„Operation Aurora“ – So will Trump den Widerstand gegen seine Migrationspolitik brechen
Die Gebäude wurden evakuiert und ihre Bewohner anderweitig untergebracht. Türen und Fenster hat man mit Sperrholz vernagelt und den ganzen Komplex mit Absperrungen und Zäunen abgegrenzt, die über die Bürgersteige verlegt wurden. An einem Teleskopmast angebrachte Kameras überwachen die Straße.
„The Edge at Lowry“ ist eine Ansiedlung von sechs kleineren Backsteingebäuden mit je zwei Stockwerken in dem schachbrettartig angelegten Viertel der Stadt Aurora, eine der vielen Vororte von Denver im Bundesstaat Colorado. Obwohl die Siedlung bereits im vergangenen Februar geräumt und stillgelegt wurde, ist sie nach wie vor Brennpunkt eines Konflikts der Trump-Regierung und der amerikanischen Justiz.
Mehrere Zwischenfälle, die sich in den Apartments von The Edge ereignet haben, dienten US-Präsident Donald Trump während des Präsidentschaftswahlkampfs als Argument, die laxe Haltung der Demokraten in Bezug auf die illegale Einwanderung anzugreifen und die Anwesenheit von Banden wie dem Tren de Aragua auf amerikanischem Territorium anzuprangern, die mit Migranten aus Venezuela in die USA gelangten.
Tren de Aragua, benannt nach einem Eisenbahnprojekt in Venezuela, wurde im venezolanischen Gefängnis Tocorón gegründet und ist heute die mächtigste kriminelle Organisation des Landes.
Die Sozialwohnungssiedlung, die von einer New Yorker Firma verwaltet wird, war in der Gemeinde für seine Verwahrlosung und die mangelnde Instandhaltung durch ihre Eigentümer bekannt. Bewohnt wurde sie vor allem von erst kürzlich in den USA eingetroffenen Migranten. Zwischen 2022 und 2023 siedelten sich rund 43.000 neue Einwanderer in Aurora an, vor allem aus Venezuela.
Hilfsorganisationen für Migranten bringen die Familien in Siedlungen unter, in denen sie nur wenig Miete bezahlen müssen – Siedlungen wie The Edge. Unter den Einwanderern befinden sich jedoch auch Mitglieder von kriminellen Organisationen, wie die von Tren de Aragua.
In der hitzigen Atmosphäre des Präsidentschaftswahlkampfs landete Aurora im vergangenen August in der nationalen politischen Debatte, als ein Video in die Öffentlichkeit gelangte, auf dem bewaffnete Männer in den Korridoren eines der Gebäude von The Edge zu sehen waren.
Trump hält sein Wahlversprechen
Das Thema wurde von Danielle Jurinsky, einer gewählten Vertreterin des Stadtrats von Aurora, aufgegriffen. Die erst vor Kurzem gewählte Stadträtin, sichtlich wütend über die Aufnahmepolitik für Migranten, beschuldigte die Stadtverwaltung von Aurora und den Bundesstaat Colorado – beide von den Demokraten regiert – sie würden die Einwanderung zum Nachteil der Einwohner begünstigen.
So wurde Jurinsky zu einer nationalen Berühmtheit. Fox News lud sie ein, um vor den Gefahren einer unkontrollierten Einwanderung zu warnen. Auch Trump bediente sich der Affäre Aurora, die er in seinen Reden zitierte und versprach Massenabschiebungen mithilfe eines Plans, den er „Operation Aurora“ taufte.
Nach seiner Wiederwahl hat Trump Aurora und den Tren de Aragua in seiner Rede vor dem Kongress erneut erwähnt. Die Bande dient Trump zur Rechtfertigung für ein neu eingeführtes Abschiebemodell für illegale Einwanderer, das allerdings dem amerikanischen Justizsystem widerspricht. Am Tag seiner Amtsübernahme unterschrieb Trump ein Dekret, das die südamerikanischen Drogenkartelle als terroristische Organisationen deklariert.
Einen Monat später, am 19. Februar, setzt das Außenministerium den Tren de Aragua auf die Liste der „ausländischen Terror-Organisationen“, zusammen mit al-Qaida oder dem Islamischen Staat. Am 15. März zitiert Trump den „Alien Enemies Act“ von 1798 und beschuldigt die Bande, auf Befehl von Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro einen „irregulären Krieg“ zur Destabilisierung der USA zu führen.
Das Gesetz, das eigentlich für Kriegszeiten vorgesehen ist, wurde das letzte Mal während des Zweiten Weltkriegs angewandt, und zwar um Amerikaner japanischer Herkunft internieren zu können. Es verleiht Trump seiner Ansicht nach das Recht, jede Person, die dem Tren de Aragua angehören soll, sofort auszuweisen.
