Flug verspätet oder gestrichen? So erhalten Sie Geld
Wenn ein Flug das Ziel viel zu spät erreicht oder komplett gestrichen wird, ist das ärgerlich. Das passiert aber Jahr für Jahr etwa zwölf Millionen Flugpassagieren in Europa. Kennt man sich aus, weiß man nach drei Stunden Warterei zumindest, dass die Airline ab dieser Verspätung Entschädigung zahlen muss (EuGH C 402/07). Allerdings geben einem die Fluggesellschaften das Geld nicht freiwillig. Ohne Anwalt haben Forderungen kaum eine Chance.
Trotzdem kann man relativ leicht zu seinem Geld kommen: Die Bundesregierung hat eine Schlichtungsstelle eingerichtet. Und spezialisierte Fluggastportale reißen sich geradezu um solche Fälle. Die bekanntesten heißen Fairplane, EUclaim und Flightright. Diese Anbieter betreiben „Entschädigungsrechner“ im Netz, auf denen der Passagier nur die Flugnummer und das Datum eingeben muss. Falls ein Ausgleichsanspruch besteht, kann er sofort das Portal mit dem Inkasso beauftragen.
Im Gegensatz zur Schlichtungsstelle Reise und Verkehr, die für den Verbraucher kostenfrei arbeitet, ziehen die Fluggastportale von der erlösten Summe etwa 30 Prozent Provision für sich ab. Dafür übernehmen sie aber auch das Risiko: Geht der Fall vor Gericht verloren, muss der Passagier keinen Cent bezahlen. Einige Fluggastportale kaufen auch gleich die Forderung – dann gibt es noch weniger Geld, aber das sofort.
Von Verspätung bis Streik – wann Fluggastrechte gelten
Außer bei Verspätung greifen die Fluggastrechte gemäß EU-Verordnung Nr. 261/2004 auch bei Nichtbeförderung oder Annullierung. Der feine Unterschied besteht darin, dass bei Annullierung der Flug abgesagt wird. Bei Nichtbeförderung fand er zwar statt, der Passagier wurde aber nicht mitgenommen, etwa wegen Überbuchung.
Die Folge ist dieselbe: Je nach Entfernung muss die Fluggesellschaft dann 250 bis 600 Euro bezahlen – an jeden Fluggast, egal ob Kind oder Erwachsener. Das gilt auch, wenn das Ticket deutlich weniger gekostet hat. Das Geld steht immer dem Fluggast zu, selbst wenn der Arbeitgeber bezahlt hat. Allerdings muss der Startflughafen oder der Sitz der Fluggesellschaft in der EU liegen.
Kein Geld gibt es bei Streik und Terror. Auch auf Schlechtwetter reden sich die Airlines gern heraus. Wenn die Verspätung aber bereits bei einem früheren Flug entstand und die Maschine deshalb für ihre nächsten Flüge zu spät kommt, so gilt die Wetter-Ausrede bei den späteren Flügen nicht mehr. Passagiere haben dann wieder Anspruch auf Ausgleich. In jedem Fall muss die Fluggesellschaft zahlen, wenn der Flieger wegen technischer Probleme nicht oder viel zu spät abhebt (EuGH. C 549/07).
Wie Passagiere am besten vorgehen
Wer als Fluggast seine Rechte geltend machen will, der wendet sich nach Ansicht des Europäischen Verbraucherzentrums am besten zunächst direkt an die Fluggesellschaft. Musterbriefe mit dem passenden Anschreiben findet man zum Beispiel bei finanztip.de.
Wenn binnen zwei Wochen keine zufriedenstellende Antwort erfolgt, dann übergibt man die Sache entweder einem Anwalt (Tipps ganz unten) oder schaltet die Schlichtungsstelle Reise und Verkehr ein, die bis 2024 noch Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SöP) hieß. Die erstellt daraufhin (für den Passagier kostenlos) eine Schlichtungsempfehlung, um den Streit beizulegen. In rund 90 Prozent der Schlichtungen kommt es zu einer gütlichen Einigung, verspricht die Schlichtungsstelle.
