Als die DFB-Elf irre Momente für die Geschichtsbücher schrieb
Das 3:3 gegen Italien wird in die Geschichtsbücher des Fußballs eingehen - und das nicht nur wegen des Jahrhunderttors von Musiala nach einer Ecke von Kimmich. Denn solch wahnwitzige Wendungen hat die DFB-Elf in ihrer langen Historie nur äußerst selten erlebt!
"In der ersten Halbzeit waren wir Statisten, die Deutschen hätten auch mit verbundenen Augen getroffen." Schwedens Superstar Zlatan Ibrahimović war an diesem denkwürdigen 16. Oktober 2012 zur Halbzeit im Berliner Olympiastadion bereits bedient. 4:0 führte die deutsche Nationalmannschaft gegen völlig überforderte Schweden. Doch noch waren 45 Minuten zu spielen - und genau die sollten es in sich haben. Als es nach neunzig Minuten 4:4 stand, hatte die DFB-Elf erstmals in ihrer damals 104-jährigen Länderspielgeschichte einen 4:0-Vorsprung verspielt. Den Startschuss zu dieser unglaublichen Aufholjagd hatte Ibrahimović höchstpersönlich abgegeben. Er hatte mit seinem Treffer zum 1:4 damals "die Hoffnung, dass es nicht ganz so peinlich ausgeht".
Als die Schweden das Tor zum 3:4 erzielt hatten, bemerkte der schwedische Superstar beim Gegner plötzlich etwas, das auch beim gestrigen Spiel in Dortmund gegen Italien jeder Zuschauer bei der DFB-Elf gespürt hat: "Mir fiel auf, wie leer die deutschen Spieler waren. Ihnen stand Angst ins Gesicht geschrieben." Am Ende konnte sich die deutsche Nationalmannschaft - ähnlich wie gestern - glücklich schätzen, dass es beim Abpfiff unentschieden stand. Für die Schweden sollte diese spektakuläre Aufholjagd in der Folge übrigens negative Auswirkungen haben, wie Ibrahimović später einmal erzählte: "Nach dem Spiel fühlten wir uns, als wären wir schon bei der WM. Das war ein Fehler." Die WM fand schließlich ohne die Schweden statt.
Und so darf es vielleicht auch nicht verwundern, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann nach der Partie gegen Italien eine etwas gewöhnungsbedürftige Ansicht auf den Spielausgang hatte: "Vielleicht ist es für uns auch besser, wenn wir heute nicht 4:0 gewinnen, sondern merken, was wir leisten können, wie gut wir Fußball spielen können, aber dass wir diesen guten Fußball einfach über das ganze Spiel zeigen müssen." Eine Schocktherapie zur rechten Zeit - genau wie damals im Jahr 2012 gegen die Schweden. Schließlich stand am Ende mit dem WM-Gewinn ein Triumph, mit dem nach der Partie am 16. Oktober 2012 sicherlich noch niemand gerechnet hätte.
Vom Schlucksee ins Elfmeterschießen
Eine andere wahnwitzige Wendung in einem Länderspiel erlebte die DFB-Elf am 8. Juli 1982 in der legendären "Nacht von Sevilla" - dieses Mal aber im positiven Sinne. Nach einer wechselvollen Weltmeisterschaft der 1001 Fußballgeschichten ("Schlucksee" und "Schande von Gijón") traf die deutsche Mannschaft damals im Halbfinale auf Frankreich und musste nach einem 1:1 am Ende der regulären Spielzeit in die Verlängerung. Und die lief erst einmal überhaupt nicht gut für die DFB-Elf. Nach wenigen Minuten lag man mit 1:3 hinten. Doch dann kam der eigentlich verletzte Karl-Heinz Rummenigge ins Spiel und schoss gemeinsam mit Klaus Fischer die deutsche Mannschaft in das erste Elfmeterschießen bei einer Weltmeisterschaft überhaupt.
Das hatte es ebenfalls in sich. Karl-Heinz Rummenigge meinte damals: "Als ich da so allein im Mittelkreis stand, kurz vor dem Schuss, dachte ich, mir schwimmt jeden Moment das Herz weg." Doch es ging gut. Und auch sein Teamkollege Paul Breitner sagte nach dem Spiel einen denkwürdigen Satz: "Wir hatten alle die Hosen voll, aber bei mir lief's ganz flüssig." Und tatsächlich: Auch Breitner traf. Deutschland zog nach einem 3:3 nach 120 Minuten und einem 5:4 im Elfmeterschießen ins Finale ein. Dort unterlag man allerdings Italien am Ende ziemlich klar und deutlich.
Als Deutschland der erste Fußballgott erschien
Mehr Glück hatte die deutsche Nationalmannschaft hingegen bei einer weiteren wahnwitzigen Wendung - im unvergessenen Endspiel der WM 1954 gegen Ungarn. Denn Teil dieses legendären "Wunder von Bern" ist bis heute die sensationelle Aufholjagd der DFB-Elf nach dem frühen 2:0-Rückstand. Puskás und Czibor hatten die Ungarn bereits nach neun Minuten in Front gebracht. Wie im Rausch hatten die ungarischen Nationalspieler agiert. Erinnerungen an die Vorrunde wurden schon wach, als die Ungarn die deutsche Elf deklassiert hatte. Und tatsächlich geht bis heute die Legende, dass Gusztáv Sebes, der Trainer der Ungarn, zu seinem Starspieler Puskás nach dem 2:0 gesagt haben soll: "Wir können uns nicht erlauben, im Endspiel wieder mit 8:3 zu gewinnen. Das können wir der FIFA nicht antun."
Ob das wirklich stimmt, ist nie endgültig geklärt worden. Aber eine Sache ist sicher: Nur neun weitere Minuten später stand es nach Toren von Max Morlock und Helmut Rahn bereits 2:2. Wie die Geschichte ausging, weiß jedes Kind. Toni "Fußballgott" Turek hielt seinen Kasten sauber und vorne machte Rahn sein zweites Tor. Am Tresen des Essener Lokals "Friesenstube" erzählte der Held von Bern später immer wieder seinen entscheidenden Treffer zum 3:2 nach: "Also, hier steht der Hans und hier steh' ich. Der Hans flankt, ich zieh' los, die Ungarn denken, ich schieß' - aber ich schieß' natürlich nicht. Ich geh' rechts an den Ungarn vorbei, leg' mir das Ding auf den linken Schluffen und hau' drauf. Der Grosics macht sich ganz schön lang, aber an das Ding kommt er nicht mehr dran. Man, war der sauer. Prost, allerseits!" Ein Tor, das man niemals vergessen wird.
Und damit gibt es eine erstaunliche Parallele zum gestrigen, verrückten Spiel gegen Italien. Der Treffer von Jamal Musiala nach einer Ecke von Joshua Kimmich wird in die Geschichtsbücher des Fußballs eingehen. Ein echtes Jahrhunderttor, von dem man sich noch in Generationen erzählen wird. Genau wie von diesem Länderspiel an sich. Ein Abend voller spektakulärer Momente und Geschichten. Eine Nacht, die genau wie die Partien 1954, 1982 und 2012 im Gedächtnis bleiben wird. Nicht nur, aber auch wegen ihrer wahnwitzigen Wendung.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke