Der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelskonflikt trifft auch den afrikanischen Kontinent hart. Gegen mehrere afrikanische Länder hat Washington neue Importzölle verhängt, für Südafrika, Madagaskar und Botsuana liegen sie künftig bei 30 Prozent oder mehr. Lesothos Handelsminister Mokhethi Shelile erfuhr mitten in der Nacht, dass Trump seinem Land höhere Strafmaßnahmen auferlegt hat als jedem anderen: 50 Prozent.

WELT: Wie haben Sie von den Zöllen erfahren, die Präsident Trump über Nacht eingeführt hat?

Shelile: Ich bin in der Nacht zu Donnerstag aufgewacht. Um 3 Uhr kamen plötzlich WhatsApp-Nachrichten von überall: „Hast du das mit den US-Zöllen gesehen?“ „Was ist da los?“ Ich dachte, das ist ein Scherz – dass mich jemand reinlegen will. Dann rief ich unseren Botschafter in den USA an. Und der sagte nur: Nein, Minister, das ist sehr, sehr real, keine Erfindung aus den sozialen Medien. Ich wusste, dass Trump Zölle verkünden wollte. Aber diese Wucht habe ich natürlich absolut nicht kommen sehen. Wir haben dann sofort die US-Botschaft hier in Lesotho kontaktiert, hatten drei Meetings.

WELT: Und wie war die Reaktion?

Shelile: Die Mitarbeiter kennen die Situation und die Dynamiken hier in Lesotho viel besser. Sie waren sehr verständnisvoll, aber letztlich hieß es: Es ist, was es ist. Dann kam eine diplomatische Depesche aus Washington mit der sinngemäßen Botschaft: Wenn ihr euch hier mit uns zusammensetzen möchtet, seid ihr willkommen. Am Freitag rief dann die US-Botschaft an, um mir mitzuteilen, dass ich vielleicht vorsorglich ein Visum für einen Besuch in den USA beantragen solle. Konkret haben aber nur drei Berater Trumps ihre Bereitschaft zu Gesprächen erklärt. Wir brauchen aber jemanden von der Administration. Während wir hier sitzen, warte ich auf ein Feedback.

WELT: Lesotho exportiert vor allem Kleidung in die USA, führt mangels Nachfrage nahezu keine amerikanischen Produkte ein und hat entsprechend einen großen Handelsbilanzüberschuss. Haben Sie verarbeitet, dass Trump ihr Land zu den Staaten zählt, die er gegenüber der US-Wirtschaft zu den „schlimmsten Übeltätern“ erklärt hat?

Shelile: Es gibt selbstverständlich überhaupt keine Grundlage, mit denen sich die Zölle in Höhe von 50 Prozent auch nur ansatzweise rechtfertigen lassen. Wir sind winzig – und eines der ärmsten Länder im Süden Afrikas. Die Exporte sind elementar für uns, eine absolute Stütze. Die Textilbranche ist der größte private Arbeitgeber mit 30.000 Arbeitsplätzen. Bleibt es bei den Zöllen, werden 12.000 Jobs wegfallen, dazu Tausende weitere, darunter Straßenverkäufer und Taxi-Fahrer. Der Immobilienmarkt wird leiden, wenn die entlassenen Arbeiter zurück in ihre Dörfer ziehen müssen. Und in sechs Monaten werden wir eine Devisenkrise haben, weil zu wenig Dollar aus dem Handel ins Land fließen. Es drohen dann noch mehr Inflation und Liquiditätsprobleme. Das ist eine Katastrophe. Ich renne herum und versuche, ein Feuer nach dem anderen zu löschen.

WELT: Simbabwe hat angeboten, Zölle für US-Importe aufzuheben. Erwägen sie das auch?

Shelile: Das können wir gar nicht allein entscheiden, weil wir in einer Zollunion mit Südafrika, Eswatini, Botsuana und Namibia sind. Momentan erheben wir durchschnittlich Zölle von nur sieben Prozent auf US-Produkte. Wir müssen jetzt sehr, sehr dringend verhandeln. Natürlich hoffen wir noch immer, dass wir zu einem zollfreien Marktzugang zurückkehren können. Wir könnten wohl auch Zölle für unsere Exporte in ähnlicher Höhe verkraften. Aber jeder Zoll, der über zehn Prozent liegt, wird die elf Fabriken zerstören, die für den US-Markt produzieren.

WELT: Wie könnten sie die Lücke langfristig schließen? Sehen Sie Potenzial in China?

Shelile: Wir haben dort weitgehend zollfreien Marktzugang. Aber in China sind die örtlichen Firmen so stark, dass wir keine Profite machen können. Das alles ist ein großer Weckruf. Wir haben zuletzt verstärkt hier in die Region exportiert, aber das ist längst nicht genug. Seit vier Jahren haben wir ein Freihandelsabkommen in Afrika, aber es findet immer noch kaum Handel zwischen afrikanischen Ländern statt. Es geht viel zu langsam, auch hier in Lesotho.

WELT: Schon im März spottete Trump, Lesotho sei ein „Land, von dem nie jemand gehört hat“, als er sich über Zahlungen der US-Entwicklungsbehörde USAID an die LGBTQ-Gemeinschaft ärgerte.

Shelile: Zu dem Spruch haben einige Bürger T-Shirts gedruckt. Damals fand ich das nicht schlimm, weil es ja ein wenig stimmte. Ich muss seit Jahren ständig erklären, wo und wer wir sind: eine winzige Enklave in Südafrika.

WELT: Immerhin das müssen Sie vielleicht künftig etwas seltener tun.

Shelile: Ja, Donald Trump macht uns berühmt. Aber leider als ein Land, das bald nicht mehr wettbewerbsfähig sein wird. Auf diese PR kann ich gut verzichten.

Christian Putsch ist Afrika-Korrespondent. Er hat im Auftrag von WELT seit dem Jahr 2009 aus über 30 Ländern dieses geopolitisch zunehmend bedeutenden Kontinents berichtet.

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