Grödel müssen sein. Denn ohne diese Schneeketten für die Wanderschuhe würde der Weg immer wieder zur halsbrecherischen Rutschpartie werden. Aber mit den Dingern kann man auch über Eis und Schnee bedenkenlos drauflos wandern, raus aus dem Dorf und rein in die winterliche Natur Tirols. Dieses Knirschen, wenn sich die Grödel in die glatten Schneeflächen der Wege drücken und sofort Halt bieten, wird dabei zum ständigen Begleiter – ein schöner Sound der Sicherheit.

So kann man sich während der viertägigen Wanderung durch die Region Seefeld, die kurz hinter der deutsch-österreichischen Grenze liegt, ganz auf die Umgebung konzentrieren: auf die alpine Landschaft mit den Bergen, die sich hier eindrucksvoll drumherum aufbauen. Auf die Wälder, die man durchkreuzt. Und auf die weiten Aussichten über Ebenen und Seen.

Winterwandern ist die konsequente Weiterentwicklung des winterlichen Spazierengehens. Seefeld ist da alpenweit führend. „Bei uns werden insgesamt 142 Kilometer an Winterwanderwegen verlässlich geräumt“, sagt Lisa Krenkel vom Tourismusverband Seefeld. Teile davon sind seit 2017 für kälteunempfindliche Wanderfans als Winterweitwanderweg ausgebaut: In vier Etappen führt er auf insgesamt 54 Kilometern durch die Region – immer den rosaroten Schildern nach. In jeder der drei Nächte übernachtet man woanders. Das Gepäck wird hinterhergefahren.

Dass Seefeld auf einem Hochplateau auf rund 1200 Metern liegt, ist dabei ideal: Die Landschaft um die Orte Seefeld, Leutasch, Scharnitz, Reith und Mösern-Buchen ist verhältnismäßig flach. Auch bei Skilangläufern ist sie daher sehr beliebt. Immer wieder kreuzt man beim Wandern Loipen und stampft neben ihnen her. „Man kann die Berge genießen, ohne sie zu besteigen“, sagt Krenkel. Heftige Anstiege gibt es nicht – mit einer Ausnahme: Der Weg zur Wettersteinhütte hat es in sich.

Glockenläuten am Ende der ersten Etappe

Auf der ersten Etappe von Schanz nach Weidach wandert es sich allerdings sehr angenehm. Nur 140 Meter Höhenunterschied müssen überwunden werden auf der Strecke, die sich auf 14 Kilometern durch das Leutaschtal und den Ort Leutasch zieht.

Bei der Ankunft am „Gasthaus Brücke“ ist es eigentlich noch zu früh zum Einkehren. Doch man kann sich das Lokal unmöglich entgehen lassen. Also hinein – und die Tiroler Spezialitäten probieren: vom Tiroler Wirler (ein bäuerliches Kartoffelgericht) bis zu Kalbsrahmbeuschel mit Heuknödeln.

Nach dem letzten Bissen Kaiserschmarrn wird die Etappe fortgesetzt, die an kleinen Kapellen, alten Bauernhöfen und traditionellen Häusern mit Lüftlmalerei vorbeiführt. Größtenteils geht es dabei entlang des Flüsschens Leutascher Ache, das gemächlich vor sich hin plätschert.

Am nächsten Tag kann man auf der Etappe, die nun durch die Wälder führt, schon etwas ins Schwitzen kommen. Nicht nur, weil es auf dem Weg durch das Fludertal und über die weite Lichtung bei der Wildmoosalm bis ins Dorf Mösern zwischen hohen Tannen und Fichten häufiger auf und ab geht. Es liegt auch an der Sonne, die vom wolkenlosen Himmel scheint. Der Wetterbericht sagte schon Plusgrade voraus. Das Eis auf dem Weidachsee im Leutaschtal ist aber noch dick genug, sodass die Angler darauf an gebohrten Löchern sitzen und auf anbeißende Forellen warten.

Doch noch liegt genug Schnee, um für Wintergefühle auf der Strecke nach Mösern zu sorgen. Im Dorf wird man auf der Zielgeraden mit Glockenläuten begrüßt – zumindest wenn man um 17 Uhr ankommt. Dann hört man die große „Friedensglocke“, die als Symbol des Friedens im Alpenland an einem Aussichtspunkt errichtet wurde. Nichts wie hin: Von dort hat man einen weiten Blick ins Tal, zur gegenüberliegenden Bergkette – und auf die nächste Etappe.

Beim Wandern zur Hütte werden die Füße schwerer

Die hat es in sich. Während das Gepäck bisher immer zur nächsten Unterkunft gebracht wurde, muss man nun, auf der vorletzten Etappe, Schlafzeug und Wechselkleidung mitnehmen. Denn als Nächstes soll in einer Berghütte übernachtet werden. Die Wanderrucksäcke sind damit beim Loslaufen am nächsten Morgen in Mösern schwerer als an den vorherigen Tagen.

