Es herrscht Ruhe, absolute Ruhe – fast eine Art Totenstille. Kein Fahrzeug ist zu sehen, kein Fußgänger. Alle Restaurants und Geschäfte sind geschlossen, die Straßen leer gefegt: Denpasar, Balis sonst so laute, stickige und hektische Hauptstadt ist am Nyepi-Tag ein Geisterort.

So wie in Denpasar sieht es am 29. März, dem balinesischen Neujahrstag, auf der ganzen Insel aus: ob im einsamen Dorf in den Bergen, am sonst so viel besuchten Kuta Beach oder eben in den anderen Inselstädten. Auch Wayan ist zu Hause. Wayan heißt übersetzt „der Älteste“, aber er ist erst 13 und es fällt ihm schwer, am Tag der Stille auf Fahrrad, Freunde und Spaß zu verzichten. Doch es hilft nichts: Am balinesischen Neujahr sind alle Aktivitäten tabu. Niemand darf auf die Straße – auch Touristen nicht. So sagen es die Gelehrten, Widerrede zwecklos. Das weiß auch Wayan.

Sogar der internationale Flughafen, wo normalerweise Tausende Passagiere an- und abfliegen, wird für den ganzen Tag dicht gemacht. Bali versinkt in einen tiefen Schlaf. Selbst in den Häusern wird nicht gesprochen. Früher schalteten die Elektrizitätswerke sogar den Strom ab. Heute nicht mehr: In Zeiten von Kühlschränken und Gefriertruhen würde zu viel Nahrung verderben.

Die Regel wurde gelockert. Mit dem Nebeneffekt, dass nicht mehr in jedem Haus vollkommene Ruhe herrscht am Nyepi-Tag. So manche Familie schließt die Fensterläden und macht ganz leise den Fernsehapparat an, statt inneren Frieden zu suchen und zu meditieren. In Wayans Haus aber sind alle Stecker gezogen – bis auf den vom Kühlschrank.

Ogoh-Ogoh sollen die bösen Geister vertreiben

Am Tag zuvor, am Tawur Kesanga, lärmte er noch mit seinen Freunden durch die Straßen. Sie brannten Knallkörper ab und zogen mit Ogoh-Ogoh-Monster durch Denpasar. An jeder Abzweigung oder Kreuzung wurden die Ogoh-Ogoh hin- und hergezerrt sowie um die eigene Achse gedreht. Mit dem Zweck, böse Geister zu verwirren und aus dem Ort zu treiben.

Mit Gongs und Trommeln machten sie einen Höllenlärm, um die Dämonen auch wirklich aus der letzten Ritze zu verscheuchen. Wayan liebt es, gerade in dunklen Ecken Knallfrösche zu zünden.

Wochen vorher ging er wie alle Kinder durch die Gemeinde, um für die Herstellung der Pappmaschee- oder Bambus-Ogoh-Ogoh Geld zu sammeln. Wäre man ein böser Geist, würde man sich wohl wirklich fürchten vor diesen schrillen Ogoh-Ogohs, die Reißzähne wie ein wildes Fabeltier haben, deren Augen hervorquellen und deren Haare aussehen wie die vom Struwwelpeter. Wayans Vater war stolz auf den Sohn, als der ihm sein Ogoh-Ogoh-Monster zeigte.

Sind die bösen Geister erst einmal vertrieben, hoffen die Balinesen, dass die Dämonen am Nyepi, dem ersten Tag des balinesischen Jahres, die Insel ganz verlassen – weil sie ja glauben müssen, dass alles ausgestorben ist, wenn keine Menschen mehr auf den Straßen zu sehen sind. Der Vater hatte ihm die ganze Geschichte schon erklärt, da war er noch nicht einmal in der Schule.

Rituale prägen den Alltag auf Bali

Nyepi zeigt, dass die Menschen auf Bali ihrem eigenen Rhythmus folgen, der in erster Linie vom balinesischen Kalender bestimmt wird. Die verschiedenen Zeremonien, die den Jahres- und Lebenslauf formen, werden in den Alltag einbezogen. Mehr noch: Man hat den Eindruck, dass der Alltag von den Ritualen geprägt wird.

Die Einwohner der einzigen hinduistisch-animistisch geprägten Insel im weitgehend muslimischen Indonesien zelebrieren ihre Riten innerhalb eines für Fremde völlig undurchsichtigen Geflechts aus hinduistischen, buddhistischen und animistischen Einflüssen.

Junge Balinesen müssen die Eltern stets nach Details fragen, wenn sie wissen wollen, was zum Beispiel genau bei einer Opferung oder Beerdigung passiert. Auch Wayan tut das. Es ist ein Lernprozess, der ein Leben lang dauert und den nur die Priester komplett abgeschlossen haben. Nyepi und seine Bedeutung kennt auf Bali aber jedes Kind.

