Union und SPD haben einen Vertrag für ihre neue Regierung vorgestellt. 146 Seiten. Was steht drin? Ein Überblick über die wichtigsten – und überraschendsten – Punkte.

Nun ist Friedrich Merz dem Kanzleramt ganz nah: Die Union hat sich mit der SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt – nach vergleichsweise zügigen Verhandlungen. Welche Pläne hat die baldige neue Regierung fürs Land? Von Steuern über Migration bis Wehrpflicht: ein Überblick über die wichtigsten und überraschendsten Punkte.

Koalitionsvertrag: Soli bleibt – bei den Steuern bewegt sich wenig

Wer eine große Reform erwartet hatte, wird enttäuscht. Der Soli, den die Union abschaffen wollte, bleibt. Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Reiche, die die SPD erhoffte, kommen dafür nicht. Mittlere und untere Einkommen werden perspektivisch entlastet, allerdings erst zur Mitte der Legislaturperiode. Vorher lässt sich das offenbar nicht finanzieren. Ein bisschen freuen kann sich die Wirtschaft. Die Abschreibungsmöglichkeiten sollen stark ausgeweitet werden, zudem soll die Körperschaftssteuer sinken – ab 2028 jährlich um ein Prozent. Fazit: Großer Streit führt dazu, dass sich keine Seite wirklich durchsetzt. Auf dem Feld der Steuern bewegt sich recht wenig.

Familiennachzug aussetzen und mehr Härte in der Migrationspolitik

Bei der Migration haben sich SPD und Union auf einen Kompromiss verständigt. Freiwillige humanitäre Aufnahmeprogramme (zum Beispiel für Flüchtlinge aus Afghanistan) werden beendet, der Familiennachzug für subsidiär Geschützte (das betrifft vor allem Flüchtlinge aus Syrien) für zunächst zwei Jahre ausgesetzt. Die Liste sicherer Herkunftsstaaten soll erweitert werden, damit Asylverfahren mit Blick auf diese Länder beschleunigt und abgelehnte Bewerber schneller abgeschoben werden können. Die Bundespolizei darf künftig für ausreisepflichtige Ausländer vorübergehend Haft oder Ausreisegewahrsam beantragen. "Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet", heißt es im Vertrag. Aus der Union hatte es die Forderung nach einer Abschaffung gegeben. Beim Grenzschutz bleibt die Formulierung, dass man "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" illegale Flüchtlinge an den deutschen Grenzen zurückweisen will. Experten zweifeln, dass das in der Praxis funktionieren wird. 

Staatsbürgerschaft: deutscher Pass erst nach fünf Jahren

Im Feld der Staatsbürgerschaft wird die sogenannte Turbo-Einwanderung abgeschafft. Den deutschen Pass soll man in Zukunft erst nach fünf und nicht schon nach drei Jahren bekommen. Dafür wird es keine Ausbürgerungen von Menschen mit Doppelpass bei schweren Straftaten geben. 

Ende der Bonpflicht und große Ziele beim Bürokratieabbau

Es gibt ein Ministerium mehr, statt eines weniger. Nun ja. Dafür soll die Zahl der Beauftragten der Regierung halbiert werden, die Zahl der 950 Bundesbehörden und ihrer Mitarbeiter soll klar reduziert werden. Die Bürokratiekosten für die Wirtschaft sollen massiv reduziert werden. Für eine neue Regel sollen zwei alte verschwinden. Geplant ist ein Sofortprogramm für Bürokratierückbau, die Abschaffung des Lieferkettengesetzes und der Bonpflicht. Ein Unternehmen gründen? Soll künftig innerhalb von 24 Stunden möglich sein.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Bürgergeld wird abgeschafft, zumindest der Name

Es war eines der lautesten Versprechen der Union im Wahlkampf: das von der Ampelregierung eingeführte "Bürgergeld" abzuschaffen. Die neue "Grundsicherung für Arbeitssuchende" soll nun Mitwirkungspflichten und Sanktionen verschärfen. Allerdings wird sich damit in der Praxis nicht so viel ändern, denn man will etwa die "besondere Situation von Menschen mit psychischen Erkrankungen" und auch die "Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts" berücksichtigen. Damit wird es in den allermeisten Fällen weiter Kürzungen von höchstens 30 Prozent beim Regelsatz geben. Eine gewichtige Änderung: Neu ankommende Ukraine-Geflüchtete sollen nicht mehr im Bürgergeld-System landen, sondern niedrigere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen.

