Migration, Steuern, Wehrdienst – Die wichtigsten Punkte des Koalitionsvertrags
Mehr als 140 Seiten hat der Koalitionsvertrag von Union und SPD. Die Parteien wollen den Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus aussetzen, das Bürgergeld verschärfen und ein auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell einführen. Die wichtigsten Punkte im Überblick.
Steuern
Die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen soll gesenkt werden, und zwar in etwa zwei Jahren. Der umstrittene Solidaritätszuschlag bleibt wie bisher für einkommensstarke Bürger und Unternehmen. Die Pendlerpauschale ab 2026 soll schon ab dem ersten Kilometer bei 38 Cent liegen. Zur Entlastung von Unternehmen sollen zuerst steuerliche Abschreibungsregeln angepasst werden. Für 2025, 2026 und 2027 soll auf Ausrüstungsinvestitionen eine degressive Abschreibung von 30 Prozent gelten. Danach soll ab 2028 die Körperschaftsteuer schrittweise sinken.
Bürgergeld
Die künftige Regierung will beim Bürgergeld strengere Regeln einführen. Die Sozialleistung soll in „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umbenannt werden. Im Fokus stehe dann wieder die Vermittlung in einen Job und nicht mehr Weiterbildung und Qualifizierung. Wenn die Bezieher ihren Pflichten nicht nachkommen, sollen „schneller, einfacher und unbürokratischer“ als bisher die Leistungen gekürzt werden. Auch ein „vollständiger Leistungsentzug“ soll möglich sein.
Industriestrompreis
Energieintensive Unternehmen sollen mit einem günstigeren Industriestrompreis entlastet werden. Die Stromsteuer soll auf den europäischen Mindestwert sinken, ebenso Umlagen und Netzentgelte. Das soll zu Entlastungen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde führen.
Energiepolitik
Union und SPD wollen bis auf Weiteres keine Rückkehr zur Nutzung von Atomenergie prüfen.
Lieferkettengesetz
Das bisherige deutsche Lieferkettengesetz soll abgeschafft und durch eine andere Regelung ersetzt werden. Die Berichtspflicht nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz „wird unmittelbar abgeschafft und entfällt komplett“. Das seit Anfang 2023 geltende Gesetz soll sicherstellen, dass bei Produkten, die im Ausland für den deutschen Markt hergestellt werden, bestimmte Arbeits- und Umweltstandards eingehalten werden. In den kommenden Jahren soll ein europäisches Lieferkettengesetz in Kraft treten.
Rückführungsoffensive
Die Parteien haben sich auf ein Bündel von Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration geeinigt. In ihrem Koalitionsvertrag kündigen sie eine „Rückführungsoffensive“ mit mehr Haftmöglichkeiten für Ausreisepflichtige an. Vorgesehen ist zudem, freiwillige Aufnahmeprogramme des Bundes „so weit wie möglich“ zu beenden. Das Ziel der „Begrenzung“ der Migration soll außerdem wieder ausdrücklich in das Aufenthaltsgesetz geschrieben werden.
Zurückweisungen an den Grenzen
Bei den von der Union geforderten Zurückweisungen an den Grenzen auch von Asylsuchenden bleibt es beim Sondierungskompromiss, dass diese „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ erfolgen sollen. Dies wurde schon bisher unterschiedlich interpretiert: Unionsvertreter sahen keine Notwendigkeit einer Einwilligung der betroffenen Länder, die SPD schon. SPD-Chef Lars Klingbeil betonte am Mittwoch, „das Grundrecht auf Asyl“ bleibe dabei „unantastbar“.
Familiennachzug
Der Familiennachzug für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte wird für zwei Jahre ausgesetzt – also für Menschen, die kein Asyl bekommen, aber aus anderen Gründen vorerst bleiben dürfen. „Danach prüfen wir, ob eine weitere Aussetzung der zuletzt gültigen Kontingentlösung im Rahmen der Migrationslage notwendig und möglich ist“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Turbo-Einbürgerungen
Die von der Ampel-Regierung eingeführte beschleunigte Einbürgerung besonders gut integrierter Zuwanderer soll wieder abgeschafft werden. Diese hatte es Menschen mit besonderen Integrationsleistungen ermöglicht, nach drei Jahren einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen. Die von der Union als „Turbo-Einbürgerung“ geschmähte Möglichkeit soll nun gestrichen werden. An der Reduzierung der Wartefrist für normale Einbürgerungen von acht auf fünf Jahre und an der Erlaubnis für den Doppelpass, die von der Ampel ebenfalls beschlossen worden war, wollen CDU, CSU und SPD aber festhalten.
