Die Region Vojvodina

Es passiert nicht oft, dass die Vojvodina in den internationalen Schlagzeilen steht, so wie jetzt gerade: Denn seit dem Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad im November 2024, bei dem 14 Menschen starben, demonstrieren Studenten gegen Baupfusch, Korruption und schleppende Aufklärung. Inzwischen haben sich ihnen Menschen in ganz Serbien angeschlossen; 65 von 80 Fakultäten landesweit sind im Ausstand.

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić reagiert auf die Proteste mit der Behauptung, sie seien vom Ausland beeinflusst und hätten die Abspaltung der Vojvodina zum Ziel. Vorwürfe, die sich einzig darauf stützen, dass die nordserbische Provinz einen autonomen Status innerhalb des Landes genießt. Doch diese Sonderstellung hat historische Gründe – sie ist eine Folge der Türkenkriege, als eine christliche Allianz unter Führung der Habsburger die muslimischen Osmanen auf dem Gebiet der heutigen Vojvodina schlugen.

In die vom Krieg weithin entvölkerte Pannonische Tiefebene lockte die Habsburger Monarchie dann im 18. und 19. Jahrhundert Siedler aus den deutschen und den slawischen Landen des damals noch riesigen K.-u.-k.-Reiches. Wobei den neuen Bewohnern der Vojvodina deutlich mehr Freiheiten gewährt wurden als den benachbarten Balkanregionen. Nur auf einem Grundsatz bestand Kaiserin Maria-Theresia (1717–1780) ohne Unterschied: Ihre Untertanen sollten die Häuser gelb tünchen.

Bis heute leuchten viele Dörfer der Vojvodina in diesem Maria-Theresia-Gelb, wie Kunsthistoriker die Farbe nennen. Oben ein blauer Himmel mit weißen Wölkchen, der sich über ein Meer aus gelben Sonnenblumen, grünen Maisfeldern und goldenem Weizen spannt, dazwischen ockergelbe Ortschaften – würde man die Vojvodina im Sommer malen, sähe sie wie ein Van-Gogh-Gemälde aus.

Im Winter dagegen ähnelt die platte Landschaft einer weißen Wüste, über die Karpatenwinde fegen. Dennoch ist die Region ein Ganzjahresreiseziel, vor allem die Provinzhauptstadt Novi Sad, eine bildhübsche, architektonisch abwechslungsreiche Donau-Metropole, die 2022 als Europäische Kulturhauptstadt glänzte.

Exit – das Fest auf der Festung in Novi Sad

Zum 25. Mal jährt sich in diesem Sommer (10. bis 13. Juli) das Rockfestival Exit in Novi Sad. Ein Mega-Ereignis mit Strahlkraft weit über die Vojvodina hinaus, seit Exit gleich zweimal den europäischen Award „Best Major Festival“ erhielt (2013, 2017) und 2021 als erster Großevent nach Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa erfolgreich über die Bühne ging.

Traditioneller Veranstaltungsort ist Petrovaradin, eine Burg aus dem 18. Jahrhundert, die mit Schanzen und Befestigungen 112 Hektar umfasst. Damit bietet sie Platz für mehrere Bühnen und 50.000 Besucher. Ob 2025, wie in den Jahren zuvor, auch Teile der 16 Kilometer langen Kasematten für Exit-Acts geöffnet werden, ist noch unsicher, denn die Ticketzahl wurde auf 40.000 pro Tag beschränkt.

Ein Grund dafür könnten die derzeitigen Studentendemonstrationen sein. Exit, ursprünglich gegründet aus Protest gegen die Zustände in Jugoslawien, versteht sich als kosmopolitische Veranstaltung – und steht deshalb unter besonderer Beobachtung der Staatsführung.

Die Europäische Sahara ist eine grüne Wüste

Die Größe der Sandkörner schwankt zwischen 0,063 und zwei Millimetern, sie können kugelrund, eckig, spitz sein – und sie bedecken 30.000 Hektar Land im Südosten der Vojvodina: Damit bilden die Deliblater Dünen (Deliblatska peščara) eine der wenigen Wüsten des Kontinents, die ob ihrer bis zu 200 Meter hohen Binnendünen auch Europäische Sahara genannt wird.

Doch anders als es der Name vermuten lässt, ist die Landschaft heute ziemlich grün; im 19. Jahrhundert pflanzte man auf dem Sand Akazien, Fichten, Birken, Wacholdersträucher, um die Wucht der Karpatenwinde zu mildern.

Mit der Flora änderte sich die Fauna: So finden im südlichen Teil, auf Feuchtwiesen nahe der Donau, geschützte Tiere Zuflucht wie Wüstenameisen, Steppenspringmäuse, Ibisse und Kormorane. Und im Norden streifen Hirsche, Wildschweine, Wölfe und Luchse durchs Strauchwerk. 86 Tierarten leben heute in den Deliblater Dünen.