Größere Macht des Kanzleramts: Nationaler Sicherheitsrat kommt

Im Kanzleramt soll ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet werden, der die "wesentlichen Fragen" der Sicherheitspolitik koordinieren und zum "Gremium der gemeinsamen politischen Willensbildung" werden soll. Auch ein Nationaler Krisenstab (aus Bund und Ländern) sowie ein Nationales Lagezentrum sind geplant. Vergleichbare Pläne gibt es schon lange, stießen aber auch auf Vorbehalte und Sorgen anderer Ressorts (etwa Außen und Verteidigung), dass der Kompetenzausbau für das Kanzleramt mit einem eigenen Machtverlust einhergehen könnte. Im Koalitionsvertrag wird betont, dass die Entscheidungen "im Rahmen des Ressortprinzips" und "ressortübergreifend" getroffen werden sollen. 

Mütterrente und Co. – Markus Söder hinterlässt seine Duftmarke

Der CSU-Chef kann zufrieden sein, seine drei prominenten Forderungen finden sich allesamt im Koalitionsvertrag: die Ausweitung der Mütterrente, die Senkung der Mehrwehrtsteuer in der Gastronomie auf sieben Prozent und die Förderung des Agrardiesel.

Koalitionsverhandlungen Ist die Mütterrente mehr als ein teures Wahlgeschenk?

Rente – eine große Reform trauen sie sich erstmal nicht

Union und SPD wollen das Rentenniveau bei 48 Prozent halten – weiterhin werden damit Steuermittel das System stützen. Erst im Jahr 2029 soll die Entwicklung des Beitrags und der Steuerzuschüsse "evaluiert" werden, "um gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen". Zwei Neuerungen in dem Feld gibt es aber doch: Mit einer Aktivrente will die neue Regierung finanzielle Anreize schaffen, freiwillig länger zu arbeiten. "Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei", steht im Koalitionsvertrag. Und mit der "Frühstartrente" soll jedes Kind staatlich finanziert ein kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot bekommen. Ab der Volljährigkeit kann dieses bis zur Rente weiter angespart werden.

Atomstrom – war da was?

Das Wort "Atom" kommt im Vertrag nur ein einziges mal vor. In diesem Satz: "Wir regulieren die Fusionskraftwerke außerhalb des Atomrechts." Ansonsten verlieren Union und SPD kein Wort darüber. Gemessen an den mutigen Plänen, vor allem aus der CSU, ist dieses atomare Nichts sensationell. Auf drei Seiten hatte die Union eine Renaissance der Atomkraft skizziert – beginnend mit dem Stopp der Abrissarbeiten, der Prüfung einer Wiederinbetriebnahme und natürlich des baldigen Neubaus von Mini-Reaktoren. Übrig bleibt dieser recht optimistische Zukunftswunsch: "Unser Ziel ist: Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen." Irgendwann.

Heizungsgesetz wird abgeschafft

Das wohl kontroverseste Gesetz der Ampelregierung wird mit der schwarz-roten Koalition fallen: "Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen", schreiben die künftigen Koalitionäre in ihrer Vereinbarung. Nach ihren Vorstellungen soll das Gebäudeenergiegesetz (GEG) künftig "technologieoffener, flexibler und einfacher" gestaltet werden. Offen ist, was genau das bedeuten soll. Die Sanierungs- und Heizungsförderung soll allerdings fortgeführt werden – eine Maßnahme, die vom damaligen Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingeführt wurde und insbesondere in Unionskreisen scharf kritisiert worden war.

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Wehrpflicht? "Zunächst" freiwillig

In der Frage, wie man Deutschland wieder verteidigungsfähig bekommt, konnte die Union ihre Forderung nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht durchsetzen. Im Koalitionsvertrag heißt es vage: "Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert." Dabei wolle man sich "am schwedischen Wehrdienstmodell" orientieren. Ein Widerspruch, denn das schwedische Modell sieht sehr wohl die Möglichkeit einer Zwangseinberufung vor, wenn die Zahl der Freiwilligen nicht ausreicht. Wie das mit einer derart vagen Absichtserklärung erreicht werden soll, wird das Geheimnis der Koalitionäre bleiben. Prognose: Mit diesem Koalitionsvertrag werden die Personalprobleme der Bundeswehr bleiben

Auch Überraschendes dabei: Schwimmcontainer

Seit Jahren ist die Schwimmfähigkeit der Deutschen rückläufig. Dagegen will die neue schwarz-rote Koalition nun vorgehen. Mit einer Milliarde Euro sollen Sporthallen – vor allem aber Schwimmbäder – modernisiert werden. Damit wirklich jede Kommune in Deutschland Zugang zu einer Schwimmmöglichkeit erhält, sollen auch mobile Schwimmcontainer aus diesem Topf gefördert werden. In den vergangenen Jahren kamen solche Container immer wieder zum Einsatz, weil sich viele Kommunen die Sanierung ihrer Schwimmhallen nicht mehr leisten konnten.

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