Rund jeder dritte Deutsche über 18 ist Single, Tendenz steigend. Viele dieser Singles verreisen, viele davon allein. Der Markt für Single-Reisen boomt seit Jahren, nicht zuletzt durch Reise-Posts alleinreisender Influencer in sozialen Medien.

Immer mehr Veranstalter stellen sich auf Solo-Urlauber ein – mit gut ausgestatteten Einzelzimmern in Hotels und Clubs, mit Gruppentouren, die speziell für Alleinreisende konzipiert sind, mit einzeln buchbaren Kabinen in Kreuzfahrtschiffen. Eine solche habe ich reserviert. Auf der „Viva Gloria“, einem Flusskreuzfahrtschiff, mit dem ich eine Woche lang auf der Seine von Paris bis zum Ärmelkanal schippern werde. Allein, ohne Reisebegleitung.

Wolken hängen bei meiner Ankunft über Paris, es regnet und stürmt. Beim Betreten des 110 Meter langen Schiffs macht sich ein mulmiges Gefühl breit. Ist es wirklich eine gute Idee, allein unter 120 Mitreisenden zu sein? Werde ich mich einsam fühlen, ohne Anschluss bleiben? Oder werde ich auf der Reise ein Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmtheit erleben, interessante Leute kennenlernen? Immerhin ist dies die erste Solo-Kreuzfahrt, die ich unternehme.

Meine Kabine ist stilvoll eingerichtet, elegant-skandinavisch, aber nicht unterkühlt. Nespresso-Kaffeemaschine und Rituals-Produkte stehen für dezenten Luxus. Mit 15 Quadratmetern kommt mir die Kabine nicht sonderlich groß vor – gut also, sie nicht teilen zu müssen.

Andere Alleinreisende? Fehlanzeige

Als das Schiff sich in Bewegung setzt und vor dem Eiffelturm langsamer wird, bricht die Sonne durch die Wolken und meine Anspannung löst sich. Gefühlt alle Passagiere laufen auf das Oberdeck, um Fotos zu schießen. Wir gleiten vorbei an schönen Pariser Altbaufassaden, urigen Hausbooten und dem futuristischen Kulturzentrum La Seine Musicale, dessen Architektur wie eine Mischung aus Schiff und Ufo wirkt.

Danach nehme ich Platz in der Lounge, wo Kaffee und Kuchen serviert werden. Dass alles an Bord, von der Minibar bis zum Dinner, inklusive ist, fühlt sich für mich noch ungewohnt an. Die Lounge ist ein guter Platz zum Leutebeobachten. Die Mitreisenden sind überwiegend Best-Ager aus Deutschland, die meist als Paare in der Lounge sitzen, viele schweigend. Andere Alleinreisende? Fehlanzeige. Also schnappe ich mir ein Buch und verbringe den Abend in meiner Kabine. Bald wiegt mich das sanfte Schaukeln der Wellen in den Schlaf.

Als ich aufwache, sind wir schon in Les Andelys angekommen, ich öffne meine Balkontür, betrachte das üppig grüne Ufer und die von der aufgehenden Sonne rot gefärbten Wolken. Der Duft von frischem Kaffee und süßem Gebäck strömt mir entgegen.

Das freundlich-entspannte Servicepersonal beim Frühstück ist in Plauderlaune und macht es einfach, sich willkommen und keinesfalls allein zu fühlen. Die Essenszeiten sind flexibel, den Sitzplatz kann ich frei wählen, also nehme ich ein Tischchen am Fenster mit schöner Aussicht und bin guter Dinge. Viel Zeit zum Essen bleibt aber nicht, der erste Ausflug ins Örtchen Les Andelys steht bevor.

Mit auf der Tour ist eine junge Reiseführerin, die uns deutschsprachige Passagiere später im Bus zum Château Gaillard mit Infos über Richard Löwenherz versorgt. Ich sitze allein in einer Zweierbank, genieße es, meine Ruhe zu haben, lasse meine Gedanken schweifen und lausche der Reiseführerin.