Entzug der Staatsbürgerschaft
Abstand genommen haben die Verhandler von der bei den Sondierungsgesprächen noch diskutierten Idee, eingebürgerten Menschen, die mehr als eine Staatsangehörigkeit haben, in bestimmten Fällen die deutsche Staatsangehörigkeit wieder zu entziehen. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir prüfen Änderungsbedarf bei Ausweisung auch bei öffentlicher Aufforderung zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“ Dies würde dann nur Ausländer betreffen, nicht deutsche Staatsbürger.
Verteidigungsausgaben
Union und SPD wollen in einer gemeinsamen Bundesregierung die Verteidigungsausgaben „deutlich und stringent“ steigern. Dies müsse laut Koalitionsvertrag „bis zum Ende der Legislaturperiode“ geschehen. „Die Höhe unserer Verteidigungsausgaben richtet sich nach den in der Nato gemeinsam vereinbarten Fähigkeitszielen.“ Eine konkrete Höhe nennt das Papier nicht. Angestrebt werde ein mehrjähriger „Investitionsplan für die Verteidigungsfähigkeit“. Noch im ersten halben Jahr der Regierungsarbeit solle „ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr“ beschlossen werden.
Wehrdienst
Mit einem neuen Wehrdienst soll die Bundeswehr laut Koalitionsvertrag mehr Soldaten gewinnen: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert.“
Noch in diesem Jahr will die künftige Bundesregierung die Voraussetzung für eine „Wehrerfassung und Wehrüberwachung“ schaffen. Vorbild soll das schwedische Wehrdienstmodell sein, das auf einem Online-Fragebogen basiert, der allen Männern und Frauen im wehrpflichtigen Alter zugesendet wird und Motivation, Fähigkeiten und Interessen abfragt. Auf dieser Grundlage wird ein Teil der Personen zur Musterung geladen.
Rente
Das Rentenniveau in Deutschland soll bis zum Jahr 2031 bei 48 Prozent abgesichert werden. „Die Mehrausgaben, die sich daraus ergeben, gleichen wir mit Steuermitteln aus“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. Auch künftig soll nach 45 Beitragsjahren ein abschlagsfreier Renteneintritt möglich bleiben. Zugleich sollen finanzielle Anreize für das Arbeiten im Alter mit einer Aktivrente geschaffen werden: „Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei.“
Und die Mütterrente soll ausgebaut werden: Sie werde mit drei Rentenpunkten für alle vollendet, „unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder“, um allen Müttern die gleiche Wertschätzung und Anerkennung zu gewährleisten. Auch diese Finanzierung soll aus Steuermitteln erfolgen.
Wohnungsbau
Die angehenden Koalitionäre wollen das Baugesetzbuch in zwei Schritten novellieren. In den ersten 100 Tagen soll ein Gesetzentwurf zur Einführung eines sogenannten Wohnungsbau-Turbos vorgelegt werden. Unter anderem ist dabei vorgesehen, die Bestimmung der Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt um fünf Jahre zu verlängern. „In einem zweiten Schritt werden wir eine grundlegende Reform zur Beschleunigung des Bauens vornehmen“, heißt es in dem Entwurf weiter. Um „eine nachteilige Ausstrahlungswirkung“ auf die Umgebung zu vermeiden, werde das Vorkaufsrecht für Kommunen in Milieuschutzgebieten und bei Schrottimmobilien entsprechend gestärkt.
Heizungsgesetz
Das Heizungsgesetz soll gestrichen werden. „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen“, steht im Koalitionsvertrag. Das neue Gebäudeenergiegesetz solle „technologieoffener, flexibler und einfacher“ werden. Die erreichbare CO₂-Vermeidung solle „zur zentralen Steuerungsgröße“ werden. Die Union als Wahlsieger hatte angekündigt, das Gebäudeenergiegesetz (GEG), oft als Heizungsgesetz bezeichnet, grundlegend zu überarbeiten.
Deutschlandticket
Das Deutschlandticket bleibt. Anders als im Sondierungspapier von Ende März sieht der Koalitionsvertrag aber Preissteigerungen für das Monatsabo erst ab 2029 vor. Zuvor war 2027 als Startdatum für „schrittweise und sozialverträglich“ Preiserhöhungen genannt worden. Derzeit kostet das Ticket 58 Euro im Monat. Wie die Finanzierung künftig gesichert werden soll, ist dem Koalitionsvertrag nach zu urteilen weiterhin nicht abschließend geregelt.
Corona-Aufarbeitung
Der Bundestag soll das staatliche Vorgehen in der Corona-Krise aufarbeiten. „Wir werden die Corona-Pandemie umfassend im Rahmen einer Enquete-Kommission aufarbeiten, insbesondere um daraus Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse abzuleiten“, vereinbarten CDU, CSU und SPD. In der vergangenen Wahlperiode war eine umfassende Analyse und Auswertung der Schutzmaßnahmen mit Masken, Tests und Alltagsvorgaben nicht zustande gekommen.
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