Handelsminister Howard Lutnick bezeichnete Donald Trumps Post auf Truth Social als „den außergewöhnlichsten seiner Präsidentschaft“. Nur zwölf Minuten zuvor hatte der US-Präsident den Handelskrieg mit einem großen Teil der Welt entschärft. Für 90 Tage werden die erhöhten „reziproken“ Zölle pausiert, um zu verhandeln. In dieser Zeit gilt ein der neue universale Zollsatz von zehn Prozent. Nur für China nicht. Da Peking einen „Mangel an Respekt“ gezeigt habe, so Trump, erhöhte er den Zoll für das Land von 104 auf 125 Prozent.

Damit hat Trump das getan, was er und seine Mitarbeiter in den vergangenen Tagen vehement ausgeschlossen haben: Einknicken. Noch am Dienstag beteuerte seine Sprecherin Karoline Leavitt, dass sich der Präsident definitiv nicht mit der Frage einer Pausierung der Zölle befasse. Doch Trump hatte keine andere Wahl.

Dass der US-Präsident den Handelskrieg überhaupt begonnen hatte, lag an den, in seiner Wahrnehmung, „unfairen“ Handelsbeziehungen mit den allermeisten Ländern der Welt. Dabei ging es ihm nicht nur um Einfuhrzölle amerikanischer Handelspartner, sondern auch um nicht-tarifäre Handelshemmnisse anderer Staaten.

Mit den Zollankündigungen wollte der Präsident andere Staaten an den Verhandlungstisch zwingen. „Das Telefon klingelt ohne Unterlass“, jubelte das Weiße Haus am Dienstag. 70 Länder hätten Gesprächsbereitschaft angekündigt. „Ich weiß gar nicht, wann ich mit denen alle reden soll“, witzelte Trump am Dienstag. In seinen Augen ist die Strategie also aufgegangen.

Dass in der Zwischenzeit die gesamte Weltwirtschaft in den Abgrund zu rutschen drohte, scherte ihn nicht. „Bleibt cool“, schrieb er noch am Mittwochmorgen auf Truth Social, angesichts der seit Tagen immer weiter einbrechenden Aktienkurse. Kritik seiner wohlhabenden Spender, wie Bill Ackmann, die selbst Millionen an Vermögen verloren, ignorierte er geflissentlich. Der Hedgefondsmanager warf ihm vor, einen „nuklearen wirtschaftlichen Winter“ anzuzetteln. Selbst Elon Musk kritisierte die Zollpolitik öffentlich und ging Handelsberater Peter Navarro öffentlich an. Dieser sei „dümmer als ein Sack Steine“, schrieb der Tesla-Chef auf X.

Anders als sämtliche Ökonomen sah Trump nie ein Problem mit dem Instrument der Zölle. Ganz im Gegenteil – die hätten gar positive Effekte. Sie würden „Billionen und Aberbillionen von Dollar generieren, um unsere Steuern zu senken und unsere Staatsschulden zu begleichen“, sagte er bei seiner Rede am 2. April, dem „Tag der Befreiung“.

Zölle hatten gravierende Folgen für US-Anleihemarkt

In den vergangenen Tagen wurde aber deutlich, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. Am Anleihe-Markt kam es zu einer bedrohlichen Entwicklung. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen ist auf über 4,5 Prozent gestiegen. Schuldtitel mit 30-jähriger Laufzeit rentierten sogar über der Marke von fünf Prozent. Innerhalb weniger Tage sind die Renditen also um mehr als 0,6 Prozentpunkte nach oben gegangen.

Das hatte zwei gravierende Folgen. Zum einen sorgte das für Panik unter Ökonomen. US-Staatsanleihen gelten als sicherer Hafen, besonders in Zeiten der Unsicherheit. Steigen ihre Zinsen, wird es auch für Unternehmen teurer, sich Geld zu leihen. Zusammen mit den Belastungen durch die Zölle wäre dies ein toxisches Gemisch gewesen, das eine Rezession befeuert hätte.

Der zweiten Konsequenz hat Donald Trump vermutlich noch mehr Gewicht beigemessen. Denn die höheren Renditen sorgten dafür, dass die jährlich zu zahlenden Kosten für die 36 Billionen Dollar schwere Staatsverschuldung der USA um 216 Milliarden Dollar gestiegen sind, wenn dieser Zinsanstieg nachhaltig ist. Schon jetzt müssen die Amerikaner knapp 1,2 Billionen Dollar an Zinsen zahlen. Damit wären mögliche zusätzlichen Einnahmen durch Zölle wieder zunichtegemacht gewesen.

Am Nachmittag bestätigte Trump, dass der Anleihe-Markt Teil seine Entscheidung beeinflusst hat. „Der Anleihe-Markt ist sehr knifflig. Ich habe das beobachtet und gesehen, dass Leuten etwas mulmig wurde“, so der Präsident.

Große Erleichterung der Finanzmärkte

Die Finanzmärkte reagierten am Mittwoch mit großer Erleichterung auf Trumps Rückzug. Nur Sekunden nach Trumps Ankündigung schnellten die Kurse in die Höhe. Der Leitindex Dow Jones ist sechs Prozent im Plus, der Tech-Index Nasdaq rund zehn Prozent.

Eine nachhaltige Entwarnung im Handelskrieg gibt es aber nicht. „Selbst mit einem Zollsatz von zehn Prozent haben wir den höchsten Zollsatz seit den 1930er-Jahren“, sagte der frühere stellvertretende Handelsbeauftragte unter Trump und Biden und heutige Vizepräsident des Progressive Policy Institutes, Ed Gresser, WELT. Zwar habe das Weiße Haus ausweislich „kalte Füße bekommen“, aber keine vollständige Kurskorrektur vorgenommen. „Es bleibt bei einer destruktiven Politik“, so Gresser.

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