Puerto de la Cruz auf Teneriffa überrascht
Als Agatha Christie im Frühjahr vor fast 100 Jahren zum ersten Mal nach Teneriffa reiste, ging es um mehr als einen Tapetenwechsel. Ehemann Archie war den Reizen seiner Golfpartnerin erlegen, die aufstrebende Schriftstellerin litt unter Depressionen und zu allem Überfluss war die geliebte Mutter gestorben. Auf der sonnigen Kanareninsel, bekannt für ihr mildes, gesundes Klima, wollte die Erfinderin des Meisterdetektivs Hercule Poirot neue Kraft schöpfen. Doch leider präsentierte sich das Eiland des ewigen Frühlings eher wie das heimische England.
Der raue Atlantik vergrämte ihr das Baden im Meer, und der Sprühregen sowie der Nebel hielten sie von Erkundungen ab. Immerhin gefiel ihr der Jardin de Sitio Litre. Teneriffas ältester öffentlich zugänglicher Garten inspirierte die Krimiautorin angeblich zu ihrem Werk „Der seltsame Mr. Quinn“. Und natürlich behagte der Lady das noble „Gran Hotel Taoro“, das im Lauf der Geschichte viele berühmte Gäste beherbergt hatte: den russischen Großfürsten Nikolaus, die Könige von Belgien und Spanien, selbst den deutschen Kaiser Wilhelm II.
In den vergangenen Jahren präsentierte sich die Hotellegende, das erste Grandhotel Spaniens, ziemlich ramponiert. In den Fenstern klafften riesige Löcher, die Rollläden hingen auf halbmast, und das einst noble Entrée wirkte verwahrlost. Mal gerieten die Investoren in finanzielle Nöte, mal kam der Tourismus durch Corona ins Stocken. Hochfliegende Pläne einer Fünf-Sterne-Herberge in dem historischen Bau, der in den 1970er-Jahren als Casino zweckentfremdet wurde, entpuppten sich als Luftnummer.
Doch jetzt scheint die ewige Geschichte des Grandhotels ein glückliches Ende zu finden. Mehr als 40 Millionen Euro wurden in Teneriffas einstiges Hotel-Aushängeschild investiert, lediglich die historische Essenz des Gebäudes blieb erhalten. Im Sommer werden die ersten Gäste in die 199 Zimmer und Suiten einziehen, die eine atemberaubende Sicht auf den Atlantik, den majestätischen Teide und den wunderschönen Taoro-Park mit seinen Treppen, künstlichen Wasserfällen, Springbrunnen und vielen schattigen Plätzen bieten.
Reiche Engländer liebten Puerto de la Cruz
Dass sich Puerto de la Cruz zum touristischen Schwergewicht an der Nordküste der größten Kanareninsel entwickeln würde, war der Siedlung im Schatten des mächtigen Vulkans Teide keinesfalls vorbestimmt. In der Bucht San Felipe, wo heute Sonnenanbeter die schwarzen Strände der Playa Jardin bevölkern, ankerten einst Schiffe, deren Ladung für das landeinwärts gelegene La Orotava bestimmt war.
Um den Hafen vor Piraten zu schützen, wurde im späten 16. Jahrhundert das Castillo San Felipe errichtet – heute tauchen dort Mittelalterfans in vergangene Zeiten ein. Später kamen Kirchen, Plätze und öffentliche Gebäude dazu, von denen einige noch immer das Stadtbild prägen – wie beispielsweise die Kirche Nuestra Señora de la Peña de Francia oder das ehemalige Zollhaus im traditionellen kanarischen Baustil, das heute das Tourismusbüro und ein Kulturzentrum beherbergt.
1808 wurde der Hafen von La Orotava in Puerto de la Cruz umbenannt. Fast zeitgleich begann auch die touristische Entwicklung. Was mit Zimmervermietung an Hafenarbeiter und Seeleute begann, wurde schnell mehr. Ehemalige Herrenhäuser wurden in Herbergen umgewandelt, von denen einige – natürlich modernisiert – noch immer existieren, wie beispielsweise das „Monopol“ mit seinem Patio-ähnlichen Innenhof.
Es waren vor allem vermögende Engländer, die das hübsche Küstenstädtchen für sich entdeckten und oft Wochen, gar Monate blieben. Der Friedhof „La Chercha“, versteckt hinter hohen Mauern und von außen kaum zu erkennen, sowie die anglikanische Kirche All Saints gleich neben dem „Gran Hotel Taoro“ sind Überbleibsel jener Zeit, als es bei Britanniens feiner Gesellschaft in Mode kam, dem miesen Wetter der Heimat nach Teneriffa zu entfliehen.
Konkurrenz durch den sonnigen Süden von Teneriffa
Richtig rund ging es aber erst mit dem Aufkommen erschwinglicher Pauschalreisen. Für das Stadtbild war der Touristenboom in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings kein Glücksfall. Im Gegenteil: Weil Puerto – im wahrsten Sinn des Wortes – hoch hinaus wollte, schossen ganze Stadtteile auf ehemaligen Bananenplantagen wie Pilze aus dem Boden. Darunter auch das höchste Gebäude der Stadt, das 75 Meter hohe Edificio Bel Air.
Der Preis, den die Stadt für diese stürmische Entwicklung bezahlen musste, war hoch und wirkt bis heute nach: triste Bausünden, Verkehrschaos, Verlust der eigenen Identität.
Hinzu kam die Konkurrenz durch den Süden Teneriffas, wo die Sonne an 300 Tagen im Jahr vom wolkenlosen Himmel strahlt, das Meer sich weit weniger wild als im Norden gebärdet und Touristenghettos wie Los Cristianos Urlaubsspaß rund um die Uhr versprechen. Als die Belegungsquote in manchen Monaten unter 50 Prozent fiel, das böse Wort vom „Rentnerparadies“ die Runde machte, musste Abhilfe her.
