Mit einem Appell an die Freiheit lenken die Freien Wähler ein
Am Ende war der Druck dann doch zu groß: Hubert Aiwanger und die Freien Wähler geben ihren Widerstand gegen das Schuldenpaket von Union, SPD und Grünen auf. Aiwanger, für Bayern Mitglied im Bundesrat, wird am Freitag nicht gegen eine Verfassungsänderung stimmen, mit der die grundgesetzlich festgelegte Schuldenbremse aufgeweicht wird. Darauf einigten sich CSU und Freie Wähler am Montagabend. Die Freien Wähler beugen sich damit dem Willen des größeren Koalitionspartners unter Ministerpräsident Markus Söder.
Der Preis dafür könnte allerdings hoch sein. Hinter den Kulissen hört man bei den Freien Wählern von großem Ärger über die CSU. Die Schuldenbremse sei auch im bayerischen Koalitionsvertrag festgeschrieben. Nicht die Freien Wähler müssten begründen, warum ein Nein im Bundesrat angebracht wäre, sondern es sei an der CSU, „ihre Meinungswende zu erklären“, hatte Bayerns Digitalminister und Freie-Wähler-Nachwuchsstar Fabian Mehring noch kurz vorher im Bayerischen Rundfunk gesagt.
Tatsächlich begründeten nach zweistündiger Krisensitzung dann aber CSU und Freie Wähler gemeinsam, warum Bayern das Schuldenpaket im Bundesrat durchwinken wird: mit außergewöhnlichem Geldbedarf für Sicherheit und für Infrastruktur. Für die CSU trat Staatskanzleiminister Florian Herrmann vor die Presse, für die Freien Wähler deren Fraktionschef Florian Streibl. Das Gespräch im Koalitionsausschuss sei „fair“ verlaufen, sagte Streibl. Die Entscheidung am Ende sei im „Konsens“ gefallen, ergänzte Herrmann. Im Übrigen gebe es das bayerische Ja zum Schuldenpaket auch nur in Verbindung mit einer Protokollnotiz, die beim Bundesrat dazu gereicht werde.
Fünf Punkte aus Bayern
Die besteht aus fünf Punkten. Im Ersten davon stellen die Bayern-Koalitionäre klar, dass die Festlegung auf „Klimaneutralität bis 2045“ keinesfalls als Verfassungsauftrag oder Staatsziel zu verstehen sei – diesen Satz hatten die Grünen in die geplante Verfassungsänderung hineinverhandelt. Zum Zweiten müsse ab sofort ein „Konnexitätsprinzip“ gelten – das bedeutet, dass der Bund nicht mehr teure Beschlüsse fassen darf, die dann Länder oder Kommunen zu bezahlen haben, so wie es derzeit bei der Migration läuft, wo der Bund zulasten der anderen Kassen Vorschriften erlässt.
Zum dritten geben die Bayern zu Protokoll, dass der Länderfinanzausgleich geändert werden solle – da zahlte Bayern vergangenes Jahr mit 9,8 Milliarden Euro mehr als 50 Prozent der gesamten gegenseitigen Unterstützung für die klammeren Länder ein. Zum vierten besteht Bayern darauf, dass die neuen Schulden ausschließlich für Investitionen ausgegeben werden. Und zum fünften erinnert Bayern daran, dass „konsolidiert“ werden müsse, also die Ausgaben wieder in ein akzeptables Verhältnis zu den Steuereinnahmen gebracht werden.
Dabei dürfte Herrmann wie Streibl bewusst sein, dass eine Protokollnotiz an den Verhältnissen wenig ändern dürfte. Und beide, Florian Herrmann wie Florian Streibl, sprachen von „Bauchschmerzen“ angesichts der enormen Zahlen, um die es da gehe. „Aber wir sehen auch die Situation“, sagte Herrmann und warb mit Vorteilen: Die klammen Kommunen bekämen 100 Milliarden Euro ab. Was Streibl konkret so auf den Punkt brachte, dass es „für die Bürger wichtig ist, dass es nicht in die Schulen hineinregnet“ oder die Bahn wieder pünktlich fahre.
Außerdem werde mit dem Geld die Bundeswehr gestärkt, so Herrmann, zu dessen Aufgaben als bayerischer Staatsminister auch der Kontakt zur Bundeswehr im Freistaat gehört. Streibl bemühte gar eine „patriotische Pflicht, der wir jetzt nachkommen“. Es gehe „um die Freiheit“. Und es sei leider nunmal so, dass jetzt „die Stunde“ gekommen sei, den Preis für jahrelange Versäumnisse zu bezahlen.
Am Ende kam Streibl dann nochmal zurück auf den zwar überwiegend hinter den Kulissen ausgetragenen, aber offensichtlich teils erbitterten Streit zwischen den beiden Parteien in den Tagen davor. „Die Bayernkoalition steht und die Bayernkoalition ist handlungsfähig“, beschwor er das Bündnis seiner Freien Wähler mit der CSU. Und man könne einen Bruch zugunsten der SPD nicht riskieren.
Deren gescheiterter Ex-Vorsitzender Markus Rinderspacher hatte der CSU am Wochenende angeboten, für die Freien Wähler als Koalitionspartner einzuspringen, wobei diese Idee kaum umzusetzen gewesen wäre. Denn dann hätte sich binnen nur fünf Tagen die CSU von den Freien Wählern trennen und mit der SPD eine neue Koalition schmieden müssen.
Christoph Lemmer berichtet für WELT als freier Mitarbeiter vor allem über die Politik in Bayern.
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