Irlands ruhige Alternative für Pilger
Damit hatte man nicht mehr gerechnet. Erst am Ziel der letzten Etappe passiert es – im Städtchen Downpatrick, wo der Saint Patrick’s Way nach 132 Pilgerwegkilometern endet und der heilige Patrick begraben liegt: In der anglikanischen Kathedrale, oberhalb der bescheidenen Grabstätte, stößt man in einem Shop auf ein Heiligenfigürchen und ein paar Kerzen mit dem Motiv des heiligen Patrick von Irland.
Kühlschrankmagnete gibt es auch noch, auf denen sich Patrick in grünem Gewand auf seinen Bischofsstab stützt, sie kosten 1,50 Pfund. Die Auswahl ist insgesamt mager, prominent präsentiert werden die Andenken nicht – anders als man es beispielsweise aus den überbordenden Devotionalienläden in Rom kennt. Finbar McCormick, der das Geschäft in Downpatrick betreut, empfiehlt statt Heiligenkitsch das kleine Replikat eines Gebetssteins für 9,95 Pfund: „Das ist nachhaltiger, es ist eine lokale Fertigung aus Belfast.“
Patrick ist der Nationalheilige aller Iren, in der Republik Irland genauso wie im britischen Nordirland. Im fünften Jahrhundert verbreitete er das Christentum auf der grünen Insel, gelangte zu Bischofsehren. Überliefert sind seine rastlosen Missionsreisen, bei denen er Zehntausende Menschen taufte. Sein Gedenktag, der 17. März, wird ausgiebig mit Umzügen gefeiert und alkoholisch begossen.
Umso ungewöhnlicher ist die Tatsache, dass die Heiligenverehrung auf dem Saint Patrick’s Way nicht an Kommerz gekoppelt ist. Nirgendwo unterwegs auf der Pilgerstrecke, so das Resultat aller Stichproben, blüht das Business mit Devotionalien. Weder am Startpunkt am Navan Centre noch wenige Kilometer weiter im Andenkenladen der Kathedrale von Armagh schlägt man Profit aus Patrick. In Armagh beschränken sich die Angebote auf Geschirrtücher mit dem Kathedralenmotiv, auf Duftkerzen und Geschenkkarten.
Ebenso unbekannt ist eine Souvenirkultur um den Heiligen im modernen Saint Patrick Centre in Downpatrick, wo alle Pilger am Ende eintreffen – es gibt weder Tassen noch Vasen oder Kappen mit Patrick-Konterfeis. Einzig bei den alphabetisch aufgereihten Schlüsselanhängern entdeckt man Patrick versteckt zwischen Patricia und Paul.
Der Jakobsweg als Vorbild für den Saint Patrick’s Way
Die Heiligenvermarktung, die in populären Pilgerzielen wie Lourdes, Rom und Santiago de Compostela mit Ramsch und Kitsch (zum Teil „made in China“) wie geschmiert floriert, hätte man sich hier ähnlich vorgestellt. Zumal sich der vor zehn Jahren eröffnete Saint Patrick’s Way viel vom populärsten aller Pilgerwege, dem Jakobsweg durch Nordspanien, abgekupfert hat.
Die Route ist sogar als „Nordirlands Camino“ bekannt. Kopiert hat man vom Jakobsweg die Markierungen mit gelben Pfeilen, den Pilgerausweis, den man unterwegs an Stempelstellen per Self-Service stempelt, und die Pilgerurkunde, die man am Schluss im Saint Patrick Centre in Downpatrick beantragen kann.
Tim Campbell, Direktor des Zentrums, lässt es sich nicht nehmen, jedes persönlich mit Namen versehene Diplom eigenhändig zu unterzeichnen. Nach dem Druck wird es kostenlos per Post in alle Welt verschickt. Eine aufwendige, kostenintensive Prozedur, die bei den Empfängern aber gut ankommt.
