Nachts fängt die Expo-Stadt Osaka an zu funkeln
Osaka ist eine Stadt, die im Dunkeln gewinnt. Das ist durchaus als Kompliment gemeint. Japans drittgrößte Metropole, zwischen Kobe und Kyoto im Westen der Hauptinsel Honshu gelegen, zeigt ihre eigentlichen Stärken erst nach Einbruch der Dämmerung. Dann entflammen die unzähligen Leuchtreklamen und Neonlichter im Vergnügungsviertel Dotonburi, und die Menschen strömen in Restaurants, Karaoke-Bars und Spielhöllen. Osaka ist, man kann es nicht anders sagen, vergnügungssüchtig.
Was tagsüber wie eine graue Häuserwüste wirkt, wird nachts zu einem funkelnden Edelstein. Nicht nur die Fassaden strahlen. Auch die Einwohner sind für ihre gute Laune und ihren Humor bekannt (aber auch für ihre Geschäftstüchtigkeit).
Ihr Dialekt, Osaka-ben, wird landesweit mit Comedy-Künstlern und bodenständiger Schnoddrigkeit verbunden – ein bisschen wie die Berliner Schnauze. Nirgendwo sonst in Japan freundet man sich mit wildfremden Menschen vor dem Fahrkartenschalter an, obwohl man kaum ein Wort Japanisch spricht. Zum Abschied nach dem gemeinsamen Warten winken einem zwei heitere ältere Damen noch lange hinterher.
Momentan steht die Stadt mehr denn je im globalen Fokus: Die Weltausstellung findet in Osaka statt – zum zweiten Mal nach 1970. Am 13. April öffnen für sechs Monate die Tore der Expo 2025 auf der Insel Yumeshima, in der Bucht vor der Stadt künstlich angelegt.
Osaka hat den Zuschlag vor allem erhalten, weil das Konzept der zukunftsorientierten Nachhaltigkeit so überzeugte. Aber auch die gute Laune der 2,7-Millionen-Metropole ist ein Pluspunkt. Wer 2025 eine Osaka-Reise plant, dem sind folgende Höhepunkte zu empfehlen:
Kreise und Harmonien bei der Expo
Fast 160 Länder nehmen an der Expo teil, präsentieren sich und ihre Visionen für eine lebenswerte Zukunft. Gerade in Zeiten, in denen es in der Politik immer mehr um Abgrenzung und nationale Eigeninteressen geht, sind Vielfalt und friedlicher Wettbewerb der Länder ein wohltuendes Statement an sich. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Energieeffizienz und Gesundheit sind Großthemen.
Deutschland beteiligt sich mit dem Pavillon „Wa! Germany“. „Wa“ bedeutet im Japanischen Harmonie oder Kreis, und um Kreislaufwirtschaft geht es den Deutschen dann auch. Aber es gibt ebenfalls eine „Stadt der Freude“, einen Pavillon für neue Formen der Mobilität und einen „Wald der Stille“. Dazu mehrere Bühnen für Aufführungen, Konzerte und Feuerwerksspektakel.
Eingerahmt werden die Pavillons vom „Großen Ring“. Der Architekt Sou Fujimoto hat einen 20 Meter hohen Rundweg aus Holz gebaut, der sich an Japans alten Techniken des Tempelbaus orientiert. Es ist eine der größten Holzkonstruktionen der Welt. Die Besucher – 28 Millionen werden erwartet – können auf ihm das Gelände wie auf einer Satellitenumlaufbahn umkreisen. Eine Runde dauert eine Dreiviertelstunde. Bauwerk und Aussicht sind atemberaubend.
Glitzernde Fassaden am Kanal von Dotonbori
Der bekannteste Mann Osakas ist der „Running Man“. Seit 80 Jahren zeigt er sich sportlich und in kurzer Hose auf einer riesigen Leuchtreklame am Kanal von Dotonbori. Früher brachte ihn Neonlicht zum Schimmern, heute sind es LEDs.
