Der Vater: US-Veteran, die Mutter: Vize-Direktorin beim CIA. Der Sohn: erst Hippie, dann in der Ukraine als Legionär im Dienste Russlands. Was trieb den Amerikaner in die Arme Putins?

Michael Gloss baute als Kind Waldhöhlen. Er war Pfadfinder, liebte Fußball und ging nach der Schule auf das "grünste" College der USA. Es gibt ein Video von ihm, das zeigt, wie er sich liebevoll um drei Kücken kümmert. Michael, das lässt sich wohl sagen, war Hippie. Vor einem Jahr dann fiel er in der Ukraine. Als Soldat. Er war für Russland in den Krieg gezogen.

Das unabhängige russische Portal "iStories" berichtet jetzt über den ungewöhnlichen Weg des jungen, abenteuerlustigen Amerikaners, der sich freiwillig der russischen Armee angeschlossen hatte.

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"Michael wurde in aller Eile an einem verschneiten Abend am 4. Dezember 2002 geboren", schreibt seine Familie in einem Nachruf. "Als Junge war er liebevoll und neugierig, hatte eine Begabung für das Bauen und eine Vorliebe für die Natur und alle ihre Geschöpfe." Für einen kurzen Moment wurde der 22-Jährige im Juli vor drei Jahren berühmt. Damals wurde er bei Klimaprotesten in Washington festgenommen. Die "Washington Post" druckte ein Foto von ihn in Handschellen. Seine Aktivistenfreunde bejubelten die Aufmerksamkeit auf Facebook.

Amerikaner in der Ukraine: "Er war wirklich wie ein Engel"

Viele Freunde von Michael, mit denen das Portal "iStories" gesprochen hat, redeten nur in höchsten Tönen von ihm: "Er hatte wirklich ein wundervolles Herz. Und er strahlte nie etwas Negatives aus, er war wirklich wie ein Engel", sagt etwa Gamze, eine Türkin, die er bei einem Treffen der "Rainbow Family" kennengelernt hat. In dieser Regenbogen-Community treffen sich weltweit Hippies, Weltverbesserer, Esoteriker, Umweltschützer, Gläubige, Ungläubige, Eigenbrötler und Aussteiger aller Art. 

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In Hatay, im Süden der Türkei half er den Opfern des schweren Erdbebens von 2023. Aber irgendwas muss mit Michael in dem Land passiert sein. Später erinnert sich ein Bekannter, der ihn Istanbul beherbergt hatte: "Als ich ihn das letzte Mal sah, redete er ständig über negative Dinge wie Armut und den Zusammenbruch von Zivilisationen."

"Gewalt ein wesentlicher Bestandteil der USA"

Er selbst beklagte sich auf seinem Telegram-Kanal über sein Heimatland: "Als ich das politische System der USA verstanden hatte, wurde mir klar, dass Gewalt ein wesentlicher Bestandteil davon ist. Es gibt zu viele Arten von Gewalt, die durch Kriege verbreitet wurden. Ich meine damit, dass Amerika heute in der Armee Finanzkriegführung lehrt. Der moderne Soldat ist ein Geschäftsmann."

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Trotz seines Aktivismus in Sachen Frieden und Gerechtigkeit, hatte er zeitlebens intime Einblicke ins US-Militär. Denn beide Eltern sind Soldaten. Seine Mutter Juliane Gloss war die erste Brigadekommandantin an der Marineakademie. Sie durchlief diverse Stationen beim Militär, wechselte zum Geheimdienst und ist seit Anfang 2024 Vize-Direktorin beim CIA, Schwerpunkt digitale Innovation. Michaels Vater Larry ist ebenfalls Veteran, er war unter anderem bei der US-Invasion des Irak Anfang der 1990er Jahre dabei.

"Alle fingen an, ihn Jesus zu nennen"

Warum genau Michael Gloss ebenfalls zum Soldaten wurde, bleibt trotz langer Recherche von "iStories" unklar. Aber offensichtlich veränderte er sich auf seiner Weltreise, die nach Abbruch seines Studiums antrat, deutlich. Im Frühjahr 2023 zeigen ihn Fotos in einem langen Umhang, mit langem Haar und langem Bart. "Alle fingen an, ihn Jesus zu nennen, weil er wie Jesus gekleidet war und Brot verteilte", erzählt seine Bekannte Gamze später.

Ein weiterer früherer Begleiter sagte zu "iStories", Michael habe gewirkt, als stehe er unter dem Einfluss von Verschwörungsvideos. Außerdem habe ihn Israels Krieg im Gazastreifen empört. Und in Russland sah er offenbar einen Verbündeten der Palästinenser. "Er wollte Krieg gegen die USA führen", so der Bekannte.

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Im August 2023 meldete sich Michael aus Russland im Chat der Rainbow-Family. Er sei ein "Reisender, der Russisch lernen und den militärisch-industriellen Komplex besiegen will", schreibt er später. Geld hat er nicht, stattdessen schnorrt er sich durch, lebt in notdürftig zusammengezimmerten Hütten. Nicht einmal einen Monat später, am 5. September, taucht der Name Michael Gloss in der Datenbank des Rekrutierungszentrums "Emias" auf, wie "iStories" recherchiert hat.

Michael Gloss trägt eine leuchtend rote Kufiya 

Zwei Wochen lang absolviert er die Standardausbildung. Von nun an ist Michael einer von mehr als 1500 Ausländern aus 48 Ländern, die während des Krieges in der Ukraine das russische Rekrutierungszentrum durchlaufen haben. Auf Bildern ist er in einer leuchtend roten Kufiya zu sehen, dem arabischen Kopftuch. Auf einem Fragebogen gibt er als Religion "Islam" an. Spätestens am 23. September wurde seine Einheit, die fast nur aus nepalesischen Staatsbürgern besteht, zu einer Militäreinheit gebracht.

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Am 4. April 2024 wird Michael getötet. Seine Familie erfährt erst sehr viel später davon. An dem Tag setzt die 106. Luftlandedivision Fallschirmjäger im Gebiet Donezk in der Nähe von Rozdolivka und Vesele ab – trotz schwieriger Geländeverhältnissen und ungünstiger Positionen. Die genauen Umstände von Michaels Tod bleiben unbekannt. "Er war auf dem Weg, sein eigenes Heldentum zu schmieden, als er auf tragische Weise in Osteuropa ums Leben kam", schreiben seine Eltern über ihren Sohn.

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