• Solidaritätszuschlag ist Ergänzungsabgabe
  • Keine Zurückzahlungen der Einnahmen aus vergangenen Jahren
  • Beschwerden immer wieder abgewiesen
  • Erster Zweck war nicht der Aufbau Ost

Im Dauerstreit um die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags sind sechs FDP-Politiker mit ihrer Verfassungsbeschwerde gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde als unbegründet zurück.

Solidaritätszuschlag ist Ergänzungsabgabe

Richterin Christine Langenfeld sagte bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe, der Bund verzeichne weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten, zusätzlichen Finanzierungsbedarf. Die Erhebung des Solidaritätszuschlages sei auch seit 2020 und in veränderter Form ab 2021 verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber sei deshalb nicht dazu verpflichtet, den Soli abzuschaffen. Das Auslaufen des Solidarpakts Ost sei nicht entscheidend. (Az. 2 BvR 1505/20)

Eine solche Abgabe dürfe auch sozial gestaffelt werden, führte das Gericht aus. Dass nur noch etwa zehn Prozent der Steuerpflichtigen – die am besten Verdienenden – den Zuschlag zahlen müssen, sei damit erlaubt. Ob der Soli weiter erhoben werde, sei also eine politische Entscheidung. 

Langenfeld verwies darauf, dass eine Ergänzungsabgabe einen finanziellen Mehrbedarf des Bundes zur Erfüllung bestimmter Aufgaben voraussetze. Eine solche Ergänzungsabgabe dürfe jedoch nicht zeitlich unbegrenzt erhoben werden. Den Gesetzgeber treffe eine "Beobachtungsobliegenheit". Eine solche Abgabe könnte verfassungswidrig werden, sobald der zuvor festgestellte Mehrbedarf wegfalle. Das heißt, der Gesetzgeber müsse regelmäßig überprüfen, sollten sich maßgebliche Verhältnisse ändern.

Keine Zurückzahlungen der Einnahmen aus vergangenen Jahren

Das Urteil dürfte auch die Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung beeinflussen. Ein neues Milliardenloch im Etat ist damit vorerst abgewendet. Hätte das Bundesverfassungsgericht den Solidaritätszuschlag für rechtswidrig erklärt, hätte der Bund für die Zeit ab 2020 rund 65 Milliarden Euro zurückzahlen müssen. Zudem wären Einnahmen von 12,75 Milliarden Euro im Haushalt 2025 und in Zukunft weggefallen, womit sich für die neue Bundesregierung gleich zum Start und noch in diesem Jahr ein ungeplantes Haushaltsloch von fast 78 Milliarden Euro eröffnet hätte.

Die Union hatte im Wahlkampf die Soli-Abschaffung als Teil einer Steuersenkung gefordert. Die SPD will für Spitzeneinkommen und die Wirtschaft daran festhalten.

Soli-Kläger fordert Entlastung für Betriebe und Sparer

Der FDP-Politiker Christian Dürr hat nach der Entscheidung milliardenschwere Entlastungen für Betriebe und Sparer gefordert. Friedrich Merz müsse jetzt handeln, erklärte er. Wer sich ein Schuldenpaket genehmige, müsse auch in der Lage sein, 13 Milliarden Euro jährliche Entlastung umzusetzen. Eine politische Entscheidung sei nun umso notwendiger geworden. Der Soli schwäche den Wirtschaftsstandort. Dürr ist einer der sechs FDP-Politiker, die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Solidaritätszuschlag geklagt hatten.

Der geschäftsführende Finanzminister Jörg Kukies sagte, das höchste deutsche Gericht bestätige die Rechtsauffassung der Bundesregierung, dass die Erhebung des Soli verfassungsgemäß sei. Damit schaffe es "Klarheit für die Aufstellung des Bundeshaushalts", erklärte der SPD-Politiker.

Beschwerden immer wieder abgewiesen

Der Solidaritätszuschlag ist schon öfter beklagt worden, auch vor Gericht. Schon vor 20 Jahren wurde er mit Hilfe vom Bund der Steuerzahler bis nach Karlsruhe gebracht. Westdeutsche Eheleute sahen darin spätestens seit 2002 eine verfassungswidrige Sondersteuer. Das lehnte der Bundesfinanzhof ab und die Verfassungsbeschwerde dagegen kam nicht zur Entscheidung.

Vor allem der Bundesfinanzhof in München musste den Solidaritätszuschlag schon häufiger prüfen.Bildrechte: IMAGO / Sven Simon

Danach hielt dann das Finanzgericht in Niedersachsen den Soli spätestens seit 2007 für verfassungswidrig. Doch 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass eine solche Ergänzungsabgabe aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht befristet werden müsse.

Im Jahr darauf bestätigte wiederum der Bundesfinanzhof (BFH) den Soli. Erneut hatten Kläger, eine Anwältin und eine GmbH, dessen dauerhafte Eintreibung angefochten.

Zuletzt bestätigte der BFH im Januar 2023 den Soli für 2020 und 2021. Der Gesetzgeber habe viel Spielraum und könne ihn durchaus auf hohe Einkünfte beschränken, hieß es. Zwar könne eine Ergänzungsabgabe verfassungswidrig werden, wenn sich für ihre Einführung maßgebliche Verhältnisse änderten. Ein Mehrbedarf des Bundes bei der Bewältigung einer "Generationenaufgabe" könne aber auch für sehr lange Zeit bestehen.

Erster Zweck war nicht der Aufbau Ost

Die als "Soli" bekannte Ergänzungsabgabe wurde 1991 für ein Jahr befristet eingeführt, um einen Teil der Kosten des Golfkriegs zu tragen, den die USA von Januar bis März nach dem Einmarsch des Iraks unter Saddam Hussein in Kuweit führten. Begründet wurde er aber auch mit Mehrbedarf "für die Unterstützung der Länder in Mittel-, Ost- und Südeuropa" und erst an dritter Stelle mit "zusätzlichen Aufgaben in den neuen Bundesländern". 1995 wurde der "Soli" erneut eingeführt, diesmal unbefristet.

Hauptsächlich hatte die Regierung unter Helmut Kohl (CDU) aber die teilungsbedingten Lasten mit deutlich höheren Staatsschulden finanziert. Vor Gericht bezweifelt wurde deshalb auch jetzt, dass die Erhebung des Soli etwa an den 2019 ausgelaufenen Solidarpakt II gebunden war.

2021 änderte sich die Besteuerung. Seitdem zahlen ihn nur noch Gutverdienende und Unternehmen. Alle anderen Steuerzahler hatte die damalige Große Koalition davon befreit. Dagegen hatten sechs FDP-Politiker geklagt. Sie hielten den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig.

dpa, AFP, Reuters, MDR AKTUELL (ksc, das)

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