Allerdings macht er mit seiner athletischen Erscheinung nicht Werbung für gesunden Lebensstil und Laufeinheiten an der frischen Luft, sondern für Karamellbonbons. Die Werbung stammt von der ortsansässigen Süßwarenfirma Ezaki Glico. Sie ist mit Abstand der beliebteste Selfie-Spot der Stadt.
Um ihn herum glitzert der gesamte Stadtteil in haushohen Lichterteppichen, als sei Dotonbori die Kulisse eines Science-Fiction-Films. Hunderte Leuchtreklamen werben für Produkte großer Konzerne: Bier, Kleidung, Versicherungen, neuerdings auch in spektakulären 3D-Inszenierungen, bei denen zum Beispiel Häuser von Außerirdischen angegriffen werden.
Da blieb den Restaurantbesitzern im Amüsierviertel nichts anderes übrig, als ebenfalls mit ausgefallenen Schildern auf sich aufmerksam zu machen. An den Fassaden leuchten autobusgroße Winkekatzen, die Glück versprechen, Tengu-Masken mit meterlangen Nasen und kolossale flammenspeiende Drachen.
Dazu immer wieder die Zutaten der einheimischen Küche in dreidimensionaler Maxi-Größe: Hummer und Krebse, Kobe-Rinder und Reisbällchen, Sushi-Happen und eine riesige Auster, in die Spiderman klettert.
In Osaka erfand ein Musiker Karaoke
Ein Jahr nach der ersten Weltausstellung von 1970 wurde in Osaka die Karaoke-Maschine erfunden. Der Musiker Daisuke Inoue arbeitete als Begleitpianist in Bars, die Gäste sangen zu seinem Spiel. Um nicht immer selbst am Klavier sitzen zu müssen, entwickelte er ein Gerät, das instrumentale Versionen beliebter Lieder abspielte. Er löste damit den weltweiten Siegeszug des schrägen Laiengesangs aus.
Heute, im Alter von 84 Jahren, kann Inoue in seiner Geburtsstadt bestaunen, was aus seiner Erfindung geworden ist: Dutzende Karaoke-Hallen stapeln sich über diverse Stockwerke. In die Privatkabinen ziehen sich die Japaner mit ihrem oder ihrer Liebsten für eine Stunde aus dem Lärm der Straßen zurück – um zu singen. Zu dumm, dass sich Inoue seine Erfindung nicht patentieren ließ. Das Geld damit verdienen andere.
Auch die unzähligen Spielhöllen von Dotonbori scheinen für viele Einwohner ein zweites Wohnzimmer zu sein, in dem man sich nach Schule oder Büro entspannen kann. Man sieht alle Altersgruppen, von Kindern bis reifen Erwachsenen, die mit Greifarmen nach einem Stofftier angeln, als Rennfahrer oder Straßenkämpfer gegeneinander antreten oder sich auf einer Tanzmaschine ins Schwitzen bringen.
Die Geräte heißen „Dance Dance Revolution“ oder „Pump It Up!“ und sind in Asien wahnsinnig beliebt. Der Spieler muss zum Takt der Musik auf einer kleinen Tanzfläche mit seinen Füßen Markierungen treffen. Die beeindruckenden Twists und Drehungen der japanischen Jugendlichen halten ungeübte Besucher aus Deutschland garantiert davon ab, es selbst einmal zu versuchen. Es wäre zu peinlich.
Kulinarische Einflüsse aus ganz Japan
Gutes Essen ist das Erste, was Japanern zu Osaka einfällt. Als bedeutendes Handelszentrum profitiert die Stadt seit Jahrhunderten von kulinarischen Einflüssen aus dem ganzen Land. Man schätzt die Zahl ihrer Restaurants auf mehr als 70.000, davon sind 243 im Michelin-Guide verzeichnet.