César Manrique, das Multitalent von der Nachbarinsel Lanzarote, entwarf den Lago Martiánez, eine künstliche Badelandschaft, die direkt in den Atlantik hineingebaut wurde. Dort lässt es sich in mehreren großen Pools – darunter ein riesiger See mit Insel in der Mitte – ungefährlich schwimmen. Das Meerwasser wird direkt aus dem benachbarten Atlantik in die Becken gepumpt. Davor verläuft die Avenida Colón, Puertos beliebteste Flaniermeile, wo das Motto lautet: sehen und gesehen werden.
Der beliebte Strand bleibt weiter gesperrt
Im Westen der Stadt, wo der berühmte und vielfach prämierte Loro Parque zu finden ist, durfte sich Manrique an einem weiteren Küstenabschnitt austoben. Dort wurden die zuvor recht kargen Badebuchten mit schwarzem Lavasand aufgefüllt und weitläufige Gärten angelegt.
Seit Monaten ist der beliebte Strand mit seinen vielen Restaurants und Cafés jedoch gesperrt. Der Grund: Abwasser-Einleitungen und die Gefahr von Erkrankungen durch Coli- und andere Bakterien. Abhilfe ist nicht in Sicht, denn eine Erweiterung der Kläranlage im Norden der Kanareninsel lässt auf sich warten. Und so bleibt die beliebte Playa Jardín, wo sich in den Wintermonaten meterhohe Wellen mit brachialer Wucht brechen, weiterhin gesperrt.
Der Begriff „Rentnerparadies“: Er wird Puerto, das zusammen mit La Orotava und dem Nachbarort Los Realejos einen Ballungsraum mit rund 110.000 Einwohnern bildet, schon lange nicht mehr gerecht. Vor allem aktive Zeitgenossen schätzen die Lage der Stadt, die einem Amphitheater gleich von steil aufragenden Bergen umgeben ist.
Schon am frühen Morgen machen sich Heerscharen von Wanderern auf in Richtung Teide, Anaga oder Masca-Schlucht. Mountainbiker strampeln die schmalen Bergstraßen hinauf. Selbst für Kletterfans ist Puerto ein guter Ausgangspunkt für Touren. Die Felswand „La Catedral“ liegt mitten im Teide-Nationalpark. An dem riesigen Vulkanfelsen gelten keinerlei Restriktionen.
Der Stadtteil La Paz ist eine deutsche Enklave
Doch auch wer nur faulenzen, ein paar gemütliche Stunden am Hotelpool verbringen möchte, lediglich unterbrochen von den Animationskünsten junger Spanier, fühlt sich in Puerto wohl. Im Stadtteil La Paz braucht man dafür nicht einmal einige Brocken Englisch oder Spanisch zu sprechen, denn das Viertel ist die deutsche Enklave schlechthin. Hier finden sich der Bäcker mit typisch deutschen Backwaren, der deutsch sprechende Friseur, die kleine Kneipe und das urige Lokal, wo Schweinshaxe statt Paella serviert wird.
Am Mirador von La Paz, wo sich ein herrlicher Blick über die Stadt und die Klippen bietet, steht die Büste von Agatha Christie. Nicht weit entfernt liegt das kleine Sträßchen, das nach der Schriftstellerin benannt wurde.
Andere berühmte Gäste sind weniger präsent im Stadtteil, wie beispielsweise jene vier Herren aus Liverpool. Eigentlich waren es nur drei, die 1963 auf die Insel kamen; den vierten zog es nach Torremolinos. Niemand nahm Notiz von den jungen Briten mit dem saloppen Kleidungsstil und den viel zu langen Haaren. Der Besitzer eines ziemlich bekannten Nachtclubs lehnte sogar ab, als die Musiker anboten, bei ihm zu spielen. Er konnte ja nicht ahnen, dass die Beatles ein paar Monate später weltberühmt waren.
Tipps und Informationen:
Anreise: Die meisten Pauschalurlauber landen auf dem Flughafen Reina Sofia im Süden von Teneriffa. Sehr viel näher liegt der Flughafen Teneriffa Nord. Allerdings wird er von Deutschland aus nicht nonstop angeflogen. In der Regel ist ein Umsteigen in Madrid erforderlich. Für Hin- und Rückflug sollte man realistischerweise mit 400 Euro kalkulieren. Wer einen Transport zu seiner Unterkunft braucht, der kann dies über die Seite von Canaryshuttle (canaryshuttle.com) organisieren.
Unterwegs auf der Insel: Wer Teneriffa erkunden möchte, muss nicht unbedingt ein Auto mieten. Die Busse der Gesellschaft Titsa (titsa.com) fahren selbst entlegene Berg- und Küstenorte an. Das Tagesticket kostet zehn Euro, das Wochenticket 50 Euro. Für Hin- und Rückfahrt von Puerto de La Cruz nach San Christóbal de La Laguna, eine der schönsten Städte der Insel und Weltkulturerbe, zahlt man beispielsweise acht Euro.
Unterkunft: In Puerto de la Cruz gibt es Unterkünfte für jeden Geldbeutel. Viele Häuser stammen aus den 1970er- und 1980er-Jahren, sie sind architektonisch keine Augenweide. Allerdings wurden Zimmer renoviert und es wurde in Poollandschaften investiert. Wer möglichst flexibel sein möchte, kann eine Ferienwohnung anmieten.
Auskünfte: webtenerife.de
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