„Zum Umgang mit der AfD kann ich generell nur raten: mehr Mut“
Philipp Amthor, 32, ist CDU-Bundestagsabgeordneter sowie Mitgliederbeauftragter seiner Partei. Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD leitete er für die CDU die Arbeitsgruppe „Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, moderne Justiz“.
WELT: Herr Amthor, unter dem Strich: Ein gutes Verhandlungsergebnis?
Philipp Amthor: Ja. Aus meiner Sicht sind wir den Erwartungen unserer Wähler und unserer Parteibasis spätestens in der Nachspielzeit dieser Verhandlungen sehr viel nähergekommen. Der vor der Wahl versprochene Politikwechsel ist jetzt aufgegleist. Der Vertrag trägt deutlich die Handschrift der Union. Das gilt insbesondere für die Wirtschafts- und Migrationspolitik. Aber auch für das Thema Staatsmodernisierung.
WELT: Was finden Sie denn besonders gelungen?
Amthor: Als Verhandler steht man natürlich immer unter dem Verdacht, die Dinge, die man selbst verhandelt hat, besonders großartig zu finden. Also seien Sie bitte nicht überrascht, dass ich mit den Themen Bürokratierückbau und Staatsmodernisierung besonders zufrieden bin. Wir haben dort absolut die richtigen Schwerpunkte gesetzt, indem wir etwa mit dem Sparen bei uns selbst anfangen. Statt immer mehr Stellenaufwuchs bei den Bundesbehörden haben unter anderem wir acht Prozent Stelleneinsparungen bei den Ministerien durchgesetzt. Die Anzahl der Beauftragten werden wir halbieren …
WELT: Dafür gönnen sich Union und SPD allerdings auch ein zusätzliches Ministerium und damit auch einen Minister mehr. Hört sich jetzt nicht nach so schlankem Staat an.
Amthor: Das ist eine sehr oberflächliche Betrachtung, die den Blick auf das große Ganze verstellt. Insgesamt werden wir die Staatsverwaltung verschlanken. Das Acht-Prozent-Einsparziel gilt ressortübergreifend. Wir wollen und werden mit weniger Personal bessere Arbeit machen – und das bemisst sich nicht zuerst an der Zahl der Ministerien.
WELT: Zum Thema Staatsmodernisierung gehört auch die von der Union zunächst geforderte Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes, mit dem Sie selbst mal in die Kritik gekommen sind. Jetzt heißt es im Koalitionsvertrag statt „abschaffen“ „reformieren“. Gerade noch mal die Kurve gekriegt?
Amthor: Es steht jetzt drin, was ich in den vergangenen Tagen zu diesem Thema auch klarstellend gesagt hatte. Es ging uns zu keinem Zeitpunkt um einen Rückbau von Transparenz, sondern immer um einen Effizienzgewinn für die Verwaltung.
WELT: An welcher Stelle gefällt Ihnen der Koalitionsvertrag denn gar nicht? Welchen Kompromiss wären Sie lieber nicht eingegangen?
Amthor: Eine stärkere Entlastungsdynamik in der Steuerpolitik oder eine stärkere Akzentuierung der Anliegen der jungen Generation in der Rentenpolitik wären natürlich wünschenswerte Desiderate gewesen, aber ich will jetzt auch nicht beckmesserisch sein. Unter dem Strich ist dieser Koalitionsvertrag ein sehr tragfähiger Kompromiss mit starker Handschrift der Union.
WELT: Die Passage zum Cannabis-Gesetz kann Ihnen auch nicht besonders gefallen. Das wollten Sie rückgängig machen. Jetzt bleibt absehbar alles, wie es ist.
Amthor: Ja. Da haben Sie jetzt den einen letzten Punkt aus unserem Sofortprogramm herausgepickt, den wir nicht konsentieren konnten. Aber wenn man das zum Beispiel mit der Rücknahme der Turbo-Einbürgerungen oder mit der Begrenzung der ungesteuerten Migration abwägt, haben wir schon den richtigen Schwerpunkt gesetzt.
WELT: Passend zum Tage hat die AfD die Union erstmals in einer Umfrage hinter sich gelassen. Was muss der künftige Kanzler, was muss die künftige Koalition jetzt tun, damit sich dieser Trend nicht verstetigt?
Amthor: Sich um die Lösung von Problemen kümmern und sich nicht von Umfragen verrückt machen lassen. Das wäre ein guter Tipp nicht nur für Bundeskanzler, sondern für Politiker im Allgemeinen – und für politische Beobachter. Und zum Umgang mit der AfD kann ich generell nur raten: mehr Mut zur Auseinandersetzung, weniger Kaninchen vor der Schlange.
WELT: Werden Sie der nächsten Bundesregierung angehören?
Amthor: Ganz spannende Frage. Das wird aber wie alle Personalfragen erst später beantwortet.
Ulrich Exner berichtet für WELT über bundes- und landespolitische Themen, vor allem aus Norddeutschland.
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