In der japanischen Kultur gibt es das Wort „kuidaore“, was so viel bedeutet wie „sich in den finanziellen Ruin essen“. In Osaka kann man das meisterhaft tun – man muss es aber nicht. Denn die bekanntesten Klassiker sind zwei günstige Snacks: Tintenfischbällchen und japanische Pizza.
Die Tintenfischbällchen, Takoyaki genannt, sind etwa so groß wie ein Golfball und bestehen aus Weizenmehl, Ei, Brühe und Oktopus-Stückchen. Man isst sie mit Mayonnaise oder einer Art Worcestershire-Soße. Es gibt sie an Straßenimbissen und in Lokalen, sie kosten nur ein paar Euro.
Die japanische Pizza, Okonomiyaki, ähnelt eher einem fluffigen Pfannkuchen auf Ei- und Kohlbasis, mischt aber wie das italienische Vorbild alle möglichen Zutaten als Belag, von Fleisch über Fisch und Gemüse bis zu Tofu. Nur Ananas und Schinken wie bei einer Pizza Hawaii hat man noch nicht gesichtet.
Ähnlich wie mit der deutschen Currywurst, um deren Herkunft sich Hamburg und Berlin streiten, ist es mit Okonomiyaki. Hiroshima erhebt ebenfalls Anspruch auf die Urheberschaft. Fest steht, dass die Osaka-Variante schneller geht. Mehr Umsatz in weniger Zeit – das ist typisch für die Geschäftstüchtigkeit der Einwohner.
In einem Okonomiyaki-Restaurant sitzt der Gast vor einer heißen Eisenplatte und kann dem Koch zusehen oder die Sache mit einem Spachtel selbst in die Hand nehmen. Der Teig wird auf die heiße Platte gegossen, mit den gewünschten Zutaten belegt und von beiden Seiten knusprig gebacken. Anschließend kommen Mayonnaise, Würzsoße und hauchdünne Flocken aus getrocknetem Bonitofisch darauf, die in der Hitze flattern wie kleine Lebewesen. Preis je nach Belag um die zwölf Euro.
Auf dem Markt kaufen auch die Spitzenköche ein
Die Quelle aller kulinarischen Genüsse ist der Kuromon-Ichiba-Markt im Stadtteil Namba. Mehr als 170 Stände erstrecken sich unter einem großen Glasdach, hier kaufen auch Osakas Spitzenköche ein.
Auf wenigen Metern kann man sich durch viele Klassiker der japanischen Küche probieren: Sushi, Tempura, Yakitori-Spieße, Ramen-Suppe, Reisbällchen und natürlich die Lokalfavoriten Okonomiyaki und Takoyaki. Dazu Fleisch und Gemüse, Fisch und Meeresfrüchte, Austern so dick wie ein Daumen und Jakobsmuscheln so groß wie ein Gänseei.
Geschirr, Haushaltswaren und Kleidung gibt es auch. Wer einen Kimono sucht, ist hier richtig. Es lohnt sich, auch die kleinen Gassen zu erforschen, die vom Markt abzweigen. Hier findet man Antikgeschäfte und kleine Cafés. In Japan trinkt man fast so gern Kaffee wie Tee, er ist oft genauso exzellent mit ausgesuchten Bohnen und besonderen Röstungen. Man besucht den Markt am besten bis zur Mittagszeit. Danach schließen viele der Stände.
Blühende Kirschbäume an der Burg
Nach dem Marktbesuch lohnt es sich, in die Geschichte der Stadt abzutauchen. Osaka hat eine berühmte Burg, umgeben von einer großen Parkanlage, in der jetzt gerade an die 4000 Kirschbäume blühen. Errichtet wurde die Burg 1583 von Feldherr Toyotomi Hideyoshi.
