Warum Jens Spahn die Union killt
Wenn die schwarz-rote Regierung steht, ist eines gewiss: Es folgt das Comeback von Leuten, die man nie wiedersehen wollte, die aber nicht totzukriegen sind. Manche sagen, das gelte für die gesamte CDU, aber so brutal wollen wir im Frühling nicht sein. Wir sprechen auch nicht von Armin Laschet, dem grinsenden Walking Dead der Konservativen. Es ist ja viel schlimmer: Jens Spahn ist wieder da.
Zugegeben, irgendwie war er nie ganz weg, er pendelte im Minutentakt zwischen Lanz und Maischberger. Aber bald soll er auch wieder Verantwortung tragen. Wobei, Spahn und Verantwortung in einem Satz – das hat die gute alte Verantwortung nicht verdient.
Der Münsterländer, der im dringenden Verdacht steht, Fraktionschef zu werden, sagte, die Ampel sei "mit großen Vorschusslorbeeren gestartet, doch dann wurde es furchtbar." Bei Schwarz-Rot ist es schon jetzt umgekehrt: Es geht gleich furchtbar los. Mit Spahn, der wieder das tut, was er am besten kann: etwas fordern.
Jens Spahns verhaltensoriginelle Position
Genauer: Er hat seine vollautomatische Forderanlage wieder in Betrieb genommen: Diesmal fordert er einen "anderen Umgang" mit der AfD. Eine – vorsichtig formuliert – verhaltensoriginelle Position für jemanden, dessen Partei gerade dabei ist, Regierungsverantwortung zu übernehmen, gegenüber einer rechtsextremen Oppositionspartei. Die wiederum selbst einen recht extremen Umgang mit anderen Parteien pflegt.
Das ist mal eine ganz eigenwillige Interpretation der alten SPD-Idee von "Fördern und Fordern". Dabei gibt es ja ab und zu Momente, in denen Jens Spahn so etwas wie Vernunft zeigt: "Das beste Mittel gegen Stimmen für die extreme Rechte ist einfach Politik, die einen Unterschied macht." Na ja, auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn, würde der berüchtigte Volksmund wohl dazu sagen. Aber genau darum geht’s doch: Eine Politik machen, die den Unterschied macht, auch deutlich macht. Also das Gegenteil von Spahns Flirtereien und Ankuscheleien an die AfD. Einen Unterschied machen heißt eben nicht, die Extremisten kopieren, um sich anschließend von ihnen in den Schatten stellen zu lassen – oder von ihr vernichtet zu werden.
Der Feind der AfD ist die Union, nicht die Grünen
Denn genau das will doch die AfD – die Union so lange zu Tode umarmen, bis sie keine Luft mehr kriegt und erstickt. Der Feind der AfD ist die Union, nicht die Grünen oder die Linken. Letztere kriegen sie nach der Machtübernahme von alleine plattgewalzt, wenn erst das größte Hindernis – die Konservativen – aus dem Weg geräumt sind.
Friedrich Merz hat das verstanden. Und die komplette Truppe der AfD. Ist das die neue Multipolarität in der Union, dass der designierte Fraktionschef das Gegenteil von dem erzählt, was der Parteichef sagt?
Gut, vielleicht meint Spahn ja etwas anderes. Wenn er sagt, man solle die AfD "wie jede andere Oppositionspartei behandeln", könnte das auch bedeuten: jede so, wie sie es verdient: Häme gegen das BSW, Mitleid mit der FDP, die Grauen Panther und die Tierschutzpartei völlig vergessen. Und gegen die AfD eben eine Brandmauer, wie es sich für eine Demokratie gehört, die nicht freiwillig mit dem Faschismus untergehen möchte.

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Eine Brandmauer wäre auch gut im Umgang mit Jens Spahn, vielleicht könnte man sagen, man muss mit Jens Spahn umgehen wie mit anderen auch, die den Steuerzahler zwei Milliarden Euro und mehr gekostet haben. Hoffentlich arbeitet Biontech schon fleißig an einem Impfstoff gegen den neuartigen Jens-Spahn-Virus-25.
Vorsatz oder hochprofessionelle Dummheit
Der Slogan der AfD war zuletzt "Deutschland, aber normal." Jens Spahn und sein Ehemann sind damit laut Parteiprogramm der AfD jedenfalls nicht gemeint, nicht einmal im Promillebereich. Und genau diese Partei will Jens Spahn jetzt normalisieren. In einer Koalition aus Union und AfD müsste Jens Spahn vermutlich Deutschland verlassen. Ich fürchte, das sind Zusammenhänge, die Jens Spahn großzügig ausblendet.
Warum kann sich Jens Spahn nicht endlich das Grab seiner eigenen Karriere schaufeln, statt das der Union? Wer die AfD normalisiert, zerstört nicht die AfD, sondern die CDU. Mittlerweile eine Binsenweisheit. Man muss also davon ausgehen, dass es sich bei Jens Spahn um Vorsatz handelt. Oder einfach nur um hochprofessionelle Dummheit.
Florian Schroeder, geboren 1979, ist Satiriker, Autor und Publizist. Er studierte Germanistik und Philosophie in Freiburg. In der ARD hostete er bis 2023 die Sendungen "Spätschicht", "Die Florian Schroeder Satireshow" und "Schroeder darf alles". Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, zum Beispiel "Unter Wahnsinnigen. Warum wir das Böse brauchen." Derzeit ist er mit seinem Bühnenprogramm "Neustart" auf Tour. Seit Juni 2024 hat Schroeder die Kolumne "Kurz und schmerzhaft" auf stern.de.
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