An der Burg angekommen erfahre ich bis ins Detail, wie Löwenherz den imposanten Bau 1196 in nur einem Jahr von rund 3000 Handwerkern errichten ließ. Hier und da wechsele ich beim Umherwandern in den Ruinen ein paar Sätze mit anderen Reisenden, fühle mich als Teil der Gruppe – und schon geht es zurück aufs Schiff.

Einzelkabinen wären „diskriminierend“

Weiter geht die Reise durch die Normandie. Die Seine schlängelt sich durch eine liebliche Landschaft, geprägt von grünen Hügeln und weißen Kreidefelsen. Vom Schiff aus sind immer wieder Rebreihen zu sehen, die sich die Flussufer entlangziehen. Die Normandie, vor allem bekannt für Cidre und Calvados, ist auch ein wichtiges Weinbaugebiet.

Auf dieser Reise ist Andrea Kruse mit an Bord, CEO von Viva Cruises. Sie macht sich gern ein eigenes Bild von ihren Schiffen, zehn umfasst die Flotte inzwischen, und vom Publikum. Durch modernes, kitschfreies Design und abwechslungsreiche Menüs mit vegetarischen Komponenten solle ein jüngeres Publikum angesprochen werden, sagt sie. Am Ziel angekommen ist sie aber noch nicht: Das Durchschnittsalter der Gäste liegt bei rund 60 Jahren.

Die wachsende Zahl Alleinreisender, auch auf Flusskreuzfahrten, hat Andrea Kruse im Blick. Für diese Zielgruppe würden gezielt einige Specials angeboten: „Besonders bei unseren Wellness-Fahrten und auf kürzeren Trips sind Reisende unterwegs, die sich einfach mal etwas allein gönnen. Ohne Begleitung zu Reisen ist mittlerweile ganz normal geworden.“

Interessanterweise gibt es bei Viva Cruises keine Einzelkabinen – es wäre „diskriminierend“, weniger Platz zu haben, nur weil man allein unterwegs sei, findet sie. Alleinreisende können eine Doppelkabine buchen und einzeln nutzen, zu einem Preis, der um einiges günstiger ist als eine von zwei Passagieren belegte Kabine.

Fachwerkdörfer und Schafweiden ziehen vorbei

Am Abend sitze ich wieder an meinem Fenstertischchen wie beim Frühstück zwischen Paaren, die sich nicht viel zu sagen haben, und größeren Gruppen, bei denen bessere Laune herrscht. Ich freue mich über mein fabelhaftes Menü, die schöne Aussicht und die Freiheit, mich mit niemandem anschweigen zu müssen.

In Rouen strahlt am nächsten Morgen der blaue Himmel, die Sonne lässt die historischen Fachwerkhäuser und die imposante Kathedrale leuchten, die schon Claude Monet faszinierte. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre, der Besuch im Museum der schönen Künste, den ich auf eigene Faust unternehme, ist großartig. Nach vier Stunden Stadterkundung, bei der mir niemand reinquatscht, wann ich wo zu sein habe, legt das Schiff schon wieder ab.

Weil ich am Abend früh dran bin, suche ich mir fürs Dinner zur Abwechslung eine neue Ecke aus. Ein älterer Herr kommt auf mich zu, legt eine Hand auf einen Stuhl an meinem Tisch, setzt sich jedoch – ohne dass sich unsere Blicke kreuzen – zögerlich an den Nachbartisch. Suchte er Anschluss? Hätte ich ihn einladen sollen, mit mir zu essen? Der Moment ist verstrichen, nun ist es zu spät.

Vom schlechten Gewissen geplagt, lasse ich mich vom aufmerksamen Kellner ablenken, der sich nach den Ereignissen des Tages erkundigt. Erst zwei Tage später, als ich den älteren Alleinreisenden erneut sehe, wird mir klar: Ich hatte ihm, ohne es zu wissen, für einen Abend den angestammten Platz geklaut.

