Rekordschiedsrichter Brych – „Dieses Spiel stürzte mich in eine tiefe Krise“
B undesliga-Rekordschiedsrichter Felix Brych blickt auf seine lange Karriere zurück, die nach dieser Saison enden wird. Der 49-Jährige ist in der Bundesliga mit 356 Einsätzen der Rekord-Referee. Er sei „nicht mehr so kompetitiv“, betonte der Münchner im „Spiegel“. Zu seinem Abschied wünscht er sich ein Spiel, bei dem es um nichts mehr geht. „Denn ich will es einfach nur genießen.“
Anders also als bei der WM 2018. Damals in Russland habe er im Duell zwischen der Schweiz und Serbien (2:1) seinen schwierigsten Einsatz gehabt. „Dieses Spiel hat mich in eine tiefe Krise gestürzt“, sagte Brych und räumte eigene Fehler ein. Er habe sich bei seinem vermeintlichen Karrierehöhepunkt nicht wie gewohnt auf das Spiel vorbereitet. Während er zuvor sogar Psychogramme von Spielern erstellt hatte, habe er damals auf dem Feld einige Spieler nicht gekannt.
Der Hauptkritikpunkt am Deutschen war eine Szene in der 66. Minute, bei der Aleksandar Mitrovic im Strafraum von zwei Schweizer Verteidigern bedrängt wurde. Brych entschied auf Stürmerfoul statt Elfmeter für Serbien, was viele (wahrscheinlich sogar alle) Serben als Fehlentscheidung betrachteten. Der serbische Verband legte nach der Partie Protest bei der Fifa ein.
Die Presse warf Brych „brutalen Diebstahl“ und gar ein „Massaker“ vor. Serbiens Trainer Mladen Kristajic wünschte den Deutschen vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, während der Verbandspräsident von einer Verschwörung durch die Fifa sprach.
„Es war wie in einer Waschmaschine“, sagt Brych
In der auch politisch aufgeladenen Partie war es ohnehin hoch hergegangen. Die Schweizer Spieler Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri feierten ihre Tore mit der „Doppeladler-Geste“, einem Symbol der albanischen Flagge. Dies wurde als politische Provokation gegenüber den serbischen Fans aufgefasst, da Serbien die Unabhängigkeit des Kosovo, eines mehrheitlich von Albanern bewohnten Gebietes, nicht anerkennt. Die Geste löste heftige Reaktionen aus.
Für Brych war das Turnier danach beendet, er wurde in keinem Spiel mehr eingesetzt. In einer DFB-Mitteilung sagte er: „Der Verlauf der WM ist für mich und mein Team natürlich eine herbe Enttäuschung. Aber das Leben geht weiter und wir kommen wieder.“
Tatsächlich aber hätten die Erlebnisse deutlich länger nachgewirkt, berichtet Brych nun rückblickend: „Ich war in meinen Spielleitungen nicht mehr locker und souverän. Es war wie in einer Waschmaschine, es hat sich immer weitergedreht, und ich bin nicht rausgekommen.“ Das habe ihn ein Jahr gekostet.
Sven Flohr ist Ressortleiter der WELT-Sportredaktion und pfiff einst ein E-Jugendspiel seiner ältesten Tochter. Das reichte ihm.
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