Deutschlandticket, Straßensanierung, Magnetschwebebahn – Der schwarz-rote Verkehrsplan
Vielen Nutzern von Bussen und Bahnen konnte es nach der Vorstellung des Koalitionsvertrags so scheinen, als würden sie finanziell geschont. Denn eine Änderung beim Deutschlandticket für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wird in dem Text erst für die Zeit nach 2029 angekündigt. Das ließ am Mittwoch den Eindruck entstehen, dass der Preis von derzeit 58 Euro pro Monat in den kommenden vier Jahren konstant bleiben solle.
Doch davon steht nichts im Vertrag von Union und SPD. Das Wort „Preis“ kommt dort in diesem Zusammenhang gar nicht vor. Die Formulierung lautet vielmehr: „Das Deutschlandticket wird über 2025 hinaus fortgesetzt. Dabei wird der Anteil der Nutzerfinanzierung ab 2029 schrittweise und sozialverträglich erhöht.“ Diese Formulierung aber eröffnet Spielräume für Preiserhöhungen schon weit vor 2029. Dafür sorgt die Wendung „Anteil der Nutzerfinanzierung“.
Die Nutzerfinanzierung ist das, was jeder Kunde durch den Ticketkauf zu den Gesamtkosten beiträgt. Zu denen gibt es zwar keine offiziellen Zahlen, aber grob überschlägig kann man von vier Milliarden Euro pro Jahr ausgehen. Davon tragen Bund und Länder zusammen drei Milliarden. Daraus ergibt sich theoretisch, dass die Kunden ungefähr eine Milliarde Euro beitragen und somit der „Anteil der Nutzerfinanzierung“ bei 25 Prozent liegt.
Zwar soll dieser Anteil konstant bleiben. Aber wenn die Gesamtkosten steigen – etwa wegen Lohnerhöhungen fürs Personal oder höherer Ausgaben für Energie und Material –, steigt auch der finanzielle Betrag, der dem 25-Prozent-Nutzeranteil entspricht. Bei Gesamtkosten von fünf Milliarden wären 25 Prozent nicht eine Milliarde, sondern 250 Millionen mehr. Und dann könnte – sofern die Nutzerfinanzierung nicht durch vermehrte Ticketkäufe zu steigern wäre – über eine Erhöhung des Ticketpreises schon 2026 oder 2027 geredet werden.
Haushaltsloch bei der Bahn-Sanierung
Dies ist nicht der einzige Punkt, an dem die Vereinbarungen der Koalitionäre zur Verkehrspolitik große Interpretationsspielräume eröffnen. Das gilt im Bahnsektor auch dafür, dass „Investitionen in das deutsche Schienennetz gesteigert werden“ und „die Finanzierung der Schieneninfrastruktur neben dem Sondervermögen weiterhin aus dem Bundeshaushalt erfolgen soll“.
Aber in diesem Bundeshaushalt wird bei der Schiene erst einmal ein Loch klaffen. Denn Union und SPD wollen die Mittel aus der Lkw-Maut künftig wieder weitgehend in den Straßenbau stecken, sodass davon nicht mehr – wie in Zeiten der Ampel – rund fünf Milliarden Euro der Schiene zugutekommen.
Somit fehlt im Haushalt Geld für die Bahn, und ob die künftigen Koalitionäre diese Lücke aus anderen Quellen füllen wollen, bleibt unklar. Daher ist denkbar, dass die Schuldentöpfe des Sondervermögens und des Klima- und Transformationsfonds für schon fest geplante Schienen-Investitionen herhalten müssen, die nicht mehr aus dem Bundeshaushalt finanziert werden können. Käme es dazu, würden jene Schulden aber nicht mehr ausschließlich für zusätzliche Investitionen verwendet – wie es Anfang März ins Grundgesetz geschrieben wurde –, sondern auch kompensierend zum Ausgleich von Kürzungen im Haushalt.
Ziemlich klar hingegen ist im Bahn-Bereich, dass die Tage von manchen Mitgliedern im Vorstand der Deutschen Bahn AG um den Vorsitzenden Richard Lutz gezählt sind. Denn laut Koalitionsvertrag soll bei der DB „eine Neuaufstellung von Aufsichtsrat und Vorstand erfolgen“. Dazu sollen auch „personelle Maßnahmen“ mit einer „Verschlankung“ gehören.
Die Steuerung des Staatskonzerns durch den Bund als Eigentümer wollen Union und SPD weiterhin dadurch verbessern, dass wichtige Bauprojekte in einem „Infraplan“ fest definiert werden. Dazugehören soll eine „verbindliche Finanzierungszusage“ im Rahmen eines zu schaffenden „Eisenbahninfrastrukturfonds“.
Eine riesige Wunschliste – und Unklarheit, was daraus wird
Weniger beherzt sind die Koalitionäre bei der Straffung, Priorisierung und verbindlichen Finanzierung von Straßenbauprojekten. Denn für die soll es keine Äquivalente zum Bahn-Infraplan und zum Schienenfonds geben. Vielmehr wollen Union und SPD am „bestehenden Bundesverkehrswegeplan“ und den Verfahren zu dessen Aufstellung und Überprüfung festhalten. Weiterhin also wird es eine riesige Liste von wünschbaren Projekten geben – von Autobahnerweiterungen bis zu Ortsumfahrungen –, ohne dass wirklich klar ist, was davon bezahlt werden kann und wann es tatsächlich gebaut wird.
Auszugehen ist aber davon, dass die Straße generell profitieren wird. Den Sanierungsstau „insbesondere bei Brücken und Tunneln“ wollen Union und SPD auflösen, die Lkw-Maut kommt wieder vor allem der Straße zugute. Da zudem die Autobahn GmbH des Bundes „begrenzt kreditfähig“ werden soll und Bauprojekte in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) angehen darf, ist mit der Realisierung größerer Ausbauvorhaben zu rechnen.
Weil zugleich die Seehäfen gestärkt werden sollen, denkt der CDU-Verkehrspolitiker Christoph Ploß auch an den Autobahn-Neubau. Denn die Verlängerung der A 20 in Schleswig-Holsten und Niedersachsen gehöre zu den „essenziellen Projekten für die deutschen Häfen“, sagte Ploß am Mittwoch. Dass solche und viele andere Projekte im gesamten Verkehrs- und Baubereich zügig umgesetzt werden können, sollen die Vereinheitlichung des Verfahrensrechts und die Straffung der Öffentlichkeitsbeteiligung gewährleisten. Und bei „wesentlichen“ Vorhaben soll es zulässig sein, dass dafür nötige Maßnahmen „zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden Infrastruktur“ schon „im laufenden Planverfahren“ beginnen.
In den Blick nehmen Union und SPD auch ein Verkehrsmittel, dass es in Deutschland bisher nicht gibt: die Magnetschwebebahn. Allerdings nicht im Sinne des einstigen Transrapid für sehr hohes Tempo auf langen Strecken. Sondern für den ÖPNV.
Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, auf dessen Basis der Bund den kommunalen Ausbau bezuschusst, soll „für innovative Ansätze“ geöffnet werden, heißt es im Vertrag. Als Beispiel wird die Magnetschwebebahn genannt. Möglicherweise also bekommt Berlin, wo so ein Projekt vor zwei Jahren angedacht und dann unter anderem aus Kostengründen beerdigt wurde, demnächst doch eine Magnetschwebebahn für den Stadtverkehr.
Matthias Kamann berichtet für WELT seit mehreren Jahren über Verkehrsthemen.
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