Sitz der Götter wird die Insel auch genannt. Wer einmal dort war, der weiß, warum: Jedes noch so kleine Haus hat einen eigenen Schrein, jede Scheune und jedes Reisfeld, jedes Geschäft und jede Behörde. Jeden Tag wird geopfert, um die Götter sanft zu stimmen.

Als Wayan noch der einzige Nachkomme war, musste er immer das schöne Stück Huhn am Hausaltar bewachen, weil sonst der nächste Straßenhund den Leckerbissen schnell gerochen und gemopst hätte. Wayan klagte oder jammerte nicht. Für ihn war das Bewachen des kleinen Haustempels samt Huhn-Opfer selbstverständlich, es gehört zum Leben. Jetzt muss das Made machen, sein kleiner Bruder.

Hotels bereiten ihre Gäste auf Nyepi vor

Diese so offensichtlich gelebte Religiosität fasziniert jeden Besucher. Sie versetzt Gäste in eine andere Zeit, besonders wenn sie das Glück haben, an einer Zeremonie teilnehmen zu können – sei sie im privaten Rahmen oder in Form einer öffentlichen Feier. Und Nyepi ist ein besonders intensives Erlebnis.

Fast alle Hotels bereiten ihre Gäste auf Nyepi vor. So liegt bei „Anantara“ in Ubud jeden Abend ein Kärtchen auf dem Kopfkissen, das über balinesische Eigenarten informiert, ob es nun das Opfersträußchen Kuangen ist, die Geschichte des Penjor, der den Heiligen Berg Agung symbolisiert, oder allgemeine Informationen zu Nyepi.

Denn auch den Touristen wird am Nyepi-Tag ein 24 Stunden währendes Aktiv-Verbot abverlangt: Keiner darf sein Resort oder Hotel verlassen, niemand darf an den Strand. Und alle Urlauber werden herzlich gebeten, nach Einbruch der Dunkelheit die Gardinen zu schließen, damit nicht ein Lichtstrahl nach außen weicht.

Am zweiten Tag des neuen Jahres wird dann richtig gefeiert: Es ist inselweit die größte Party des Jahres, die ausgelassenste, die lustigste, die schönste. Freunde und Verwandte werden besucht und es wird groß aufgekocht. Dann kehrt auch in Denpasar erneut der Alltag ein: Es ist wieder laut, stickig, heiß und hektisch. Die Straßen und Gassen der Stadt quellen über mit Bemos, den privaten Kleinbussen, mit Tausenden Mopeds, Autos, Fahrrädern.

Auch Wayan ist dann wieder mit seinem Fahrrad unterwegs. Die Hauptstadt zählt immerhin rund 400.000 Einwohner und ist für Balinesen der Knotenpunkt der Insel: zum Einkaufen, für Behördengänge, Bankgeschäfte. Sie ist das Handelszentrum, das wie so oft von Chinesen beherrscht wird. Rund ein Viertel der Einwohner von Denpasar ist chinesischer Abstammung. Dennoch: Am Nyepi-Tag sind sie alle zu hundert Prozent Balinesen.

Tipps und Informationen:

An- und Einreise: Nach Denpasar zum Beispiel mit KLM via Amsterdam (klm.com). EU-Reisepass und E-Visum für rund 30 Euro bis 30 Tage Aufenthalt (visa-online.imigrasi.go.id).

Gesundheit: Keine Impfungen erforderlich. Guter Sonnen- und Moskitoschutz sind nötig.

Reisezeit: Ganzjährig mit 26 bis 30 Grad. Fast regenfrei sind Mai bis Oktober.

Unterkunft: „Anantara“, neues Luxusresort nahe Ubud im Inselzentrum, mit Restaurants, Spa, Pools und Villen, ab 500 Euro, (anantara.com). „Puri Bungalows“ in Kuta in Strandnähe, einfaches, günstiges Resort mit Pool, ab 80 Euro (kutapuribungalows.com).

Veranstalter: Enchanting Travels bietet maßgeschneiderte Individualreisen an, etwa „Balinese Traditions and Island Magic“, neun Tage Bali und Lombok ab 2090 US-Dollar pro Person (ohne internationale Flüge), enchantingtravels.com. Zu individuellen Wunschterminen kann man auch bei Geoplan eine Privatreise buchen, etwa „Balis Schönheiten entdecken“, 15 Tage ab 3390 Euro pro Person bei zwei Reisenden inklusive Flug, geoplan-reisen.de.

Auskunft: visitbali.id; indonesia.travel

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