Größer könnte der Unterschied zu Baerbock kaum sein
Als Johann Wadephul vor inzwischen fast 17 Jahren einigermaßen überraschend seinen Entschluss bekannt gab, vom Stuhl eines ambitionierten CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag von Schleswig-Holstein auf den eines einfachen Bundestagsabgeordneten zu wechseln, war von der Außenpolitik als künftigem Betätigungsfeld nicht die Rede.
Zwei Fachbereiche seien für ihn von Interesse, bekundete der heute 62-jährige Fachanwalt für Medizin- und Sozialrecht sowie Oberstleutnant der Reserve damals: Arbeitsmarkt- und Verteidigungspolitik. Er wolle mit dem Wechsel nach Berlin seinen „Horizont erweitern“, erklärte Wadephul damals seinen abrupt vorgetragenen Wechselwunsch.
Nicht jeder Kieler Christdemokrat nahm ihm diese Erklärung ab. Manch einer äußerte vielmehr die Vermutung, der wechselwillige Wadephul werde die Bundestagskandidatur nutzen, um der damals noch stark von interner Missgunst geprägten Nord-Union endgültig zu entfliehen. Als schleswig-holsteinischer Landesparteichef hatte Wadephul bereits im Jahr 2002, nach gerade einmal zwei Amtsjahren, aufgegeben. In Berlin, als seit 2009 ständiger Abgeordneter des Bundestagswahlkreises Rendsburg-Eckernförde, bewies der verheiratete Vater dreier erwachsener Kinder dann deutlich mehr Stehvermögen und Anschlussfähigkeit.
Im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union und als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sammelte Wadephul erste außenpolitische Erfahrungen. Nach der Bundestagswahl 2013 wurde er Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag für die Länder des Nahen und Mittleren Ostens. 2017 dann der kleine Aufstieg zum stellvertretenden Fraktionschef der Union, zuständig für Auswärtiges und Verteidigung. Besonders auffällig trat er in diesen letzten Merkel-Jahren dennoch nicht in Erscheinung.
Mit Merz kann er ebenso wie mit Günther
Kein Glanz, sondern parlamentarische Kärrner-Arbeit prägte die bundespolitische Karriere des gebürtigen Nordfriesen – der Unterschied zwischen Johann Wadephul und seiner Vorgängerin, Annalena Baerbock von den Grünen, könnte kaum größer sein. Wadephul ist ein Teamplayer, kein Solist; immer loyal, manchmal fast zu unscheinbar für einen, der in den kommenden vier Jahren Staat machen soll für Deutschland.
In der Partei jedenfalls, die ihm in seinen Kieler Jahren auch viel Skepsis entgegengebracht hat, ist der neue Außenminister ebenfalls anerkannt. Mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der seinen Wohnsitz in Wadephuls Wahlkreis hat, ist der künftige Chefdiplomat ebenso verbunden wie mit CDU-Chef Friedrich Merz. Das ist angesichts der stets gepflegten Unterschiedlichkeit der beiden alles andere als selbstverständlich.
Vermittlungsfähigkeit, anderen zuhören und auf andere zugehen können, das sind die Stärken eines Politikers, dem die große Rede, das große Wort eher nicht gegeben ist. Über ein ausreichendes Maß an Bodenständigkeit verfügt Wadephul. Jetzt muss er beweisen, dass er auch 17 Jahre nach seinem Wechsel nach Berlin noch ausreichend Energie, Durchsetzungsvermögen und Neugier aufbringt, um noch einmal neue Horizonte zu erkunden. Und die Bürger von sich und seiner Vorstellung einer etwas stilleren, aber dafür vielleicht auch etwas effizienteren und weniger polarisierenden Form der Außenpolitik zu überzeugen.
Das wird natürlich nicht leicht in Zeiten, in denen Glanz und Glamour fast schon Voraussetzung dafür sind, um jene Aufmerksamkeit zu gewinnen, die Politiker benötigen, wenn sie erfolgreich sein wollen. In denen wichtige außenpolitische Entscheidungen absehbar im Kanzleramt und nicht am Werderschen Markt, dem Sitz des Auswärtigen Amtes, fallen werden.
Aber den Versuch, es anders und eben auch etwas besser zu machen, den wird der 16. Außenminister der Bundesrepublik, Johann Wadephul, mit Zähigkeit, Geduld und norddeutscher Gelassenheit unternehmen.
Ulrich Exner ist politischer WELT-Korrespondent in Norddeutschland und verfolgt den politischen Werdegang des künftigen Bundesaußenministers seit dessen Kieler Zeiten.
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