Noch am selben Abend transportierten drei Flugzeuge 238 Venezolaner sowie 23 salvadorianische Staatsangehörige, die der Zugehörigkeit anderer Drogenbanden verdächtigt wurden, nach El Salvador. Das Land wird von den USA dafür bezahlt, die Personen mindestens ein Jahr lang im Hochsicherheitsgefängnis einzusperren.
In Aurora zeigt sich einmal mehr der Machtkampf zwischen der Regierung Trump und der Justiz. Die US-amerikanische Bundesbehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement), die für die Einhaltung der Einwanderungsgesetze zuständig ist, nahm am 18. März eine Aktivistin namens Jeanette Vizguerra fest. Die illegal in die USA eingereiste Mutter wurde 2017 bekannt, als sie sich in eine Kirche in Colorados Hauptstadt Denver flüchtete und dort drei Jahre aufhielt, um so während der ersten Amtszeit von Donald Trump der Ausweisung zu entgehen.
Diese symbolträchtige Verhaftung ist eine klare Ansage an Aktivisten, die sich gegen die Praktiken der ICE wehren. Kritiker werten das Vorgehen als Teil eines umfassenderen Plans, um Migranten und Gegner der Abschiebepolitik einzuschüchtern.
Nach der Anwendung des Gesetzes gegen „feindliche Ausländer“ und der offensichtlichen Kampfansage an das Justizsystem, nimmt sich die Trump-Regierung nun auch die sogenannten Sanctuary Cities vor, also die Städte und Bundesstaaten, die von Demokraten regiert werden und sich weigern, mit den Bundesbehörden für Abschiebungen zu kooperieren.
„Schluss mit den Santuary Cities! Sie schützen Kriminelle, keine Opfer! Sie bringen Schande über unser Land und sorgen auf der ganzen Welt für Spott“, schrieb Donald Trump auf seinem Netzwerk Truth Social. Und weiter: „Ich arbeite an Dokumenten, die sämtliche Bundesfinanzhilfen für jede Stadt und jeden Staat aussetzen werden, die diese Todesfallen dulden!“
Diese Zufluchtsstätten stützen sich auf den zehnten Zusatzartikel der Verfassung, die den Staaten und Gemeinden das Recht gibt, selbst zu entscheiden, in welchem Maße sie bezüglich der Einwanderungsgesetze mit der Bundesregierung zusammenarbeiten wollen. Es gibt ein Dutzend Bundesstaaten, darunter Colorado, sowie Dutzende Städte wie Aurora, die auf die eine oder andere Weise die Durchsetzung der umstrittenen Einwanderungsgesetze des Bundes behindern.
„Der Status der Schutzstadt ist jahrhundertealt“, erklärt John Fabbricatore, ehemaliger Direktor des ICE-Büros in Denver. „In den meisten Fällen verlangen die Einwanderungsbehörden nur Informationen. Diese werden von den Sanctuary Cities nur begrenzt weitergegeben. Die Polizei von Aurora ging sogar so weit, das Feld zum Geburtsort in den Polizeiberichten nicht auszufüllen“, fügt er hinzu.
„Zahlreiche Schutzstädte halten diese Information ganz bewusst zurück, damit sie nicht in den zentralen FBI-Dateien landet. Das zeigt ganz klar, dass sie versuchen, das Bundesgesetz zur Einwanderung zu umgehen.“ Fabbricatore trat 2022 von seinem Posten zurückt – verärgert über die Regierung von Joe Biden und die Art und Weise, wie sie mit der Situation an der Grenze umging.
Er ist Autor eines Buches, in dem er die Missstände in den Sanctuary Cities scharf kritisiert. Im letzten November kandidierte er im Wahlkreis Aurora für den Kongress, wurde allerdings von seinem demokratischen Kontrahenten Jason Crow geschlagen. Fabbricatore kritisiert weiterhin die Politik in Colorado, die seiner Ansicht nach zu lax ist.
Colorado war der erste Bundesstaat, der Marihuana legalisierte, und wird als eine Art Laboratorium für progressive Politik betrachtet. „Einer der Vorteile für illegale Einwanderer in Colorado besteht darin“, so Fabbricatore weiter, „dass man hier Führerscheine (die in den USA auch als Identitätsnachweise dienen, Anm. d. Red.) ausstellt, ohne nach der Mindestaufenthaltsdauer zu fragen.“ Zudem hat Colorado öffentlich erklärt, dass es illegal eingereiste Ausländer, die von der ICE gesucht werden, verstecken werde.
Dieser Artikel erschien zuerst bei „Le Figaro“, wie WELT Mitglied der Leading European Newspaper Alliance (Lena). Übersetzt aus dem Französischen von Bettina Schneider.
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