Naive Malerei in Kovačica ist Weltkulturerbe

Männer, die Felder bestellen, Frauen, die Käse zubereiten, Kinder, die mit Drachen spielen – die Sujets der Künstler aus Kovačica spiegeln den Alltag wider, während die kräftigen Farben wie die Trachten der einst aus der Slowakei zugewanderten Bauern leuchten. Und der grobe Pinselstrich? Auch er ist typisch für die als Naive Malerei bezeichnete Kunstrichtung aus der Vojvodina.

Seit einer ersten Ausstellung 1955 bis heute stieg die Zahl der Dörfler, die sich mit dem Stil einen Namen machten, auf 65. Ihre Kunst – sie wurde 2024 auf die Weltkulturerbeliste gesetzt –, lockt jährlich 20.000 Besucher nach Kovačica.

Bermet gab es auch auf der „Titanic“

Er war vor rund 100 Jahren ein beliebter Aperitif der Wiener Hautevolee und stand sogar auf der Weinkarte an Bord der „Titanic“: Bermet aus Syrmisch-Karlowitz. Der Vojvodina-Ort gehörte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs – wie die ganze Provinz – zur K.-u.-k.-Monarchie.

Auf dem Balkan war es damals üblich, Weine mit Früchten und Kräutern zu versetzen. Dass unter den unzähligen Dessertweinen, die als Bermet vermarktet wurden, ausgerechnet das Destillat aus Syrmisch-Karlowitz zu Berühmtheit gelangte, liegt wahrscheinlich an seinen 27 Zutaten, darunter Anis, Salbei, Koriander, Gewürznelke, Zitronenschale, Rosinen, Wermutkraut.

Zudem grenzt Sremski Karlovci, wie der Ort auf Serbisch heißt, an Fruška Gora. Das Mittelgebirge mit Weingärten, Obstplantagen und Wildkräuterwiesen gilt als Wiege des Bermet. Denn es sollen zuerst Mönche dort ansässiger Waldklöster gewesen sein, die Weine mit Kräutern versetzten. Die industrielle Bermet-Produktion begann später, im 19. Jahrhundert. Heute gehört Bermet zu den kulinarischen Aushängeschildern der Vojvodina.

Der Rundfunk bedient fast alle slawischen Sprachen

Ein Dutzend Minderheiten sind in der Vojvodina beheimatet. Neben Serben, die zwei Drittel der zwei Millionen Einwohner stellen, leben Ungarn, Rumänen, Kroaten, Slowaken, Russinen, Tschechen, Bulgaren, Albaner, Donauschwaben, Bunjewatzen, Schokatzen und Roma in der Provinz. Der Rundfunk der Vojvodina bedient fast alle slawischen Sprachen, mit einer Ausnahme: Für Serben, Kroaten, Montenegriner und Bosniaken wird einheitlich auf Serbokroatisch gesendet.

Serbokroatisch ist der Oberbegriff für den štokavischen Dialekt, den alle vier Volksgruppen nutzen. Sie können einander deshalb verstehen – und das so gut, dass ein 1954 in Novi Sad geschlossener Vertrag Serbokroatisch als Nationalsprache des damaligen Jugoslawiens bestimmte.

Das Zitat

„Wir haben eine wichtige Arbeit vollendet, die meinen Mann weltberühmt machen wird“

Es sind prophetische Zeilen, die Mileva Marić, Ehefrau von Albert Einstein und Mutter seiner drei Kinder, 1905 an eine Brieffreundin schrieb. 1875 in der Vojvodina geboren, hatte Marić als erste Serbin ein Mathematik- und Physikstudium an der Universität Zürich aufgenommen; die Schweiz war damals eines der wenigen europäischen Länder, die Frauen zum Studium zuließen.

An der Uni waren Marić und Einstein Kommilitonen, 1902 wurden sie ein Ehepaar. Schon während des Studiums hatten die beiden angehenden Wissenschaftler zusammengearbeitet – und das war offenbar später auch noch der Fall. So spricht Einstein in Briefen an Marić von „unserer Arbeit über die Relativbewegung“, und Zeitzeugen berichteten von wissenschaftlichen Manuskripten, die mit Einstein-Marić signiert waren.

Doch wie hoch letztlich der Anteil wirklich war, den die Serbin zu Einsteins 1905 veröffentlichten Arbeiten beisteuerte, ist nicht restlos geklärt. In der Vojvodina wird die Physikerin mit mehreren Büsten und einer 2014 erschienenen Briefmarke geehrt.

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