In den nächsten Tagen zeigt sich die Normandie von ihrer schönsten Seite: Entzückende Fachwerkdörfer, eingerahmt von Obstgärten, Schafweiden und sattem Grün, ziehen vorbei, während ich auf dem Sonnendeck liege. Nach ein paar Tagen habe ich endlich ein Gespür dafür entwickelt, Alleinreisende zu erkennen – denn ich bin durchaus nicht die einzige Solo-Urlauberin an Bord.

Die Einsamkeit ist verflogen

Beim Frühstück komme ich mit einer Single-Reisenden über die frischen Croissants ins Gespräch. Wir verabreden, für den Tag Fahrräder vom Schiff auszuleihen, um zusammen das Kunstmuseum von Le Havre zu besuchen. In der Impressionisten-Ausstellung erfahren wir durch das gemeinsame Betrachten der Bilder und das Reden darüber, wie wir denken, wie wir die Welt sehen – ich habe erstmals auf der Reise das Gefühl von Vertrautheit.

In den nächsten Tagen greifen wir unser Gespräch bei Ausflügen immer wieder auf, wir essen zusammen, tauschen Reisetipps. Jedes Gefühl von Einsamkeit ist verflogen. Den letzten Stopp legt unser Schiff in Vernon ein, das berühmt ist für seine historische Mühle über der Seine. Der anschließende Busausflug zum Garten von Claude Monet ist mein Highlight des Trips. Unsere Reisegruppe schlängelt sich entlang von Seerosenteichen und blühenden Beeten.

Aber in einem unaufmerksamen Moment verliere ich die Gruppe. Ich bin plötzlich ganz allein – und fühle mich in diesem Moment alleingelassen. Das mulmige Gefühl ist wieder da! Mir wird klar: Alleinsein fühlt sich nur so lange gut an, wie man es sich selbst aussucht.

Am Bus treffe ich die Gruppe zum Glück wieder. Ein gutes Gefühl, in inzwischen vertraute Gesichter zu blicken! Zurück auf dem Schiff genieße ich die letzte Nacht auf der Seine und freue mich, meine Kabine für mich allein zu haben.

Morgens, beim Frühstück, suche ich, anders als am Anfang der Reise, gezielt Anschluss. Ich bin gut gelaunt und denke, ich würde wieder allein auf Kreuzfahrt gehen, aber schneller auf andere Alleinreisende zugehen. Denn der Austausch über Land und Leute, über gemeinsam Erlebtes, gehört zum Reisen einfach dazu.

Tipps und Informationen:

Preisbeispiele Flusskreuzfahrten in Europa: 7-Nächte Kreuzfahrt „Seine-Romantik“ an Bord der „Viva Gloria“ von Paris über Rouen, Le Havre, Les Andelys und Vernon all-inclusive ab 2373 Euro bei Einzelbelegung in der Doppelkabine und ab 1650 Euro pro Person in einer Doppelkabine mit Doppelbelegung (viva-cruises.com).

8-Tage Kreuzfahrt „Donau Rhapsody“ an Bord verschiedener „Amadeus“-Schiffe von Passau über Wien, Budapest, Linz zurück nach Passau ab 1689 Euro pro Person in der Doppelkabine, kein Einzelkabinenzuschlag an ausgewählten Terminen (amadeus-flusskreuzfahrten.de).

Preisbeispiele Flusskreuzfahrten in Europa in Asien: Auf der Plattform rivero.de (angeboten vom deutschen Veranstalter geoplan-reisen.de) finden sich diverse Flusskreuzfahrten auf asiatischen Flüssen wie Mekong oder Ganges, Doppelkabinen können hier auch zur Einzelnutzung gebucht werden, sie kosten für Solo-Passagiere rund 75 Prozent des Preises einer Doppelkabine. Eine 8-tägige Mekong-Flusskreuzfahrt auf dem Schiff „Jayavarman“ der Heritage Line kostet bei Einzelnutzung ab 5870 Euro bzw. ab 3940 Euro pro Person in der Doppelkabine.

Reiseanbieter, die weltweit auf Single-Reisen spezialisiert sind: bergemeer.de/thema/singlereisen, rotel.de/singlereisen.html, wikinger-reisen.de/aktivurlaub-fuer-singles.php

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Viva Cruises. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit

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