Obgleich der Saint Patrick’s Way im Vergleich zum Jakobsweg ein Schattendasein führt, gewinnt er an Gewicht. Campbell hat die Statistiken zur Hand. Im Premierenjahr 2015 waren es 322 Ankömmlinge, später folgten Steigerungen auf 3088 Pilger (im Jahr 2018) und 7342 (2024). Zum Vergleich: Voriges Jahr hat der nordspanische Jakobsweg mit fast einer halben Million ausgegebener Pilgerurkunden alle Rekorde gebrochen.
„Irland ist zum Wandern gemacht"
Eine Pilgerschaft auf dem Saint Patrick’s Way hat also erfreulicherweise nichts mit einer Massenbewegung gemein. Frei von Rummel, übertriebenem Kult und Kommerzialisierung ist der Weg regelrecht puristisch, man spürt umso intensiver die Essenz, den wahren Geist, kann sich in die Natur vertiefen und auf die innere Begegnung mit Patrick konzentrieren.
Wobei der Weg nicht allein tiefgläubigen Pilgern zu empfehlen ist: „Patrick war tief spirituell und hatte einen großen Glauben“, sagt Campbell und schlägt den Bogen zur Pilgerstrecke. „Der Weg ist nicht zwangsläufig religiös, sondern eben spirituell. Er bringt Menschen zusammen, die eine Pause vom Alltag nehmen. Er öffnet und zentriert uns. Er entgiftet den Geist.“
Campbell verrät seine Lieblingsetappe: Es ist die von Rostrevor in die Mourne Mountains. Auch hier geht es idyllisch zu, keine Menschenmassen, nirgends. Wenn man aus den Mourne-Bergen kommt und plötzlich hinter einer Biegung auf den Höhen das Meer bei Newcastle in der Ferne funkelt, erlebt man Gänsehautmomente.
Dort und um Tyrella Beach verschmelzen das Meeresblau und das üppige Grün der saftigen Wiesen und Weiden miteinander. Mehrheitlich verläuft der Weg durch das Inland. Manchmal sind es Feldwege, streckenweise geht es leider über Asphalt, so wie auf dem einstigen Treidelpfad am historischen Newry-Kanal entlang bis Newry. Dann wieder federt man über weiche Waldböden.
Angesprochen auf die bislang fehlende Vermarktung räumt Campbell ein: „Daran müssen wir wohl noch arbeiten.“ Er denkt kurz nach und schiebt hinterher: „Es geht uns hierbei aber nicht um gesteigerte Souvenirverkäufe, sondern um die Erfahrung der Entschleunigung und um Selbstfindung.“ Von motorisierten Pilgermassen hält er gar nichts: „Irland ist zum Wandern gemacht, nicht für Touristenbusse.“
Tipps und Informationen:
Anreise: Am besten fliegt man nach Dublin und fährt von dort direkt mit dem Linienbus ins nordirische Armagh.
Einreiseformalitäten: Nordirland gehört zu Großbritannien, deshalb braucht man zur Einreise nicht nur einen Reisepass, sondern muss für Reisen ab 2. April 2025 zudem die gebührenpflichtige elektronische Reisegenehmigung (ETA) beantragen. Sie kostet umgerechnet rund zwölf Euro (gov.uk/guidance/apply-for-an-electronic-travel-authorisation-eta).
Planung und Unterkunft: Für den 143 Kilometer langen Saint Patrick’s Way sollte man sechs bis sieben Wandertage veranschlagen. Den kostenlosen Pilgerausweis erhält man am Startpunkt im Navan Centre. Im Gegensatz zum Jakobsweg gibt es kein Netzwerk aus Herbergen, sondern verschiedenste Unterkünfte entlang der Strecke, zum Beispiel das „Armagh City Hotel“ in Armagh (armaghcityhotel.com; Doppelzimmer umgerechnet ab 170 Euro) oder das „Denvir’s Coachin Inn“ in Downpatrick (denvirs.com; Doppelzimmer ab 112 Euro). Ein englischsprachiger Pilgerführer steht zum kostenlosen Download bereit unter http://walkni.com/wp-content/uploads/St-Patricks-Way-Pilgrims-Path-Guide.pdf.
Weitere Auskünfte: discovernorthernireland.com, tourismireland.com
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Tourism Northern Ireland und Tourism Ireland. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.
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