Neuer Bundestag wählt Julia Klöckner zur Parlamentspräsidentin
- Neuer Bundestag wählt Julia Klöckner zur Parlamentspräsidentin.
- Spannung bei Wahl des Präsidiums – bekommt AfD erstmals einen Vizeposten?
- Alterspräsident Gregor Gysi fordert von künftigem Kanzler Entschuldigung bei den Ostdeutschen.
Dreißig Tage nach seiner Wahl ist der neue Bundestag zu seiner ersten Sitzung zusammengekommen. Eröffnet wurde die konstituierende Sitzung am Vormittag mit einer Rede des Alterspräsidenten – in dieser 21. Legislaturperiode ist es der Linke-Abgeordneten Gregor Gysi. Er ist der Dienstälteste im Bundestag und seit 1990 Parlamentarier. Der 77-Jährige leitete die Sitzung bis zur Wahl von Julia Klöckner. Die CDU-Politikerin wurde am Mittag zur neuen Bundestagspräsidentin gewählt.
AfD beansprucht Alterspräsidentschaft für Gauland
Die AfD-Fraktion beantragte zu Sitzungsbeginn eine Änderung der Geschäftsordnung, damit der älteste Abgeordnete Alterspräsident wird. Diese Regelung galt vor 2017. Mit der Änderung wurde die Alterspräsidentschaft dem bzw. der dienstältesten Abgeordneten zugesprochen.
Vom Alter her ist der 84-jährige AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland ältester Abgeordneter. Schon bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages 2021 hatte die AfD einen solchen Antrag gestellt und war damit gescheitert. Der Antrag wurde auch diesmal mit großer Mehrheit aller anderen Fraktionen abgewiesen.
Julia Klöckner zur Bundestagspräsidentin gewählt
Klöckner erhielt in geheimer Wahl 382 Ja-Stimmen bei 204 Nein-Stimmen. Es gab 31 Enthaltungen und fünf ungültige Stimmen. Die CDU-Abgeordnete folgt der Sozialdemokratin Bärbel Bas. Traditionell besetzt die stärkste Fraktion im Bundestag dieses Amt. Die 52-jährige Klöckner ist die vierte Frau auf diesem Posten nach Annemarie Renger (1972-1976), Rita Süssmuth (1988-1998) und Bärbel Bas (2021-2025).
In ihre Antrittsrede forderte Klöckner eine erneute Wahlrechtsreform, weil zahlreiche Wahlkreisgewinner bei der Bundestagswahl ohne Mandat geblieben seien. Dafür bekam die CDU-Politikerin nur Applaus von ihrer eigenen Fraktion. Die 52-Jährige kündigte an, in ihrer Funktion als Bundestagspräsidentin sowohl das Fragerecht an die Regierung als auch die Geschäftsordnung des Bundestags reformieren zu wollen. Ohne die gewachsene AfD-Fraktion namentlich zu nennen, mahnte sie zudem: "Lautstärke ist nicht automatisch Mehrheit." Man müsse kontrovers diskutieren, "aber immer in einem zivilisierten Miteinander".
Als wichtige Aufgabe des neuen Bundestags sieht Klöckner, das schwindende Vertrauen der Menschen in die Politik und staatliche Institutionen zu verbessern. Mit Blick auf den gesunkenen Frauenanteil im Parlament forderte sie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Politik.
AfD bisher ohne Bundestagsvizeposten
An die Wahl schließt sich die der Stellvertreterinnen und Stellvertreter an. In der Geschäftsordnung des Bundestags heißt es, dass jede Fraktion "durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten" ist. Für die SPD soll das die 38-jährige Abgeordnete Josephine Ortleb aus Saarbrücken werden. Die Grünen nominierten Ex-Parteichef Omid Nouripour. Weitere Kandidaten sind Bodo Ramelow von den Linken und Andrea Lindholz von der CSU.
Ein besonderes Augenmerk richtet sich dabei auf die Frage, ob die AfD erstmals einen Vizepräsidentenposten bekommt. Nominiert ist der Verteidigungspolitiker Gerold Otten. Seit dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 erhielten ihre Kandidatinnen und Kandidaten bei den Wahlen noch nie die erforderliche Stimmenzahl, weil sie von den anderen Fraktionen mehrheitlich nicht gewählt wurden.
Gysi: Neuer Kanzler sollte sich bei Ostdeutschen entschuldigen
Alterspräsident Gregor Gysi riss in seiner Rede viele innen- und außenpolitische Themen an. So sprach er sich für die Einrichtung "überparteilicher Gremien" beim Parlament aus – für wichtige Problemfelder wie Rente, Gesundheit, Steuergerechtigkeit und Bürokratie. Der 77-Jährige bat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zudem, ein Gremium zur Sicherung von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Gysi warb für eine allgemeinverständliche Sprache in den Debatten und mehr Ehrlichkeit in der Politik. Das zielte unter anderem in Richtung Union in der Frage der Schuldenbremse. Er plädierte für Volksentscheide auch auf Bundesebene.

Gysi warb für eine differenziertere West-Ost-Debatte. Nach der Wiedervereinigung habe es große Erfolge gegeben, aber auch viele Fehler. Vor allem habe sich die damalige Bundesregierung "nicht für das Leben in der DDR interessiert". Dafür sollte sich der neue Bundeskanzler entschuldigen. Der Osten sei vielfach auf "Stasi und Mauertote reduziert" worden, für Frauen und Alleinerziehende habe die Einheit Rückschritte gebracht. Gysi forderte eine Gleichstellung der Löhne in Ost und West und mehr ostdeutsche Vertreter in Ministerien und Behörden.
Der merklich aufgeregte Gysi sagte, der neue Bundestag müsse in einer schweren Zeit agieren. Auch wenn er persönlich Aufrüstung nicht für die richtige Antwort auf den Krieg in der Ukraine halte, dürfe man Andersdenkende nicht Kriegstreiber nennen. Auch zu Risiken für die westliche Demokratie durch US-Präsident Donald Trump und den Nahostkonflikt ging Gysi kurz ein. Applaus bekam er für seinen etwa 35-minütigen Rundumschlag vor allem von der Linksfraktion.
Am Morgen Ökumenischer Gottesdienst in der St. Hedwigs-Kathedrale

Am Morgen versammelten sich zahlreiche Abgeordnete bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale. Prälat Karl Jüsten rief die Politikerinnen und Politiker in seiner Predigt auf, ihr Mandat oder Amt demütig auszufüllen, dass die Vertrauensbeziehung zu den Wählerinnen und Wählern "wachsen kann". Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten "Antworten von Regierung und Parlament". Am Gottesdienst nahmen unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz, CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sowie Mitglieder des Bundestagspräsidiums teil.
dpa/reuters (asa)
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