Was ein Dorf in Franken mit der Jeans zu tun hat
Am Rande der Fränkischen Schweiz, zwischen Bamberg und Erlangen, liegt Buttenheim. Sie wissen es noch nicht, aber gäbe es Buttenheim nicht, sähe die Welt nicht nur in Franken anders aus. Sie wäre kaum wiederzuerkennen.
Es ist ein hübscher Flecken mit einer überaus netten, jedoch recht verwitterten Barockkirche, die weiter keine Rolle spielt. Außerdem gibt es ein Schlösschen (Betonung auf „-chen“). Auf den ersten Blick ist es wenig mehr als ein besseres Herrenhaus mit einem recht weitläufigen Garten.
Es wird noch immer von der Familie von Seefried bewohnt, die einstmals auch adlig war und in deren Besitz sich das Schlösschen samt evangelischer Kapelle seit bald 300 Jahren befindet. Es gefällt mir auch deshalb so sehr, weil es nicht mehr sein will, als es ist. Die Fassade ist ein wenig fleckig, und hie und da sieht man einen Riss im Gemäuer. Eben ein großes altes Haus, an dem es immer etwas zu tun gibt.
Kloß mit Soß – und einer Überraschung
Natürlich hat auch Buttenheim einen Brauereigasthof, der ganz so, wie es der gottgewollten Ordnung entspricht, der Kirche gegenüberliegt. Der Wirt ist Jäger, deshalb kann man dort gut Wild essen oder auch den berühmten Kloß mit Soß. Was man nicht essen sollte, ist das Gemüse.
Ich hätte nicht gedacht, dass sich in Zeiten des Internets, der Globalisierung und der allumfassenden Moderne mein altes Vorurteil gegenüber der Behandlung alles Grünen in der fränkischen Küche bestätigen könnte. Dass die Klischees und die Witzeleien immer noch einen wahren Kern haben könnten. Nur 40 Kilometer entfernt vom „Essigbrätlein“ in Nürnberg, das sich mit seiner fränkischen Gemüseküche einen Stern erkocht hat.
Bestellt man aber in der ansonsten sehr ordentlichen Wirtschaft Kloß mit Soß und Gemüse, dann erhält man neben einem perfekten Kloß und würziger Soße eine Schüssel mit fahl grünem Brei. Dieser hat eine Konsistenz, die in Kochbüchern als „schwer reißend vom Löffel fallend“ bezeichnet wird. Woraus er besteht, weiß nur Gott. Am Geschmack vermag man es nicht zu erkennen.
Bekommt man den Brei das erste Mal serviert, versteht man nicht gleich und fragt die Bedienung: „Wo ist das Gemüse?“ Und erhält mit einem kurzen Fingerzeig die ebenso verständnislose Antwort „No, do doddn“ (was so viel heißt wie „Na, da halt“).
Von Buttenheim in die USA ausgewandert
So gesehen ist es kein Wunder, dass Löb Strauss Buttenheim 1847 im Alter von 16 Jahren verließ und nach den USA auswanderte. Kulinarisch wird er dort mehr zu erwarten gehabt haben. Aber vielleicht ging es ihm gar nicht darum.
Die Emanzipation der Juden war in Bayern noch nicht so weit fortgeschritten, dass er in Buttenheim großartige Berufsaussichten gehabt hätte. Sein Vater war außerdem eben gestorben, und 1847 war ein Jahr furchtbarer Missernten in ganz Europa. In Irland begann die „Potato Famine“, die Hunderttausende das Leben kostete, und in Deutschland sah es auf dem Land nur wenig besser aus.
Löb Strauss kam mit der Mutter in den USA an und zog dann mit dem beginnenden Goldrausch nach San Francisco. Aber es war nicht das Gold, das ihn reich machte. Er war Tuchhändler geworden, mit Sackleinen, Segeltuch und klassischer Baumwolle angereist und verkaufte den Goldsuchern, was sie brauchten. Die üblichen Arbeitshosen hielten in den Minen nicht sehr lang und so … na, Sie kennen die Geschichte jetzt schon.
Sein Kompagnon Davis und er meldeten das Patent zu Hosen aus Segeltuch an, die an den entscheidenden Stellen mit Nieten verstärkt waren: Die Levis-Jeans waren geboren. Vielleicht – wenn das Essen in Buttenheim damals reichlicher und besser gewesen wäre und Juden andere Berufe hätten ausüben dürfen –, vielleicht ginge die Hälfte der Weltbevölkerung dann heute nicht in blauen Hosen durch den Tag. Es sind ja manchmal die ganz kleinen Dinge, die den Lauf der Geschichte ändern.
Auf jeden Fall gibt es heute in Buttenheim neben dem Unteren Schloss und der Kirche und dem Brauereigasthof ein Museum im Geburtshaus von Löb Strauss, das sich ihm und der Auswanderergeschichte der Franken im 19. Jahrhundert widmet.
Und das noch nebenbei bemerkt: Wäre Mayer Amschel Rothschilds Vater nicht auch unerwartet früh gestorben, dann wäre der Junge womöglich in Fürth auf einer der drei hoch angesehenen Jeschiwas geblieben und hätte niemals das auch heute noch international bekannte Bankhaus Rothschild gegründet. In mancher Hinsicht ist Franken – wie immer sehr bescheiden – eine unbekannte Wiege sehr bekannter Menschen.
Der Text ist ein Auszug aus dem gerade erschienenen Buch „Gebrauchsanweisung für Franken“ von Ewald Arenz, Piper Verlag, 240 Seiten,16 Euro (piper.de/buecher/gebrauchsanweisung-fuer-franken-isbn-978-3-492-27773-0)
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