58 Prozent der Deutschen wollen Wehrpflicht – 18- bis 29-Jährige sind mehrheitlich dagegen
Eine Mehrheit der Deutschen spricht sich für die Wiedereinführung einer Wehrpflicht aus. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen YouGov-Umfrage zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die WELT exklusiv vorliegt. Allerdings lehnt die Gruppe der 18- bis 29-Jährigen, die von einer Wiedereinführung betroffen wäre, die Wehrpflicht mehrheitlich ab.
Insgesamt befürworten es 58 Prozent der Bevölkerung, wenn junge Menschen wieder eine Wehrpflicht absolvieren müssten, 34 Prozent sind dagegen. Bei den 18- bis 29-Jährigen begrüßt nur jeder Dritte eine Wehrpflicht, 61 Prozent lehnen sie ab. Grundsätzlich steigt die Zustimmung zur Wiedereinführung der Wehrpflicht mit dem Alter. „Diejenigen, die eine Maßnahme nicht betrifft, befürworten sie eher. Das ist ein typisches Muster“, sagt YouGov-Meinungsforscher Frieder Schmid.
Ein Unterschied zeigt sich auch bei der Aufschlüsselung nach Parteien. Wähler der CDU, der AfD, der FDP und der SPD sind mehrheitlich für eine Wehrpflicht, Wähler von Grünen, Linkspartei und BSW lehnen diese mehrheitlich ab. „Grünen-Wähler haben zwar an anderer Stelle klare Positionen in der Verteidigungspolitik“, sagt Schmid. „Aber bei der Wehrpflicht ist ihnen die individuelle Freiheit wichtiger.“
So sprechen sich Grünen-Anhänger mit 88 Prozent am deutlichsten dafür aus, dass die Ukraine den Krieg gewinnen solle. Grünen-Politiker wie Anton Hofreiter werben seit Monaten für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an Kiew. Selbst der Parteinachwuchs der Grünen Jugend fordert weitere Waffenlieferungen an die Ukraine.
Im Jahr 2011 wurde in Deutschland die Wehrpflicht unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt – und damit de facto abgeschafft. Angesichts des Rückzugs der Amerikaner aus der Verteidigung Europas sprechen sich Politiker verschiedener Parteien für eine Wiedereinführung aus. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte im Juni das Modell eines Wehrdienstes vorgestellt, bei dem die Wehrerfassung Pflicht ist, bei der Rekrutierung aber weiter auf Freiwilligkeit gesetzt wird.
Eine erneute Wehrpflicht wird indes nicht nur in Deutschland diskutiert. Im Rahmen des „Eurotrack“-Panels ermittelte YouGov die Zustimmung dazu auch in Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. In all diesen Ländern wurde die Wehrpflicht teils vor Jahrzehnten zugunsten einer Berufsarmee abgeschafft. Wie in Deutschland spricht sich auch in Frankreich eine Mehrheit (68 Prozent) für eine Wiedereinführung aus. In Italien und Großbritannien ist das Meinungsbild gemischt, in Spanien sind die Gegner knapp in der Mehrheit.
Bevölkerung bevorzugt höhere Schulden zur Finanzierung der Aufrüstung
Der Plan von Union und SPD, die Schuldenbremse für zusätzliche Verteidigungsausgaben zu lockern und ein Sondervermögen für Infrastruktur einzurichten, war zum Zeitpunkt der Umfrage noch nicht bekannt. Doch bereits im Wahlkampf war klar, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben angesichts entsprechender Forderungen aus den USA wohl auf drei bis fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöhen muss. In der Bevölkerung stößt keine der möglichen Finanzierungen auf Zustimmung – es gibt nur ein geringeres Übel.
Besonders unpopulär sind Steuererhöhungen, die von 79 Prozent der Bürger abgelehnt werden. Auch Kürzungen im öffentlichen Dienst lehnt knapp die Hälfe der Deutschen (52 Prozent) ab. Eine Erhöhung der staatlichen Verschuldung trifft bei 45 Prozent auf Ablehnung. Mit 44 Prozent treffen neue Schulden aber auf eine höhere Zustimmung als Kürzungen (37 Prozent) oder Steuererhöhungen (14 Prozent). „Im Vergleich der drei Optionen gibt es eine Präferenz in der Bevölkerung für höheren Schulden“, sagt Schmid.
Wähler der SPD und der Grünen, aber auch der Union, sprechen sich mehrheitlich für die Schuldenlösung aus. Bei Wählern von AfD und BSW trifft sie mehrheitlich auf Ablehnung, FDP-Wähler sind gespalten. Zudem treffen Kürzungen im öffentlichen Dienst bei AfD- und FDP-Wählern auf größere Zustimmung als eine zusätzliche Verschuldung.
