allem die länglichen Häuser mit schmaler Fassade aus, die sich weit nach hinten erstrecken.
Die Wohnungen und Geschäfte darin sind durch interessante Höfe erreichbar, die mit Fahrrädern, Hühnerkäfigen und Topfpflanzen vollgestellt sind, durch die man einfach bummeln kann. Wer dabei respektvoll auftritt, kann sich in dieser Welt verlieren, ohne beispielsweise die alten Damen mit ihren typischen Kegelhüten zu verärgern, die in den Höfen sitzen.
Argwöhnisch blickt dagegen das Wachpersonal im Botschaftsviertel mit seinen Gebäuden aus der französischen Kolonialvergangenheit. Hinter den Eisenzäunen zeigen sich Palmen und hell gestrichene Häuser mit Veranden und umlaufenden Balkonen. Spannend: Die heutige Deutsche Botschaft ist in einer repräsentativen Villa untergebracht, die bis 1990 als Vertretung der DDR diente.
Umland von Hanoi
Die Gegend unmittelbar um Hanoi ist größtenteils flach, zersiedelt und wenig reizvoll. Lohnenswert ist allerdings ein Ausflug nach Nom, ein typisch nordvietnamesisches Dorf mit einer über 300 Jahre alten Pagode. In einem kleinen See tummeln sich Koi-Karpfen, Banyan-Bäume spenden Schatten, gelegentlich erklingt ein Gong. Vor einer Galerie buddhistischer Heiligenfiguren sind Mineralwasserflaschen und Schokoriegel als Opfergaben drapiert. Ein Ort der Besinnung und Entspannung.
In Quang Phu Cau, 40 Kilometer von Hanoi entfernt, finden sich Besucher in einer gänzlich anderen Welt wieder. In Vietnams Räucherstäbchen-Hauptstadt herrscht geschäftiges Treiben. Bambusstangen werden in offenen Werkstätten in millimeterdünne Stifte geschnitten, gefärbt, zum Trocknen aufgestellt, schließlich zu Räucherstäbchen verarbeitet und in Sträußchen angeordnet. All das ist derart quietschbunt, dass sogar amerikanische Influencerinnen hierher pilgern, um sich auf bereitgestellten Stühlchen inmitten der Pracht fotografieren zu lassen.
Nicht verpassen sollte man Duong Lam, anderthalb Fahrstunden von Hanoi entfernt. Im Delta des Roten Flusses gelegen, ist es das erste Dorf in Vietnam, das 2014 von der Unesco für sein kulturelles Erbe ausgezeichnet wurde (für den Weltkulturerbe-Titel hat es allerdings nicht gereicht). Die vor fast 400 Jahren erbauten Häuser haben alle politischen Wechselfälle unbeschadet überstanden.
Hier stellt sich nach dem Gewusel der Großstadt ein Gefühl stiller Einkehr ein – beim Wandeln durch die engen, von Licht-und-Schatten-Mustern gefleckten Gassen, bei der Rast am Dorfbrunnen, in der Pagode oder der kleinen katholischen Kirche. Bis dann wieder ein Pagoden-Gong zu hören ist, dazu Kinderlachen, Geräusche anfahrender Mopeds und startender Kleinwagen. Wohin sie alle fahren? Die Antwort: „Nach Hanoi!“
Tipps und Informationen:
Anreise: Nonstop fliegt Vietnam Airlines von Frankfurt/Main nach Hanoi, Umsteigeverbindungen bieten beispielsweise Singapore Airlines via Singapur oder Thai Airways via Bangkok.
Unterkunft: Etwa im „Grand Mercure Hanoi“, Fünf-Sterne-Haus mit Pool auf dem Dach, Doppelzimmer ab 120 Euro (all.accor.com), oder im „Hanoi Boutique Hotel & Spa“, drei Sterne, Doppelzimmer ab 50 Euro (hanoiboutiquehotel.vn).
Rundreisen: Enchanting Travels bietet maßgeschneiderte Individual- und Gruppenreisen nach Vietnam, auch als Paket mit Kambodscha buchbar, eine 17-Tage-Reise mit Start in Hanoi kostet beispielsweise ab 3790 Euro pro Person ohne internationale Flüge (enchantingtravels.com/de/). Bei Lernidee Erlebnisreisen ist „Vietnams wunderbares Welterbe“ buchbar, 15-tägige Zugreise im Komfort-Sonderzug von Hanoi bis Ho-Chi-Minh-Stadt/Saigon, ab 10.500 Euro pro Person inklusive Flug (lernidee.de); bei Studiosus kostet die 16-Tage-Tour „Vietnam umfassend“ mit zwei Tagen in Hanoi ab 3395 Euro pro Person inklusive Flug (studiosus.com).
Weitere Auskünfte: Städtische Website: sodulich.hanoi.gov.vn/cam-nang-du-lich; Vietnam allgemein: vietnam.travel
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Vietnam Airlines und Enchanting Travels. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.
Dieser Artikel wurde erstmals im Januar 2025 veröffentlicht.
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