Berlin will vier ausländische Anhänger der Anti-Israel-Protestszene aus Deutschland ausweisen. Zuerst berichtete „The Intercept“ darüber. Demnach handelt es sich um zwei Iren, eine Polin und einen Amerikaner. Auf WELT-Anfrage bestätigte das Berliner Landesamt für Einwanderung (LEA), die Ausweisung stehe im Zusammenhang mit „Vorfällen an der Freien Universität Berlin vom 17.10.2024“. Weiter Angaben seien aus Datenschutzgründen nicht möglich.

Am betreffenden Datum hatten Vermummte das Präsidiumsgebäude der Freien Universität (FU) Berlin gestürmt. Laut einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion im Berliner Landesparlament wurden damals Uni-Mitarbeiter von den Eindringlingen „sowohl physisch als auch psychisch bedroht“.

Es sei der Versuch unternommen worden, Mitarbeiter aus Büros zu zerren; die Angreifer seien „zudem vermummt und mit Äxten, Sägen, Brecheisen und Knüppeln bewaffnet“ gewesen. Es entstand ein sechsstelliger Sachschaden, und die Universität selbst verlautbarte damals: Der Vorfall sei von den Mitarbeitern „nicht als versuchte Besetzung wahrgenommen“ worden, „sondern vielmehr als gewaltsamer Angriff“.

Mindestens zwei der zur Ausreise aufgerufenen Aktivisten klagen laut Medienberichten gegen ihre „aufenthaltsbeendenden Bescheide“. Laut „Tagesspiegel“ gab es auch innerhalb des LEA selbst Widerspruch gegen das Vorgehen, weil drei der Betroffenen EU-Bürger sind und es somit hohe Anforderungen an ihre Ausweisung gibt. Keiner der Betroffenen ist demnach aufgrund einer Straftat verurteilt. Laut Gesetz scheint es einer solchen aber für die Ausweisung von EU-Bürgern zu bedürfen. Die Rechtsauffassung der Berliner Innenbehörde ist eine andere.

Letztlich werden Gerichte die Rechtsmäßigkeit klären. Immer klarer wird jedenfalls, dass die Ausweisungen politisch von der in Berlin regierenden Koalition aus CDU und SPD gewollt sind.

„Wer das Existenzrecht Israels infrage stellt oder antisemitische Gewalt verherrlicht, überschreitet eine rote Linie“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) WELT. „Der angeordnete Verlust der Freizügigkeit für die antisemitischen Straftäter ist deshalb richtig und notwendig. Die Haltung des Berliner Senats ist eindeutig.“ Die Behörden des Landes, so Wegner, würden auch weiterhin gegen jede Form von antisemitischer Hetze konsequent vorgehen.

Der innenpolitische Sprecher der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, erklärte: „Das sind Straftäter, und es ist wichtig, dass hiermit erstmals ein Exempel statuiert wird im Zusammenhang mit den sogenannten Pro-Palästina-Demonstrationen, die in Wahrheit Pro-Hamas-Demonstrationen sind.“ Das Vorhaben sei „ein wichtiges Zeichen, dass alle, die in Erwägung ziehen, ein solches Verhalten an den Tag zu legen, genau wissen, was mit ihnen passiert kann“.

Die Hochschulleitungen, so Dregger, hätten „lange nicht erkannt“, welche Gefahr aus der sogenannten propalästinensischen Szene erwachse. Diese verfüge über ein „erhebliches Radikalisierung- und Gewaltpotenzial hat – wie sich bei deren Vorgehen im Präsidium der Freien Universität gezeigt hat“. Begegnen könne man dieser Gemengelage nur mit Repression.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) äußerte sich auf WELT-Anfrage nicht zu dem Vorgang. Dregger sagte: „Ich bin froh, dass unsere Innensenatorin die exakt gleiche die Linie fährt. Und auch der innenpolitische Sprecher der SPD, Martin Matz. Das ist super klasse. Denn diese Lage in Berlin unter Kontrolle zu behalten, setzt voraus, dass die politische Führung an einem Strang zieht. Unter Rot-Rot-Grün war das nicht der Fall.“