Alternativ kann man eins der zahlreichen Fluggastrechte-Portale einschalten, die gegen etwa 30 Prozent Provision die Fluggastrechte durchzusetzen versuchen, ohne dass der Passagier weitere Arbeit hat (empfehlenswerte Anbieter ganz unten).
Wer keine Lust hat, bis zu einem halben Jahr und länger auf sein Geld zu warten, der kann seine Entschädigungsforderung auch verkaufen. Dann gibt es zwar weniger Geld, das aber sofort. Auf dieses Modell hat sich EUFlight spezialisiert, die anderen großen Portale wie Flightright und Fairplane bieten das Modell nur bei einfacher gelegenen Fällen an – und manchmal auch nicht bei Überbuchung.
Worauf Kunden bei Ansprüchen achten sollten
Kein seriöses Fluggastportal verlangt Gebühren im Voraus oder für seinen Entschädigungsrechner. Honorar wird nur im Erfolgsfall fällig. Üblich sind bis zu 30 Prozent der Entschädigungssumme – allerdings kommt manchmal die Umsatzsteuer noch dazu. Manche Portale verlangen bei Streitfällen außerhalb Deutschlands zudem Zusatzgebühren.
Ein heikler Punkt für jedes Geschäft sind Kündigungen. Idealerweise kann der Auftrag jederzeit und ohne Angabe von wichtigen Gründen wieder gelöst werden. Das aber lassen nur wenige Fluggastportale zu.
Eine andere Frage ist, ob die Website ohne Rücksprache einen Vergleich schließen darf. Das Portal sollte da immer erst einmal beim Klienten nachfragen. Denn es geht vorrangig um seine Ansprüche, nicht um die Provision des Portalbetreibers. Manche Portale verzichten jedoch auf diese Zustimmungsklausel ganz. Andere wiederum stellen Bedingungen wie zum Beispiel: Bei einem Vergleichsvorschlag über 75 Prozent der geforderten Summe darf das Fluggastportal ohne die Erlaubnis des Betroffenen dem Angebot zustimmen.
Kommt es zum Vergleich, stellt sich die Frage, wer die Vergleichskosten bezahlt. Viele Portale sind kulant und verlangen dafür keine Extragebühren, sondern nehmen nur die vereinbarte Erfolgsprovision.
Worum sich Fluggastportale nicht kümmern
Die Fluggastportale erstreiten nur die Ausgleichszahlung selbst, um zugehörige Betreuungsleistungen kümmern sie sich nicht. Nötige Hotelübernachtungen, Telefon- und Verpflegungskosten nach Flugverspätungen lassen sich nämlich offenbar nicht so leicht standardisieren. Die Betreuungsleistungen muss der Fluggast also weiter selbst bei der Airline geltend machen.
Der Wiesbadener Spezialanwalt Ronald Schmid sieht darin allerdings kein großes Problem. Da reiche ein einfacher Formbrief samt Belegen in Kopie und einer angemessenen Zahlungsfrist von zwei bis drei Wochen. Ronald Schmid sagt: „Das schafft sogar meine Großmutter.“
In der Regel, so seine Erfahrung, bezahlen selbst die Billig-Airlines die Betreuungskosten anstandslos, wenn sie den Ausgleichsforderungsprozess bereits verloren haben. Und dazu hat der Passagier reichlich Zeit: Beide Ansprüche verjähren erst nach drei Jahren.
Weitere Informationen:
Eine Auswahl der Fluggastportale: airhelp.com/de; airline-schreck.de; compensation2go.com (vor allem Sofortzahlung); complane.de; euclaim.de; fairplane.de (auch Sofortzahlung); flightright.de (abhängig vom Fall auch Sofortzahlung); flug-verspaetet.de; planeclaim.eu
Eine Auswahl spezialisierter Anwälte: Danilo Ahrens, Matthias Böse, BSKP Broll, Schmitt, Kaufmann & Partner, Gabler & Hendel, Rechtsanwaltskanzlei Graumann, Holger Hopperdietzel, Jansen & Jansen, JBB Rechtsanwält:innen, Ronald Schmid, Stefan Tödt-Lorenzen
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