Warum gedruckte Reiseführer weiterhin angesagt sind
Der Markt der Reisehandbücher schrumpft seit Jahren, aber nur gering – Reiseführer erweisen sich als widerstandsfähiger als andere Printprodukte. Große Digitalisierungsschritte sind offenbar nicht zu erwarten, wie eine Podiumsdiskussion der Vereinigung deutscher Reisejournalisten (VDRJ) kürzlich zeigte. Unter dem Titel „Reiseführer mit Zukunft – Reiseführer der Zukunft“ diskutierten Branchenexperten über aktuelle Trends und Zukunftsperspektiven.
Während etwa Kochbücher zunehmend durch Online-Rezepte verdrängt werden, lässt sich bei Reiseführern ein zwar kontinuierlicher, aber geringer Rückgang beobachten. Besonders bei Fernreisen greifen noch immer 70 Prozent der Reisenden zum gedruckten Begleiter, berichtet Ralf Volkert von der Sulzbach-Rosenberger Traditionsbuchhandlung Volkert.
„Die Verkäufe sinken nur langsam“, ergänzt Michael Müller, Verleger des Erlanger Michael Müller Verlags, der auf Reiseführer für Individualreisen spezialisiert ist. Genaue Zahlen nennt er nicht. Aber einem kolportierten Wert von 18 Prozent Rückgang von 2019 bis 2023 widersprechen weder er noch Dumont-Reiseverlagsleiterin Christiane Brisch grundsätzlich. Müller nimmt für sich in Anspruch, „etwas besser weggekommen“ zu sein. Aber er stimmt Brischs Einschätzung zu: Das Niveau vor der Pandemie ist nicht wieder erreicht worden.
Buchhandel behauptet sich gegen Amazon
Jedes Jahr ein bisschen weniger: Da bleibt das Geschäftliche eine Herausforderung. Zwar wurden die Preise der gängigen Reiseführer-Reihen in den vergangenen Jahren spürbar angehoben, wie Buchhändler Ralf Volkert sagt. Bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von knapp 17 Euro und Auflagen zwischen 1000 und 3000 Exemplaren bleibt den Verlagen trotzdem nur ein schmaler Deckungsbetrag, rechnet Andreas Walter vor. Um profitabel zu bleiben, setzt der Verleger von 360° Medien auf Diversifikation seines Angebots: Kalender, Magazine und Kundenzeitschriften müssen das Buch in die Gewinnzone hieven.
Und wo bereits das Verlegergeschäft margenschwach ist, da bleibt den Autoren noch weniger. Selbst eine Vielschreiberin wie Cornelia Lohs gesteht, dass sie trotz eines Bauchladens von bald 44 aktuellen Titeln von Reisebüchern allein nicht leben könne. So gut wie alle Reisebuchautoren können sich ihre Tätigkeit ohne einen zweiten „Brotberuf“ oder familiäre Unterstützung nicht leisten.
Im Vertrieb behauptet sich der stationäre Buchhandel um die Ecke erstaunlich gut gegen den Online-Riesen Amazon, der im Reiseführersegment gerade mal zehn bis 15 Prozent Marktanteil hält. Verlagsleiterin Brisch vom Marktführer MairDumont vermutet: „Der Amazon-Anteil bei Reiseführern ist geringer, weil die Leute das Buch in die Hand nehmen wollen und vergleichen. Es ist erstaunlich, wie lange die Leute blättern.“
Kleinere Verlage punkten mit kreativen Marketingstrategien und der persönlichen Ansprache von Buchhandlungen und touristischen Einrichtungen. Andreas Walters Verlag etwa telefoniert bei der Buchreihe „Heimatmomente“ alle Buchhandlungen in der jeweiligen Region ab, kontaktiert Tourismusbüros und Museen. Das sei durchaus erfolgreich, sagt Walter, „geht aber leider nur bei Regionaltiteln“.
Vorteil gedruckter Reiseführer gegenüber dem Internet
Erstaunlicherweise hat die Digitalisierung in der Reiseführerbranche noch nicht wirklich Einzug gehalten. Gedruckte Werke dominieren weiterhin, digitale Produkte machen maximal zehn Prozent des Umsatzes aus. Beim Marktführer sind digitale Produkte weiterhin kein großes Thema: „MairDumont hat das Budget für Digitalisierung total auf null gesetzt“, sagt Verlagsleiterin Brisch. Michael Müller investiert dagegen seit fast zehn Jahren viel Mühe und Geld in eine App, sieht sich dabei aber allein auf weiter Flur.
Ob digital oder analog – der wesentliche Vorteil der Reiseführer bleibt nach Ansicht aller Diskutanten der gleiche: Im Gegensatz zu den Googles und Tripadvisors dieser Welt bieten die Reiseführer-Autoren kuratierten Inhalt. Die Autoren gewichten, ordnen ein und geben eine professionelle Meinung ab. Das fehlt den Gratisinhalten des Internets. Schnell veraltende Details dagegen sucht der User von heute ohnehin im Netz. Verleger Walter hat sich deshalb bereits „vom Aktualitätsdruck verabschiedet“ und nennt zum Beispiel keine Öffnungszeiten mehr.
Wenn er in die Glaskugel schaut, könnte sich Verleger Michael Müller für die Zukunft einen KI-gestützten Reiseführer vorstellen: „Wenn ich die Texte meines Nordportugal-Führers in eine KI einfüttere und die dann frage, wo sind in der Region schöne Flussbadestellen – das könnte eine Zukunft werden.“
Dabei gelte es allerdings sicherzustellen, dass ein kuratierter Inhalt nicht gratis zu den KI-Konzernen abwandert. Auch Audioguides und Podcasts könnten an Bedeutung gewinnen. Müller wünscht sich „schöne Geschichten, die gut vorgelesen werden“. Und Brisch kann sich so ein Tool „in Verbindung mit Ortungsdiensten“ gut vorstellen – wenn der Reisende beispielsweise am Ort des Nürnberger Christkindlesmarkt steht, dann spielt die KI auf Wunsch die Rede des Christkinds ein.
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