Auffällig ist, dass im europäischen Vergleich die Zustimmung zu weiteren Schulden deutlich geringer ausfällt. In Frankreich befürwortet das nur jeder Dritte, in Großbritannien (27 Prozent), Spanien (18 Prozent) und Italien (10 Prozent) sind es noch weniger. „Die Diskussion über Schulden ist in Deutschland eine andere“, sagt YouGov-Meinungsforscher Schmid. „Daran ist eine Regierung zerbrochen. In Frankreich ist die Debatte eher, ob das Land bereits ein Verschuldungsproblem hat.“
Europäer halten Donald Trump für fast so gefährlich wie Wladimir Putin
Die Debatte zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und Europas hängt wesentlich mit zwei Personen zusammen – Kreml-Chef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump. Beide Staatschefs werden von den Europäern als große Gefahr für den Frieden und die Sicherheit gesehen. 79 Prozent der Deutschen sagen, von Putin gehe sehr viel oder eher viel Gefahr aus. Über Trump sagen dies mit 74 Prozent fast genauso viele. Mit Ausnahme Italiens zeigt sich in den anderen Ländern des „Eurotrack“-Panels ein ähnliches Bild. Dort sagt jeder Dritte, von Trump gehe nicht oder nicht sehr viel Gefahr aus. „Italien ist mit der ausgeprägteren Sympathie für Donald Trump eine Ausnahme“, sagt Schmid.
Mit Blick auf die militärische Unterstützung der Ukraine macht sich die Bevölkerung in Deutschland und in Europa keine Illusionen, einen dauerhaften Rückzug der USA aus dem Konflikt kompensieren zu können. 51 Prozent der Deutschen sagen, Europa wäre dazu nicht in der Lage. Ein Viertel (25 Prozent) sieht diese Möglichkeit, ein knappes weiteres Viertel (24 Prozent) will diese Frage nicht einschätzen. In Großbritannien und Spanien glaubt immerhin jeder Dritte, der Westen könne die Ukraine ohne die USA ausreichend weiter unterstützen.
Eine Friedensmission in der Ukraine, für die das eigene Land Soldaten stellen müsste, wird in Großbritannien (52 Prozent), Frankreich (49 Prozent) und Spanien (53 Prozent) mehrheitlich begrüßt. In Italien (45 Prozent) und Deutschland (47 Prozent) sind hingegen die Gegner einer solchen Mission in der Mehrheit. Ebenso umstritten ist innerhalb Europas ein Nato-Beitritt der Ukraine. Briten (62 Prozent) und Spanier (57 Prozent) begrüßen den Beitritt mehrheitlich, während Deutsche (46 Prozent), Italiener (38 Prozent) und Franzosen (33 Prozent) ihn mehrheitlich ablehnen.
47 Prozent der Deutschen für Verhandlungsfrieden im Ukraine-Krieg
Insgesamt ist die Bereitschaft für eine Unterstützung der Ukraine nach Einschätzung der YouGov-Meinungsforscher weiter hoch. In allen fünf Ländern bejaht eine Mehrheit, dass der Ausgang des Kriegs in der Ukraine sie etwas angehe. Ebenso wünscht sich eine Mehrheit den Sieg Kiews. In Deutschland und Italien fällt dieser Wunsch mit 58 bzw. 49 Prozent aber nicht so groß aus wie in Spanien, Frankreich und Großbritannien mit bis zu 77 Prozent.
Die Haltung zu einem Friedensschluss hat sich aber in den vergangenen zwei Jahren verschoben. 47 Prozent der Deutschen sagen inzwischen, der Westen sollte einen Verhandlungsfrieden fördern, auch wenn dies bedeute, dass Russland weiter Teile der Ukraine kontrollieren würde. 30 Prozent sind für eine Unterstützung der Ukraine, bis sich Russland zurückzieht, auch wenn der Krieg dadurch länger dauert. Diese Haltung hat nur in Großbritannien noch eine Mehrheit.
„Die Sympathie liegt aufseiten der Ukraine“, sagt Schmid. Nach dem Eklat im Weißen Haus beim Treffen von Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der zu Beginn der Befragung erfolgte, gebe es aber keine Bereitschaft, für Kiew All-In zu gehen und sich zum Beispiel deutlicher für zusätzliche Schulden zur Verteidigung auszusprechen. „Das kann sich noch ändern“, sagt Schmid. „Es braucht häufig etwas Zeit, bis sich eine veränderte Lage in der öffentlichen Meinung niederschlägt.“
Die YouGov „Eurotrack“-Umfrage ist repräsentativ für die Wohnbevölkerung innerhalb der beteiligten Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. In Deutschland befragte YouGov vom 28. Februar bis zum 4. März 2025 insgesamt 2608 Personen in Online-Interviews.
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