Trumps neue Forderungen – und wie Putin darauf reagiert
US-Präsident Donald Trump muss sich seit Jahren vorwerfen lassen, seine Position sei russlandfreundlich. In den vergangenen Wochen scheint Trump zumindest rhetorisch immer mehr von seiner alten Offenheit gegenüber Wladimir Putin abzurücken. An ihre Stelle tritt Frustration wegen Russlands Luftangriffen auf die Ukraine und Zweifel über Putins wahre Absichten.
Wie sieht Trumps aktuelle Rhetorik aus?
Beim US-Präsidenten häufen sich in letzter Zeit die Anzeichen zunehmender Ungeduld mit dem Kreml. Spitzenkräfte seines Teams wie Vizepräsident J.D. Vance oder Außenminister Marco Rubio sagten, ein Ausstieg aus den Verhandlungen sei denkbar. Am vergangenen Donnerstag schrieb Trump „Wladimir, STOPP!“ und forderte den Kremlchef auf, Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine einzustellen. Der Zwischenruf folgte nach dem verheerendsten Raketen- und Drohnenangriff auf die ukrainische Hauptstadt seit Monaten.
Beim Begräbnis von Papst Franziskus im Vatikan sprach Trump etwa eine Viertelstunde lang mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die veröffentlichten Bilder legen ein vertrauensvolles Vieraugengespräch nahe. Trump sagte, das Gespräch sei gut verlaufen.
Am Sonntag wiederholte Trump seine Forderungen an Putin, er sei „überrascht und sehr enttäuscht“ über anhaltende russische Angriffe, es gebe „keinen Grund“, zivile Ziele anzugreifen. Trump äußerte die Vermutung, Putin wolle den Krieg nicht beenden. Darauf könne man mit „sekundären Sanktionen“ oder weitere Einschränkungen im Bankenwesen reagieren.
Wie sind die Reaktionen aus Russland?
Am Montag präsentierte sich Putin erneut als Friedensfürst und kündigte einen befristeten Waffenstillstand ab dem 8. Mai an, auch anlässlich des russischen „Tages des Sieges“ am 9. Mai. Der 80. Jahrestag des Kriegsendes nach sowjetischer Zeitrechnung dürfte weitere Gelegenheiten schaffen, um den Ukrainern Verstöße vorzuwerfen. Sie feiern das Kriegsende mit dem Rest Europas ohnehin am 8. Mai.
Insgesamt wird Trumps aufkeimende Kritik weitgehend übergangen. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte am vergangenen Sonntag im Interview mit dem US-Sender CBS News, Russland visiere lediglich militärisch genutzte Objekte an und beschieße nie zielgerichtet zivile Objekte. Trumps Kritik wird also zurückgewiesen. Lawrow sagt aber auch: Über ein Scheitern der Gespräche zwischen Russland und USA könne man nicht reden. Man sei auf „die Sache“ konzentriert und nicht auf Spekulationen über „Misserfolge und Siege“.
Zugleich wiederholen kremlnahe Medien und Staatspropagandisten scharfe Schuldzuweisungen an die Ukraine. Selenskyj sei ein „terroristisches Ungeheuer“, schrieb etwa die Sprecherin des Außenministeriums. Die Hauptbotschaft der aktuellen Agenda ist ohnehin die angebliche Befreiung der bislang von Ukrainern besetzten Teile des russischen Gebiets Kursk.
Die Streitkräfte der Ukraine seien in der Region „vollständig zerschlagen“, wurde kürzlich Putin berichtet. Er gratulierte daraufhin dem Chef des Generalstabs Waleri Gerassimow. Eine weitere Machtgeste Putins ist seine öffentliche Anerkennung des zuvor lange Zeit geleugneten Einsatzes nordkoreanischer Soldaten im Gebiet Kursk.
Was kann Trump gegen Putin tun?
Der Schritt mit den kurzfristig geringsten innen- und außenpolitischen Folgekosten wäre wohl der Ausstieg aus den Verhandlungen, den Trump, Vance und Rubio angedroht haben. Es wäre zwar offen, welche konkreten Folgen das für Ukraine hätte, etwa ob Trump Waffenlieferungen einstellen würde. Trump könnte seinen Unterstützern kommunizieren: Ich hab’s versucht. Aber schuld sei sein Vorgänger Joe Biden.
Für Russland wiederum wäre das Ende der Gespräche eine Zumutung. Wieder hätte man Zeit und Aufwand investiert, um dem gewünschten Ergebnis nicht näherzukommen, wieder hätte der Westen Russland vorgeführt – das wäre die Deutung. Das Gespräch mit den USA auf Augenhöhe wäre vorbei.
Weitere mögliche Maßnahmen wären die Rücknahme der kürzlich von Trump durchgesetzten Erleichterungen, etwas auf offensive Cyber-Operationen gegen Russland zu verzichten. Am Schwierigsten umzusetzen wären wohl Trumps „Sekundärzölle“ von 50 Prozent für Käufer von russischem Öl und die signifikante Verstärkung der Finanzsanktionen.
Was ist der Knackpunkt der US-Sanktionspolitik gegenüber Russland?
Selbst in den besten Zeiten der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen gab es zwischen Russland und den USA sehr wenig Handel. Im Jahr 2024 betrug das Volumen laut US-Statistik 3,5 Milliarden Dollar. Sowohl für Washington als auch für Moskau wäre dieser Handel im Zweifel verzichtbar. Zum Vergleich: Ohne Export von Dienstleistungen aus den USA belief sich der bilaterale Handel der Amerikaner mit Deutschland im vergangenen Jahr auf 235 Milliarden Dollar.
Also bleiben faktisch nur sekundäre Sanktionen, wie sie bisher in Kraft sind – und neue wie Trumps „Sekundärzölle“. Doch die Regierung Trump unterminiert mit ihrer undurchschaubaren Zollpolitik auch dieses potenzielle Instrument. Je weniger Handel wichtige Käufer russischer Energieexporte wie China mit den USA treiben, desto weniger dürften solche Instrumente angesichts von bereits verhängten Zöllen von mehr als 100 Prozent ins Gewicht fallen.
Muss sich der Kreml Sorgen machen?
Die Angst ist da, Trumps Interesse zu verlieren – und die Aussicht auf einen Deal mit prorussischem Drall. Die Hoffnungen im Kreml sind groß. Aber noch ist nichts entschieden. Der Autokrat Putin beurteilt Trumps Handeln, nicht seine Rhetorik. Am Ende kommt es darauf an, was Trump tut, nicht was er sagt. Bislang tat das Weiße Haus dem Kreml indirekt viele Gefallen, etwa durch die Schwächung von US-Institutionen und den transatlantischen Zwist.
Auch beim Thema Ukraine wird Putin Trumps neue Rhetorik von der Aussicht auf Anerkennung der Krim als russisches Gebiet mit Genugtuung vernommen haben. Doch was von der Rhetorik zur Realität werden wird, weiß im Kreml niemand.
Pavel Lokshin ist Russland-Korrespondent. Im Auftrag von WELT berichtet er seit 2017 über Russland, die Ukraine und den postsowjetischen Raum.
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