Union im Bundestag: „Nachvollziehbar und richtig“

Für die Unionsfraktion im Bundestag erklärte Daniela Ludwig (CSU), Beauftragte ihrer Fraktion für jüdisches Leben in Deutschland und die Beziehungen zu Israel, auf WELT-Anfrage: Sie halte die Entscheidung zur Ausweisung für „nachvollziehbar und richtig“, denn: „Die Vorwürfe gegen die vier Personen aus dem Ausland sind schwerwiegend. Sie drangen in die Uni ein, bedrohten Mitarbeiter, sprühten Hass-Parolen und zerstörten Möbel, Computer und Kopierer. Das fällt nicht unter Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht“, so Ludwig. Die Instrumente des Aufenthaltsrechts müssten konsequent genutzt werden, um den Antisemitismus in Deutschland wirksam zu bekämpfen.

Ludwig gehört zu einer Gruppe von Unions-Abgeordneten, die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) derzeit auffordern, das Tragen des Palästinenser-Tuchs im Bundestagsplenum zu verbieten. Die neue Linke-Abgeordnete Cansin Köktürk hatte neulich mit einem solchen Tuch, das viele Hamas-Anhänger tragen, im Bundestag posiert.

Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen verzichteten darauf, eine Einordnung der Berliner Vorgänge abzugeben.

Die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Beatrix von Storch, sagte WELT: „Es müssen nicht nur diese vier abgeschoben werden, sondern alle Ausländer, die mit der Hamas und anderen Terrororganisationen sympathisieren und sich an aggressiven, gewalttätigen und extremistischen Aktionen beteiligen.“ Wer sich als „Aktivist“ sehe und seine radikale Ideologie aggressiv verbreiten wolle, könne das in seinem Heimatland tun, aber nicht in Deutschland, so von Storch.

Scharfe Kritik am Vorgehen der schwarz-roten Koalition in Berlin übte Clara Bünger, Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik der Linken im Bundestag: „Unter der Leitung von Kai Wegner greift das Land Berlin die Versammlungs- und Meinungsfreiheit an“, sagte Bünger. Die Betroffenen sollen Bünger zufolge „wegen ihres Engagements in der Palästina-solidarischen Bewegung aus Deutschland abgeschoben werden“.

Die Linke-Politikerin betonte zudem, dass, wie aus der Berichterstattung hervorgehe, „die fachlich zuständigen Mitarbeitenden im Landesamt für Einwanderung erhebliche rechtliche Bedenken gegen den Entzug der Freizügigkeit bei den drei EU-Bürger*innen äußerten“. Nur aufgrund politischen Drucks seien die Bescheide ausgestellt worden. „Hier soll offenbar Politik vor dem Recht stehen“, sagte Bünger. Es dränge sich „das Gefühl auf, dass gegen jede Person vorgegangen werden soll, die nicht CDU-Positionen vertritt. Das ist eine gefährliche Entwicklung.“

Ron Dekel, Präsident der Jüdischen Studierendenunion (JSUD), sagte WELT: Seine Organisation blicke mit großer Sorge auf die seit dem 7. Oktober eskalierende Gewalt. „Die Stürmung von Universitäten und der Vandalismus auf dem Campus sind keine Kavaliersdelikte“, so Dekel. „Wer mit Äxten und Brecheisen Universitäten angreift, gefährdet die Wissenschaftsfreiheit und das Sicherheitsgefühl aller Studierenden.“

Die Folgen solcher Taten seien beim körperlichen Angriff auf den jüdischen Berliner Studenten Lahav Shapira durch einen seiner Kommilitonen deutlich geworden. Der attackierte FU-Student lag nach der Attacke vom Februar 2024 mit Knochenbrüchen im Gesicht im Krankenhaus.

„Das Ziel der Täterinnen und Täter ist es, Menschen mit abweichenden Meinungen einzuschüchtern und sie dadurch von den Universitäten zu verdrängen“, sagt Dekel. Um die Sicherheit aller sowie die Wissenschaftsfreiheit an Hochschulen zu gewährleisten, begrüße die JSUD Maßnahmen, die „im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und einer wehrhaften Demokratie ergriffen werden. Alle Studierenden, insbesondere an deutschen und besonders Berliner Universitäten, müssen sich wieder sicher fühlen können.“

Jan Alexander Casper berichtet für WELT über innenpolitische Themen.

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