Nach zwei Monaten Waffenruhe eskaliert der Konflikt im Gazastreifen. Israelische Luftangriffe fordern hunderte Opfer. Netanjahu kündigt weitere Härte an.

Zwei Monate nach Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen hat die israelische Armee die Kämpfe wieder aufgenommen. Bei schweren Luftangriffen starben nach palästinensischen Angaben in der Nacht zum Dienstag über 400 Menschen. 

Israelische Medien berichteten von anhaltenden israelischen Luftangriffen in mehreren Gegenden des Küstengebiets auch in der Nacht zu Mittwoch. Die israelische Armee äußerte sich jedoch zunächst nicht dazu. Den Berichten zufolge wurden Angriffe aus der Gegend um Chan Junis im Süden des Gebietes und bei Gaza-Stadt im Norden gemeldet. Bei den Angriffen sollen demnach mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen sein.

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Netanjahu verkündet verstärkten Druck auf Hamas

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte Dienstagabend wachsenden Druck auf die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas an. "Dies ist erst der Anfang", drohte der Regierungschef. Militärischer Druck sei entscheidend für die Freilassung der 59 israelischen Geiseln in den Händen der Hamas. Die Verhandlungen zu ihrer Freilassung würden "nur unter Feuer" fortgesetzt. Die Hamas werde bekämpft werden, bis sie keine Gefahr mehr darstelle. 

Die Hamas warf Israel vor, die Waffenruhe zu brechen und die Vermittlungsbemühungen für eine dauerhafte Friedenslösung zu gefährden. Die Hamas sei der Dreistufenvereinbarung immer verpflichtet gewesen.

Unter den Todesopfern sind nach Hamas-Angaben einige hochrangige Funktionäre der Organisation und Familienangehörige. Darunter seien der faktische Hamas-Regierungschef Essam Addalis, Vize-Justizminister Ahmed Al-Hetta und der stellvertretende Innenminister und Leiter der Sicherheitsdienste, Mahmud Abu Watfa. Zudem sei das ranghohe Hamas-Politbüromitglied Mohammed Al-Dschmasi tot. Auch ein führendes Mitglied der Extremisten-Gruppe Islamischer Dschihad wurde getötet, wie aus dem Umfeld der mit der Hamas verbündeten Palästinenser-Gruppe verlautete. Dabei handele es sich um Nadschi Abu Saif, besser bekannt als Abu Hamsa, den Sprecher der Miliz des Islamischen Dschihads.

So begehen Menschen in Gaza den Ramadan

Tafeln inmitten von Trümmern Auch in Gaza begeht man den Fastenmonat: In Rafah versammeln sich die Menschen zum traditionellen Fastenbrechen an einer langen Tafel in einer vollkommen zerstörten Straße. Während des Krieges flohen Hunderttausende aus dem Norden in diese Region © Ali Jadallah / Anadolu / Getty Images
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"Der Krieg ist wieder da"

"Es war eine Nacht der Hölle", teilte die 65-jährige Rabiha Dschamal aus Gaza-Stadt der Nachrichtenagentur Reuters über einen Kurznachrichten-Chat mit. "Wir dachten, es wäre vorbei, aber der Krieg ist wieder da." Nach Angaben der Palästinenser-Behörden wurden auch mehr als 560 Menschen verletzt. In den von 15 Monaten Krieg stark beschädigten Krankenhäusern stapelten sich Leichen, die in weiße, blutverschmierte Plastikplanen eingehüllt waren.

Palästinensische Zivilisten im Norden und Süden des Gazastreifens, die während der Waffenruhe in ihre Wohngebiete zurückgekehrt waren, wurden von der Armee erneut zur Flucht aufgerufen.

Der israelische Außenminister Gideon Saar sagte, die Angriffe würden auch in den kommenden Tagen weitergehen. "Dies ist kein eintägiger Einsatz", sagte Saar nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit Repräsentanten der israelisch-amerikanischen Lobbyorganisation Aipac.

Die islamistische Hamas habe zwei Vorschläge des US-Gesandten Steve Witkoff für eine Verlängerung der Waffenruhe abgelehnt, sagte Saar. "Wir fanden uns in einer Sackgasse wieder – keine Geiseln wurden freigelassen und es gab keine militärischen Einsätze", sagte der Außenminister demnach. "Diese Situation konnte nicht andauern."

Nach mehr als 15 Monaten gehen sie den Gaza-Streifen entlang; zurück in ihre Heimat. Doch die ist ist nicht mehr das, was sie einmal war.
"Es gibt keine Stadt, kein Haus, wir gehen in ein völlig unbekanntes Land" © n-tv.de

USA kritisieren Hamas

Netanjahu kündigte an, Israel werde weiter gegen die Hamas kämpfen, bis alle Kriegsziele erreicht seien. Dies seien die Rückführung aller Geiseln, die Zerstörung der Hamas und die Gewährleistung, dass Gaza keine Bedrohung mehr für Israel darstellen könne.

Das israelische Militär bezeichnete seine neuen Angriffe als "Präventivoffensive". Damit solle die Hamas daran gehindert werden, Angriffe auf Israel zu verüben und ihre Kampfeinheiten wiederaufzubauen und aufzurüsten. Der Einsatz richte sich gegen "militärische Befehlshaber mittleren Ranges, Führungsvertreter und terroristische Infrastruktur" der Hamas. Das US-Präsidialamt erklärte, Israel habe sich vor den nächtlichen Angriffen mit der US-Regierung beraten. "Die Hamas hätte Geiseln freilassen können, um die Waffenruhe zu verlängern, entschied sich jedoch stattdessen für die Weigerung und den Krieg", sagte ein US-Regierungssprecher.

Die Waffenruhe war am 19. Januar in Kraft getreten, die erste Phase endete nach sechs Wochen. Weil sich Israel und die Hamas über den weiteren Verlauf der Waffenruhe nicht einigen konnten, sollte sie eigentlich auf Vorschlag der Vermittler für die Dauer der muslimischen Fastenzeit Ramadan und des jüdischen Pessach-Festes und damit bis mindestens zum 20. April verlängert werden.

Witkoff und andere US-Vertreter hatten zuletzt bei einem Vermittlertreffen in Katar einen aktualisierten Vorschlag für eine mehrwöchige Verlängerung der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas vorgelegt. Demnach sollte die Hamas mehrere lebende Geiseln im Austausch für palästinensische Gefangene freilassen.

Israel greift Hamas im Gazastreifen massiv an © Jim Hollander / Imago Images
Israel greift Hamas im Gazastreifen massiv an © n-tv.de

Zehntausende protestieren in Tel Aviv gegen den Krieg im Gazastreifen

Die Hamas pochte dagegen auf die sofortige Umsetzung einer zweiten Phase des Gaza-Deals, die ein Ende des Krieges und den Abzug der israelischen Truppen vorsieht. Sie sollte ursprünglich Anfang März beginnen. Die Eckpunkte dazu haben beide Konfliktparteien aber bislang nicht ausgehandelt.

In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv protestierten Zehntausende Menschen gegen eine Fortsetzung des Gaza-Krieges und für eine Freilassung der Hamas-Geiseln. Der Krieg bedeute ein "Todesurteil für die Geiseln", stand auf einem langen Banner, das Demonstranten vor sich hielten. Im Gazastreifen werden nach israelischen Informationen noch 24 Geiseln festgehalten sowie die Leichen von 35 Verschleppten.

Auslöser des Gaza-Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen rund 49.000 Menschen getötet. Die Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Israel sprach bislang von rund 20.000 getöteten Terroristen.

DPA · Reuters rw
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