Noch einmal geht es auf und ab durch den Wald und zum sogenannten Katzenloch, wo früher im Winter Wildkatzen, Wölfe und Bären gesichtet wurden. Heute ruft nur ein Kuckuck. Und vor ein paar Tagen müssen ein paar Rehe unterwegs gewesen sein, ihre Spuren sind im Schnee noch klar erkennbar.

Schließlich kommt man in den Orten Moos und Obern raus. Der Blick schweift über die Berge. Irgendwo da oben ist sie, die Wettersteinhütte. Zu sehen ist sie nicht, als der Aufstieg beginnt. Über 700 Höhenmeter müssen jetzt überwunden werden. Anfangs ist der Anstieg verhältnismäßig sanft. Schon bald aber wird der Weg deutlich anstrengender. Kurve für Kurve führt er hoch durch den Wald. Gern würde man jetzt mit den Wanderern tauschen, die einem entgegenkommen. Besser noch mit denen, die auf einem Schlitten nach unten rodeln.

Schwerer und schwerer werden die Füße. Immer steiler scheint der Weg. Zwischendurch kurze Auszeiten auf den Bänken am Wegesrand. Dann endlich: die letzten Meter. Schritt für Schritt. Langsam durch die verwunschene Winterberglandschaft. Und geschafft!

Tief einatmen. Ausatmen. Ankommen an der Wettersteinhütte und umschauen auf 1700 Metern. Das lohnt sich! Man steht hier mitten in den schneebedeckten Nordtiroler Alpen, rechts erhebt sich die Hohe Munde mit über 2600 Metern, die Kalkkögel-Kette ragt sogar 2800 Meter in den Himmel. Ein Wow-Panorama!

Zügig geht es bergab nach Leutasch

Gäste werden in der Hütte von Beate Schütz herzlich begrüßt. „Die wurde 1960 von der Bergwacht gebaut“, sagt sie mit rauchiger Stimme. Zusammen mit ihrem Mann Hans betreibt sie die Hütte seit 2010 durchgehend für Tages- wie für Übernachtungsgäste. Einmal in der Woche fahren sie mit dem Quad zum Einkaufen ins Tal. Den Weg räumen sie auch, berichtet sie.

Dann zeigt sie die Hütte mit dem einfachen Bettenlager, den Kojen und dem rustikalen Gastraum, in dem ein zünftiges Abendessen mit deftigen Knödeln auf den Tisch kommt. Im Ofen knackt Holz. Hinter den Fenstern wurde das Alpenpanorama längst von der Dunkelheit verschluckt. Zur Verdauung wird schließlich ein hausgebrannter Enzian-Schnaps eingeschenkt, dann geht es ins Nachtlager.

Unter den Dachschrägen der kleinen Koje wird es allerdings eine unruhige Nacht. Denn schon früh am Morgen geht es weiter. Die Sachen werden schnell zusammengepackt, bevor nach dem Frühstück im Morgengrauen die letzte kurze Etappe zurück nach Leutasch beginnt.

Beim Verlassen der Hütte blinzeln die ersten Sonnenstrahlen hinter den Bergen hervor. Bald liegt die Alpenlandschaft in einem warmen Licht, während es auf dem Weg zügig bergab geht, auf dem man sich am Vortag noch hochgekämpft hat. Unten im Tal herrscht bereits Tauwetter. Die Straßen sind nass. Glück gehabt, dass aus Winterweitwandern kein Matschwandern wurde. Grödel braucht man jetzt keine mehr.

Tipps und Informationen:

Anreise: Seefeld liegt westlich von Innsbruck nicht weit hinter der deutsch-österreichischen Grenze und ist per Pkw oder Bahn zu erreichen.

Winterweitwanderweg in Seefeld: Auf diesem Weg wandert man vier Tage und übernachtet in drei unterschiedlichen Unterkünften. Die Region Seefeld bietet ein Paket für eine individuelle Reise (ohne Guide) mit drei Übernachtungen in zwei in Hotels und einmal auf der Wettersteinhütte, inklusive Gepäcktransport und Halbpension, pro Person im Doppelzimmer ab 495 Euro. Bei dem Angebot wandert man von Montag bis Donnerstag (info.leutasch@seefeld.com). Eine andere Option ist die fünftägige Seefelder Hochplateau-Winterweitwanderung – bei der hat man Seefeld als feste Basis und wandert jeden Tag zu einem anderen Ziel. Winterweitwandern gibt es ansonsten zum Beispiel in der Schweiz, Via Engiadina ab Zernez, vier Etappen auf 46 Kilometer (engadin.com/de/touren/via-engiadina-weitwanderweg-winter), sowie in Ischgl in Österreich, 44 Kilometer, drei Etappen (paznaun-ischgl.com/de/01-winterweitwanderweg-wei-e-weiten_tour_101946681).

Weitere Infos: seefeld.com/de/winterwandern.html

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt vom Tourismusverband Seefeld. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

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