Der achtstöckige Turm mit goldenen Giebelfiguren, den man heute sieht, ist allerdings fast vollständig ein Neubau aus Beton mit einem Fahrstuhl in der Mitte. Denkmalschutz wird in Japan anders verstanden als hierzulande. Für die Japaner ist die Idee eines Ortes oft wichtiger als der Bau, der darauf steht. Selbst berühmte Tempel des Landes werden regelmäßig abgerissen und wieder neu aufgebaut.
Falls die Schlangen vor dem Burgturm zu lang sind, weil mal wieder mehrere Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig ihre Ausflugsbusse geschickt haben: Für den Blick auf die Stadt gibt es noch weitere Möglichkeiten.
Blick vom Fernsehturm über die Stadt
Gleich neben der Burg befindet sich das Historische Museum, das hinter einer futuristischen Fassade aus Glas und Stein die 2000 Jahre alte Geschichte Osakas zeigt. Die Ausstellung ist übersichtlich, aber der Blick aus dem zehnten Stock auf die Burganlage lohnt sich.
Nur fünf Minuten mit der U-Bahn vom Expo-Gelände entfernt liegt das Aquarium Kaiyukan mit dem 113 Meter hohen Riesenrad Tempozan nebenan. Während der Weltausstellung werden diese Attraktionen allerdings stark besucht sein. Deshalb noch eine dritte Möglichkeit für den Panoramablick: der alte Fernsehturm Tsutenkaku im Viertel Shinsekai.
Er wurde von Naito Tachu entworfen, der auch den Tokyo Tower baute, der wiederum dem Pariser Eiffelturm verblüffend ähnlich sieht. Eröffnet wurde das rund 100 Meter hohe Bauwerk Mitte der 1950er-Jahre. Es hat sich den Charme jenes Jahrzehnts weitgehend erhalten mit Wandfliesen, vergoldeten Wänden, Diskokugeln und Neonlichtern. In den Aufzügen erklingt die Titelmelodie von „Zurück in die Zukunft“.
Der Blick reicht weit über Osaka, bis zur Bucht und den umliegenden Bergen. Und passend für eine Stadt, die im Dunkeln gewinnt, ist der Besuch nach Einbruch der Dämmerung, wenn die Lichter Osakas funkeln, am schönsten.
Tipps und Informationen:
Anreise: JAL, ANA und Lufthansa bietet täglich Verbindungen aus Deutschland zum Kansai International Airport (KIX) an, meist mit einmal Umsteigen, z.B. in Tokio. Vom Kansai-Flughafen fahren Expresszüge in die Innenstadt von Osaka. Von Tokio aus ist Osaka in 2,5 Stunden auch mit dem Shinkansen-Zug gut zu erreichen, inklusive Blick auf den Fuji bei gutem Wetter (rechts sitzen).
Unterkunft: „Centara Grand Hotel“, modern und in zentraler Lage, Doppelzimmer ab 200 Euro (centarahotelsresorts.com). Für Familien: „Mimaru“-Apartmenthotels, Zimmer ab 270 Euro (mimaruhotels.com)
Restaurants: Eine der besten Okonomiyakis der Stadt gibt es im Traditionslokal „Hozenji Sanpei“. Meist eine kleine Schlange vor der Tür, aber die Wartezeit ist nicht besonders lange, dienstags geschlossen (hozenji-sanpei.gorp.jp). Sterneküche z.B. im „Hajime“ (hajime-artistes.com).
Informationen zur Expo: Vom 13. April bis 13. Oktober 2025. Am besten mit der Metro-Linie Chuo bis zum neuen Yumeshima-Bahnhof direkt am Osteingang des Geländes fahren. Von der Innenstadt werden zudem Shuttle-Busse eingesetzt. Eintritt ab 4000 Yen (25 Euro) für Erwachsene, ab 1000 Yen für Kinder (6,20 Euro). Infos und Tickets unter www.expo2025.or.jp/en
Weitere Auskünfte: japan.travel/de/de/
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke